VwGH vom 30.06.2015, 2013/15/0149

VwGH vom 30.06.2015, 2013/15/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der F KG in E, vertreten durch die LBG Wirtschaftsprüfung Steuerberatung GmbH in 1030 Wien, Boerhaavegasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3711- W/10, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Kommanditgesellschaft, die einen forstwirtschaftlichen Betrieb führt, für den sie den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt, behandelte in ihrer Abgabenerklärung für das Jahr 2008 eine "Entschädigung Katastrophenschaden" als steuerfrei.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurden die Einkünfte der Beschwerdeführerin gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 festgestellt. Abweichend von der Erklärung der Beschwerdeführerin wurden im Hinblick auf diese "Entschädigung" die Betriebsausgaben in gleichem Umfang gekürzt. Zahlungen aus dem Katastrophenfonds würden in der Regel zu einer entsprechenden Betriebsausgabenkürzung führen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung und machte im Wesentlichen geltend, die strittige Entschädigung sei zur Abgeltung von Ernteverlusten gewährt worden, die dadurch aufträten, dass der Bestand durch das Schadensereignis aufgerissen werde und damit weniger als sechs Zehntel der vollen Überschirmung zurück bleibe. Dadurch entstünden in weiterer Folge Zuwachsverluste. Mit dieser Entschädigung stünden keine Aufwendungen und Ausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang, daher sei eine Betriebsausgabenkürzung nicht vorzunehmen. Die Steuerfreiheit der Entschädigung sei unbestritten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, änderte den erstinstanzlichen Bescheid aber ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, durch einen Orkan Anfang März 2006 seien auch im Forst der Beschwerdeführerin Waldschäden eingetreten (1590 Festmeter Schadholz auf Grund von Windwurf oder Windbruch). Die Beschwerdeführerin habe deswegen beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung Geldmittel nach der Richtlinie für die Gewährung von Beihilfen zur Behebung von Katastrophenschäden beantragt. Von der Schadenserhebungskommission seien Schäden in Höhe von 111.493 EUR festgestellt worden. Entsprechend den auf Grundlage des § 3 des Katastrophenfondsgesetzes 1996 erlassenen Landesrichtlinien sei eine Beihilfe in Höhe von 20% des festgestellten Schadens (22.300 EUR) ausbezahlt worden.

Strittig sei, ob dieser Zuschuss den Tatbestand einer Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 EStG 1988 erfülle. Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 seien insbesondere freiwillige Zuwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden von der Einkommensteuer befreit. Zuwendungen im Zusammenhang mit der Beseitigung oder Milderung bloß mittelbarer Katastrophenfolgen (insbesondere der Verdienstentgang) fielen aber nicht unter diese Steuerbefreiung.

Von der Schadenskommission sei ein Katastrophenschaden von insgesamt 111.493 EUR festgestellt worden. Dieser Schaden setzte sich wie folgt zusammen:

a) katastrophenbedingter Ernteaufwand (17.935 EUR, hierauf Beihilfe: 3.587 EUR);

b) Sachschaden am stehenden Holz (13.402 EUR, hierauf Beihilfe: 2.681 EUR);

c) Ertragsschaden (80.156 EUR, hierauf Beihilfe 16.032 EUR).

Die Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 finde nur auf den Anteil der Beihilfe Anwendung, der für die katastrophenbedingten Aufwendungen und den Sachschaden geleistet worden sei; die Steuerbefreiung ergebe sich daher mit 6.448 EUR.

Gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 seien aber die Ausgaben für die Kalamitätsholznutzung (katastrophenbedingte Aufwendungen) bis zur Höhe dieses Beihilfenteils nicht abzugsfähig. Die Beihilfe für den Sachschaden am stehenden Holz stehe hingegen mit keinen Ausgaben in einem objektiv abgrenzbaren und unmittelbaren Zusammenhang.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 seien auch Bezüge und Beihilfen aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit befreit. Unstrittig sei die Beihilfe aus öffentlichen Mitteln erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 96/15/0272, betreffend einen Ernteausfall eines Landwirtes aufgrund einer Dürre ausgesprochen, Beihilfen zur Abgeltung des Ertragsausfalles (des entgangenen Gewinnes) seien steuerfrei, weil sich die Hilfsbedürftigkeit der Empfänger - ungeachtet ihrer gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse - aus der Betroffenheit vom Katastrophenereignis ergebe.

