VwGH vom 21.12.2016, 2013/13/0047
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2829-W/11, miterledigt RV/2830-W/11, RV/2831-W/11, RV/2832-W/11, RV/2945- W/12, RV/2946-W/12, betreffend Umsatzsteuer 2003 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: R Genossenschaft mit beschränkter Haftung in Wien, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Umsatzsteuer der Jahre 2005 bis 2008) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei ist die Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe im Sinne des § 9 KStG 1988. Weiters bildet sie als Organträgerin mit einigen Gruppenmitgliedern als Organgesellschaften eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994.
2 Bei der mitbeteiligten Partei fand für die Jahre 2002 bis 2008 eine abgabenbehördliche Prüfung bzw. Nachschau statt. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , auf die der Abschlussbericht vom verweist, wurde unter "2. Gestionspauschale" festgehalten, dass die mitbeteiligte Partei diverse Arbeiten für die Gruppenbesteuerung leiste und die Kosten dafür an die Gruppenmitglieder auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung "(Steuerumlagenvereinbarung Pkt. 5 Gestionspauschale)" weiterverrechne. Die Leistungen der Gruppenträgerin würden einerseits Leistungen während des Jahres bis zur Abgabe der Jahreserklärung (Zusammenstellung der Jahresunterlagen, Berechnung der Steuerumlagen und Gestionspauschalen, gruppenspezifische Meldungen, Planungsrechnungen) und andererseits Leistungen im Zusammenhang mit der erfolgten Veranlagung (Prüfung der Feststellungsbescheide, Abrechnung der endgültigen Steuerumlagen und Gestionspauschalen, Ermittlung der Differenzbeträge) umfassen. Der wesentliche Teil der Leistung sei im Zeitpunkt der Bekanntgabe der vorläufigen Höhe der Gestionspauschale im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung bereits erfolgt. Dies werde durch die unternehmensrechtliche Verbuchung der vorläufigen Gestionspauschale als Ertrag bei der mitbeteiligten Partei untermauert. Die für das einzelne Jahr im darauffolgenden Jahr an die Gruppenmitglieder gemeldeten und verbuchten Gestionspauschalen seien daher im Jahr der Leistungserbringung der Umsatzsteuer zu unterziehen. Die mit 20% zu versteuernden Umsätze der mitbeteiligten Partei seien im Jahr 2006 um EUR 132.979,36 (Gestionspauschale 2005), im Jahr 2007 um EUR 163.122,59 (Gestionspauschale 2006) und im Jahr 2008 um EUR 546.083,70 (Gestionspauschale 2007) zu erhöhen.
3 Unter "7. Vorsteuer aus Gestionspauschale" wurde in der Niederschrift ausgeführt, von der mitbeteiligten Partei sei für die im Zusammenhang mit den umsatzsteuerpflichtigen Gestionspauschalen stehenden Kosten bisher kein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden. Dem diesbezüglichen Antrag im Rahmen der Prüfung werde (nach Maßgabe des § 12 Abs. 4 UStG 1994) durch Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen iHv EUR 8.761,67 im Jahr 2005, EUR 5.703,56 im Jahr 2006, EUR 7.340,64 im Jahr 2007 und EUR 21.203,27 im Jahr 2008 entsprochen.
4 Das Finanzamt nahm die Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2005 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ den Feststellungen der Prüfer Rechnung tragende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2008.
5 In den dagegen erhobenen Berufungen vom und vom brachte die mitbeteiligte Partei u.a. vor, sie habe sich als Gruppenträgerin in der "Steuerumlagenvereinbarung" vertraglich dazu verpflichtet, die Gestionierung der gesamten Unternehmensgruppe nach § 9 KStG 1988 zu übernehmen. Als Gegenleistung für diese Tätigkeiten und die daraus erwachsenden internen und externen Kosten (z.B. Personal- und Beratungskosten) erhalte sie von den einzelnen Gruppenmitgliedern eine Gestionspauschale für jedes Veranlagungsjahr der Gruppenzugehörigkeit. Die Gestionierung einer Unternehmensgruppe beinhalte einerseits die laufende "unterjährige" Betreuung, andererseits eine Vielzahl an Arbeiten zum Zeitpunkt der Veranlagung der Gesamtgruppe. Hauptaufgabe des Gruppenträgers sei es, Steuerumlagen auf Basis der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu ermitteln und, im Falle eines positiven Gruppenergebnisses, die Körperschaftsteuerzahllast verursachungsgerecht auf die einzelnen Gruppenmitglieder aufzuteilen. Den Betreuungsschwerpunkt stelle dabei die Abrechnung zum Zeitpunkt der Veranlagung der Gruppe dar, wobei diese Arbeit mit einem weitaus größeren Arbeitsaufwand verbunden sei als die unterjährige Betreuung. Der Zeitraum der Gestionierung der Steuerumlagenvereinbarung für ein Veranlagungsjahr könne sich, je nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung, über mehrere Kalenderjahre erstrecken. So habe z.B. die Abrechnungsperiode betreffend das Veranlagungsjahr 2005 die Bilanzierungsarbeiten ab dem Bilanzstichtag () bis zum Abschluss im April 2006, die Unterstützung bei der Körperschaftsteuererklärung sowie die Mitwirkung bei der abgabenbehördlichen Prüfung bis zur Zustellung des Bescheids für 2005 am und bis zur Fälligkeit der Gestionspauschale für 2005 am umfasst.
