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VwGH vom 23.09.2010, 2006/15/0234

VwGH vom 23.09.2010, 2006/15/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7/4. OG, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0064-K/06, betreffend Umsatzsteuer 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Kraftfahrzeugen handelt, wurde eine Umsatzsteuersonderprüfung über den Zeitraum Februar bis Dezember 2004 durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, dass die Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum innergemeinschaftliche Lieferungen von Kraftfahrzeugen getätigt und den Nachweis der Beförderung oder Versendung sowie den Buchnachweis laut Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 401/1996, so gut wie nie erbracht habe. Teils seien zum Zeitpunkt der Lieferung keine handelsüblichen Belege ausgestellt, teils sei zum Zeitpunkt der Lieferung das Abholdatum oder die Identität des Abholenden nicht festgehalten worden. Der Buchnachweis sei so gut wie nie erbracht, die Unternehmereigenschaft der Erwerber nicht, zumindest nicht anhand der Umsatzsteueridentifikationsnummer, geprüft worden. In vier Fällen sei die Rechnung an ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiges Unternehmen ausgestellt, das Kraftfahrzeug hingegen an ein österreichisches Unternehmen geliefert worden. Im Hinblick darauf wurde vom Prüfer die Auffassung vertreten, dass den solcherart beanstandeten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Steuerfreiheit zu versagen sei.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ entsprechende Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Februar bis Dezember 2004.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die angeführten Bescheide und räumte ein, vier Fahrzeuge an ein österreichisches Unternehmen geliefert und die dafür geschuldete Umsatzsteuer nicht entrichtet zu haben. Dies habe jedoch zu keinem "Umsatzsteueraufkommen" geführt, weil das betreffende Unternehmen mit Fahrzeugen handle und zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

In Bezug auf die weiteren streitverfangenen Fahrzeuge gehe die Beschwerdeführerin davon aus, dass die Tatsache des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder Verbringung außer Streit stehe und kein Thema mehr sei. Sollte dem - wider Erwarten -

doch nicht so sein, würden die dafür erforderlichen Nachweise erbracht.

Der Prüfer berufe sich auf die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996, liste die Verstöße gegen diese Verordnung penibel auf und leite daraus das Recht ab, einen nach dem Gesetz steuerfreien Vorgang steuerpflichtig zu stellen. Damit sei der Prüfer nicht im Recht. Wenn die innergemeinschaftliche Lieferung oder Verbringung außer Streit stehe, könne es nicht darauf ankommen, dass "die Empfangsbestätigung des Abnehmers - aus der Sicht der Behörde - um drei Tage zu spät eingelangt oder nicht erkennbar ist, ob die Abholung durch den Mitarbeiter X. oder Y. erfolgt ist". Wenn die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 ein solches Ergebnis zuließe, sei sie verfassungsrechtlich bedenklich oder es sei ihr ein verfassungsrechtlich bedenklicher Inhalt unterstellt worden. Auch aus Sicht des Gemeinschaftsrechts wäre eine derartige Bestimmung/Auslegung bedenklich.

In einer Ergänzung zur Berufung wurden die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 präzisiert und die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken insofern relativiert, dass es noch keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gebe, die eindeutig für den Standpunkt der Beschwerdeführerin spreche.

Das Finanzamt erließ in weiterer Folge einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 in dem den streitverfangenen Lieferungen wiederum die Steuerfreiheit versagt wurde. Die Beschwerdeführerin berief auch gegen den Jahresbescheid und verwies zur Begründung auf die Berufung gegen die Festsetzungsbescheide.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 ab und führte aus, der Bundesminister für Finanzen habe mit der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 angeordnet, wie der Nachweis der Beförderung oder Versendung und der Buchnachweis zu erfolgen hätten. Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf 130 Kraftfahrzeuge unstrittig nicht erfüllt.

Da sich das Berufungsvorbringen letztlich darin erschöpfe, darzutun, dass bzw. aus welchen Gründen die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 gesetzes- und damit verfassungswidrig sei, sei die Berufung jedenfalls als unbegründet abzuweisen, zumal hierüber der Verfassungsgerichtshof zu befinden habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1011/06, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde rügt, den streitverfangenen Lieferungen sei die Steuerfreiheit nur wegen Verstößen gegen Form- und Ordnungsvorschriften versagt worden, weil die bemängelten Unterlagen im Zuge der Umsatzsteuerprüfung (zumindest großteils) nachgereicht worden seien, und trägt, unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung vor Verfahrensvorschriften vor, dass das für den Standpunkt der Beschwerdeführerin sprechende Beweismaterial weder in der Niederschrift noch im angefochtenen Bescheid aufscheine. Die belangte Behörde habe sich die Feststellungen des Prüfers zu eigen gemacht und sie dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, obwohl sie materiell unzutreffend und nur mit überstrengen Anforderungen an den Buchnachweis zu erklären seien.

Diesem Vorbringen kommt teilweise Berechtigung zu.

Mit Erkenntnis vom , 2005/15/0031, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof, unter Hinweis auf das , Albert Collee , zu Recht erkannt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vom inländischen Lieferer zu erbringen sind und im Bereich der Nachweisführung nicht auf den Zeitpunkt der Nachweiserbringung abzustellen ist. Es ist auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren ausreichend. Entscheidend ist, dass dem liefernden Unternehmen der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen.

Der Prüfer stellte in Bezug auf die streitverfangenen Lieferungen u.a. fest, die Beschwerdeführerin habe "zum Zeitpunkt der Lieferung" keine handelsüblichen Belege ausgestellt und "zum Zeitpunkt der Lieferung" das Abholdatum oder die Identität des Abholenden nicht festgehalten, und vertrat die Auffassung, "der Nachweis der Beförderung oder Versendung ins übrige Gemeinschaftsgebiet ist Teil des Buchnachweises und damit materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit", weshalb die Steuerfreiheit auch bei zweifelsfreier Erfüllung aller übrigen Voraussetzung nicht gewährt werden könne, wenn der Buchnachweis nicht vorhanden sei. Mit den nachträglich erstellten/vorgelegten Unterlagen/Nachweisen hat sich der Prüfer nicht, jedenfalls aber nicht hinreichend auseinandergesetzt. Folglich ist nicht auszuschließen, dass auch Lieferungen, für die die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen, die Steuerfreiheit versagt wurde. Die belangte Behörde folgte den Feststellungen des Prüfers und hat damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

In Bezug auf jene Lieferungen, für die die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit - selbst bei Berücksichtigung der nachträglich vorgelegten Unterlagen/Nachweise - nicht gegeben sind, wird im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen sein, dass ein Käufer - auch bei beiderseitigen Handelsgeschäften - im Zweifel davon ausgehen kann, dass es sich bei dem mit ihm vereinbarten Preis um den Bruttopreis handelt (vgl. Ruppe, UStG3, § 4 Tz 20, mwN).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am