Der hier vorliegende Fall liege aber in wesentlichen Aspekten anders als dieser vom Verwaltungsgerichtshof entschiedene Sachverhalt:

Unterschiede bestünden darin, dass für alle Waldschäden durch höhere Gewalt bereits spezielle Steuerbegünstigungen der Forstwirtschaft vorgesehen seien. Die standardisierte Einschätzung der Höhe des Verlustes von Zukunftserträgen sei mit Ungewissheiten und Ungenauigkeiten behaftet. Sogar der Steuerpflichtige, der tatsächlich von der künftigen Ertragsminderung betroffen sein werde, sei im Zeitpunkt des Beihilfenzuflusses ungewiss. Es liege kein plötzlicher Liquiditätsmangel und Einnahmenausfall vor, der zu einer katastrophentypischen Betroffenheit führe und die gegenwärtige Lebens- oder Betriebsführung des Betroffenen bedrohe. Bei künftigen Ertragseinbußen könne nicht generell auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage geschlossen werden, die üblicherweise in der Natur der Katastrophe und im verursachten Ausmaß der Betroffenheit liege. Der Betroffene habe bei absehbaren künftigen Ertragsminderungen die Möglichkeit, sich darauf einzustellen und ausgleichend gegenzusteuern. Dem Nachteil des verminderten künftigen Wertholzzuwachses an den vorhanden gewesenen "Althölzern" stünden auch Zukunftschancen durch den Holzzuwachs der neuen Aufforstungen gegenüber. Mit der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 habe der Gesetzgeber eine umfassende und spezielle Steuerbefreiung für alle freiwilligen Zuwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden geschaffen. Diese umfasse nicht den entgangenen Gewinn. Der Tatbestand der Hilfsbedürftigkeit sei widerspruchsfrei zur Steuerbefreiung nach Z 16 auszulegen.

Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass eine inhaltliche Prüfung der Steuerbefreiung wegen "Hilfsbedürftigkeit" nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen habe. Die festgestellten Ertragsverluste, die sich über zahlreiche Wirtschaftsjahre verteilten, führten zu keinem Ausmaß an wirtschaftlicher Betroffenheit, wie sie typischerweise mit Katastrophenereignissen verbunden seien. In der Berufungsverhandlung sei auch zugestanden worden, dass bei der Gesellschaft und ihren Mitgliedern durch den Orkan keine wirtschaftliche Notlage eingetreten sei. Der künftige Ertragsverlust erfülle daher nicht den Tatbestand der Hilfsbedürftigkeit.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 sind (u.a.) Bezüge oder Beihilfen aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung wegen Hilfsbedürftigkeit von der Einkommensteuer befreit.

Nach § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 sind (u.a.) freiwillige Zuwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden von der Einkommensteuer befreit.

Unstrittig stammen die Beihilfen, die hier zu beurteilen sind, aus öffentlichen Mitteln.

Hilfsbedürftigkeit aufgrund der wirtschaftlichen Situation liegt vor, wenn weder Einkommen noch Vermögen des Steuerpflichtigen noch beides zusammen ausreichen, um seinen notwendigen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Eine solche Hilfsbedürftigkeit ist im Beschwerdefall unbestritten nicht gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Hilfsbedürftigkeit aber auch bei den Opfern von Naturkatastrophen anzunehmen, und zwar unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation der Betroffenen. Die Hilfsbedürftigkeit ergibt sich in solchen Fällen ausschließlich aus der Natur des Katastrophenereignisses. Leistungen aus dem Katastrophenfonds sind daher regelmäßig nach § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 steuerfrei (vgl. die Erkenntnisse vom , 96/15/0272, VwSlg. 7308/F, und vom , 2000/15/0153, mwN). § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 ist eine Einschränkung auf die Abgeltung bestimmter Arten von Schäden nicht zu entnehmen; es kann daher auch die Entschädigung für einen Ernteausfall (für entgangene Gewinne) dieser Bestimmung subsumiert werden (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom ).