6 Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht seien alle Leistungen, die ein Veranlagungsjahr beträfen, als Einheit anzusehen. Es liege eine Dauerleistung vor, bei der zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten davon ausgegangen werden könne, dass sie mit Rechnungslegung (Abrechnung) ausgeführt sei. Die Abrechnung könne nach sachlichen oder zeitlichen Gesichtspunkten vorgenommen werden und dokumentiere, welche Leistungen nach dem Parteiwillen als Einheit anzusehen seien. Es sei daher korrekt, den Leistungszeitpunkt am Ende einer Abrechnungsperiode anzusetzen. Dass die Umsatzsteuerschuld erst nach mehreren Jahren entstehe, sei von der Abgabenbehörde zu verantworten, die die Veranlagung zum Teil um rund fünf Jahre verzögert vorgenommen habe.
7 Zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Gestionsleistungen führte die mitbeteiligte Partei aus, sie nehme im Zuge ihres Gruppengestionsauftrages u.a. auch Leistungen externer Berater in Anspruch, für die ihr der Vorsteuerabzug zustehe. Die Abgabenbehörde habe jedoch einen Vorsteuerschlüssel angewandt und nicht den vollen Vorsteuerabzug gewährt. In der Zwischenzeit sei jedoch beim zuständigen Finanzamt ein Antrag nach § 12 Abs. 7 UStG 1994 auf Behandlung der mitbeteiligten Partei als gesondert geführter Betrieb gestellt worden, sodass der Vorsteuerabzug zu 100% zustehe.
8 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen der mitbeteiligten Partei gegen die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2008 teilweise Folge.
9 Nach Punkt 5.1 der Steuerumlagenvereinbarung werde die Gestionspauschale "für die beim Gruppenträger durch die Unternehmensgruppe entstehenden laufenden internen und externen Kosten" geleistet. Daraus folge, dass die durch dieses pauschale Entgelt abgedeckten Leistungen als Einheit anzusehen seien. Die mitbeteiligte Partei habe ausführlich dargelegt, welche Aufgaben im Zeitpunkt der Veranlagung der Gruppenmitglieder sowie der Gesamtgruppe vorzunehmen seien. Der eigentliche Betreuungsschwerpunkt liege in der endgültigen Abrechnung auf Basis des Körperschaftsteuerbescheids der Gesamtgruppe. Entgegen der Betriebsprüfung sei aufgrund des vereinbarten Leistungsinhalts nicht davon auszugehen, dass der wesentliche Teil der Leistung bereits mit dem Abschluss der Bilanzierungsarbeiten für die Gruppenmitglieder bzw. mit der Abgabe der Steuererklärung für das betreffende Veranlagungsjahr erfolgt sei. Die Gestionspauschale stelle das Entgelt für eine Summe von Leistungen dar, die als Einheit zu betrachten seien, wobei sich die Leistungserbringung bis zum Zeitpunkt der Veranlagung der Gesamtgruppe erstrecke und die Abrechnung erst nach Beendigung der Gestionstätigkeit erfolge. Bei der Gestionstätigkeit handle es sich um ein auf einen bestimmten Zeitraum (bis zur Veranlagung der Gesamtgruppe) bezogenes Dauerschuldverhältnis, das immer wieder zu konkreten Einzelleistungen Anlass gebe. In derartigen Fällen liege es nach Ruppe/Achatz , UStG4, § 3a Tz 221 "Fallgruppe (2)", nahe, die Abgrenzung der einzelnen sonstigen Leistung den Parteien zu überlassen. Die Abgrenzung könne entweder nach Zeitabschnitten oder nach dem sachlichen Zusammenhang vorgenommen werden und komme regelmäßig in der Abrechnung zum Ausdruck, die dokumentiere, welche Leistungen als Einheit zu betrachten seien. Tatsächlich erfolge die Rechnungslegung erst nach Beendigung der als einheitliche Leistung zu beurteilenden Gestionstätigkeit für das jeweilige Veranlagungsjahr, da erst dann der endgültige Betrag ermittelt werden könne. Nach Punkt 5.3 der Steuerumlagenvereinbarung sei die Forderung der Gruppenträgerin erst einen Monat nach Zustellung des Körperschaftsteuerbescheids der Unternehmensgruppe an die Gruppenträgerin fällig. Die bloße Mitteilung des vorläufigen Gestionspauschales an die Gruppenmitglieder im Folgejahr diene lediglich Verbuchungszwecken und stelle noch keine "Abrechnung" im umsatzsteuerrechtlichen Sinn dar. Der Betriebsprüfung sei daher nicht darin zu folgen, dass die Steuerschuld aus den für die jeweiligen Abgabenerhebungszeiträume zu vereinnahmenden Gestionspauschalen bereits in den darauffolgenden Jahren (im Jahr 2006 für das Jahr 2005, im Jahr 2007 für das Jahr 2006 und im Jahr 2008 für das Jahr 2007) entstanden sei.