Der vorliegende Fall bildet - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen:

Aus dem Umstand, dass für alle Waldschäden durch höhere Gewalt bereits spezielle Steuerbegünstigungen der Forstwirtschaft vorgesehen sind (§ 12 Abs. 7 EStG 1988 und § 37 Abs. 6 EStG 1988), kann für die Frage, ob eine Beihilfe steuerfrei ist, nichts gewonnen werden. Diese beiden Bestimmungen haben die Funktion, den Veräußerungserlös ertragsteuerlich unbelastet für eine (Re )Investition zur Verfügung zu stellen (vgl. Jakom / Kanduth-Kristen EStG, 2015, § 12 Tz 1) bzw. die Progression im Falle der Zusammenballung von Einkünften in einem Jahr zu ermäßigen (vgl. aaO, § 37 Tz 1 und 38). Die Steuerfreiheit einer Leistung aus dem Katastrophenfonds bewirkt hingegen lediglich, dass der Geschädigte eine teilweise (vgl. - dies betonend - das bereits zitierte Erkenntnis VwSlg. 7308/F; im vorliegenden Fall im Ausmaß von 20%) Abgeltung des eingetretenen Katastrophenschadens ohne steuerliche Belastung erhält. Eine unsachliche Kumulation von Begünstigungen kann darin nicht erblickt werden.

Dass eine Schätzung mit Ungewissheiten und Ungenauigkeiten behaftet ist, bewirkt keine Unzulässigkeit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung. Dieser Umstand steht daher auch der Berücksichtigung der Steuerfreiheit von Beihilfen für einen bloß durch Schätzung ermittelbaren Ertragsausfall nicht entgegen. Auch dass im Hinblick auf die langen Produktionszyklen der Forstwirtschaft noch nicht absehbar ist, welcher Steuerpflichtige von den eingeschätzten Ertragsverlusten künftiger Wirtschaftsjahre tatsächlich betroffen sein wird, vermag nichts am eingetretenen Schaden zu ändern, ist doch auch bei einer allfälligen entgeltlichen Übertragung des Eigentums an den Waldflächen aufgrund des dann - gegenüber dem Zustand ohne Windwurf - reduzierten Holzbestandes (zum Zeitpunkt der Veräußerung) ein reduziertes Entgelt zu erwarten, sodass der Nachteil regelmäßig bei dem vom Katastrophenfall Betroffenen eintreten wird.

Dass bei Kalamitätsholznutzung kein plötzlicher Liquiditätsmangel eintritt und auch zunächst kein Einnahmenausfall vorliegt, sondern - im Gegenteil - durch die Kalamitätsnutzung zusätzliche Einnahmen erzielt werden, ist zutreffend. Dennoch ist die Beschwerdeführerin von einem Katastrophenereignis betroffen und geschädigt. Dass Naturkatastrophen auch die Chance einer Anpassung an geänderte Bedingungen bieten, ist ebenfalls zutreffend, vermag aber am eingetretenen Schaden - auch betreffend den ermittelbaren Verdienstentgang - nichts zu ändern.

Dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 eine umfassende (und andere verdrängende) Steuerbefreiung für alle Zuwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden geschaffen habe, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann dem Gesetzgeber, der vor dem Hintergrund des Auftretens außergewöhnlicher Hochwässer Änderungen im steuerlichen Bereich vorgenommen hat, um "die Solidarität und Hilfe des Bundesstaates" zu sichern (so 1285 BlgNR 21. GP, 1), nicht zugesonnen werden, er habe beabsichtigt, durch Schaffung dieser Regelung die Steuerfreiheit von Zuwendungen im Katastrophenfall im Ergebnis einzuschränken.

Die nach den - auf Grundlage des § 3 des Katastrophenfondsgesetzes 1996 erlassenen - Landesrichtlinien ausbezahlte Beihilfe für Forstschäden ist daher zur Gänze gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 steuerfrei. Darauf, ob die Beihilfe auch nach § 3 Abs. 1 Z 16 EStG 1988 steuerfrei sein könnte, war demnach nicht mehr einzugehen.

Gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dass die (steuerfreie) Beihilfe im Umfang von 3.587 EUR mit katastrophenbedingten Aufwendungen (Ernteaufwand) in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang steht, wird in der Beschwerde nicht mehr bestritten. Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie in diesem Umfang die Ausgaben der Beschwerdeführerin kürzte.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren (Umsatzsteuer) war abzuweisen, da die genannten Bestimmungen einen darüber hinausgehenden Aufwandersatz nicht vorsehen.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am