10 Zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Gestionsleistungen führte die belangte Behörde aus, die zu beurteilenden Vorsteuern würden aus Rechnungen für Leistungen externer Unternehmer resultieren, welche die mitbeteiligte Partei für ihre Gestionstätigkeit als Gruppenträgerin in Anspruch genommen habe. Die Gestionstätigkeit der mitbeteiligten Partei werde nach der Steuerumlagenvereinbarung mit pauschalen Entgelten entlohnt, deren Steuerpflicht außer Frage stehe. Die streitgegenständlichen Vorsteuern stünden daher nicht mit unecht steuerfreien Umsätzen im Zusammenhang, sodass der volle Vorsteuerabzug zustehe. Aus diesem Grund erübrige es sich, auf den von der mitbeteiligten Partei gestellten Antrag nach § 12 Abs. 7 UStG 1994 einzugehen. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge seien für das Jahr 2005 um EUR 4.360,49, für das Jahr 2006 um EUR 2.838,54, für das Jahr 2007 um EUR 6.746,17 und für das Jahr 2008 um 5.897,03 zu erhöhen.
11 Gegen diesen Bescheid, soweit er die Umsatzsteuer der Jahre 2005 bis 2008 betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erwogen:
13 Die mitbeteiligte Partei ist nicht nur Gruppenträgerin einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988, sondern sie bildet unstrittig mit einem Teil der Gruppenmitglieder auch eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994.
14 In der Amtsbeschwerde wird u.a. vorgebracht, die mitbeteiligte Partei habe im Rahmen der Erfüllung ihres Gestionsauftrages Leistungen von externen Unternehmern bezogen und die in den Eingangsrechnungen für diese Leistungen ausgewiesene Umsatzsteuer anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung als Vorsteuer geltend gemacht. Die belangte Behörde habe den Vorsteuerabzug zu Unrecht zur Gänze gewährt, ohne zu berücksichtigen, dass Empfänger der Gestionsleistungen zum Teil Organgesellschaften seien, die "überwiegend" zum Vorsteuerausschluss führende unecht steuerfreie Bank- und Versicherungsumsätze bewirkten.
15 Dieses alle Streitjahre betreffende Vorbringen zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf.
16 Die Amtsbeschwerde rügt zu Recht, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die von der mitbeteiligten Partei als Organträgerin an die Organgesellschaften erbrachten Gestionsleistungen nicht steuerbare sogenannte "Innenumsätze" darstellen (vgl. z.B. Mayr/Ungericht , UStG4, § 2 Anm 19). Da die Organträgerin mit ihren Organgesellschaften ein einheitliches Unternehmen bildet, ist für den Umfang des Vorsteuerabzugs maßgebend, mit welchen Ausgangsumsätzen gegenüber Dritten die Eingangsleistungen im Zusammenhang stehen (vgl. z.B. Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 2 Rz 248, sowie Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, München 2016, § 2 Rz 263, mwN). Soweit die Eingangsleistungen den steuerpflichtigen Gestionsleistungen der Organträgerin an die nicht der Organschaft zugehörigen Gruppenmitglieder zugeordnet werden können, steht der Organträgerin dafür der Vorsteuerabzug zu. Hinsichtlich jener Eingangsleistungen, welche die Gestionstätigkeit der Organträgerin für ihre Organgesellschaften betreffen, ist für die Frage des Vorsteuerabzugs entscheidend, mit welchen Ausgangsumsätzen der Organgesellschaften (die aufgrund des Organschaftsverhältnisses der Organträgerin zuzurechnen sind) diese Eingangsleistungen im Zusammenhang stehen. Soweit die Eingangsleistungen in unecht befreite Ausgangsumsätze der Organgesellschaften eingehen, kommt ein Vorsteuerabzug dafür nicht in Betracht.
17 Da die belangte Behörde dies unrichtig beurteilt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
18 Der angefochtene Bescheid war daher - im angefochtenen Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
19 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am