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VwGH vom 26.03.2014, 2013/13/0022

VwGH vom 26.03.2014, 2013/13/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3400-W/12, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen steht im Beschwerdefall ausschließlich in Streit, ob das Finanzamt berechtigt war, den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe, mit welcher der Beschwerdeführer zur Einreichung der Einkommen- und der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 verhalten werden sollte, "(noch) am selben Tag zu erlassen, an dem es auch (bereits) Schätzungsbescheide betreffend die Festsetzung der Einkommen- und Umsatzsteuer für das Jahr 2010 erließ". Sowohl der Bescheid über die Festsetzung der Zwangsstrafe in Höhe von EUR 300,-- als auch der Einkommen- und der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010 seien mit datiert und am zugestellt worden.

In der gegen den Bescheid über die Zwangsstrafe erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Festsetzung der Zwangsstrafe wegen Nichteinreichung der Einkommen- und der Umsatzsteuererklärung für 2010 sei rechtswidrig, weil am selben Tag Schätzungsbescheide hinsichtlich dieser Abgaben ergangen seien. Durch die Erlassung dieser Abgabenbescheide sei die Erbringung der Leistung, die durch die Verhängung der Zwangsstrafe hätte erzwungen werden sollen, nämlich die Einreichung der Abgabenerklärungen für 2010, "obsolet" geworden. Die Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärungen sei durch die Festsetzung der Abgabenschuldigkeiten im Schätzungsweg weggefallen, sodass die Festsetzung der Zwangsstrafe am selben Tag nicht mehr zulässig gewesen sei. Ansonsten würde die Zwangsstrafe einen reinen Pönalcharakter erhalten, der ihr nach dem Gesetz aber nicht zukomme.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen mittels Zwangsstrafe durchgesetzt werden könne. Die Festsetzung einer Zwangsstrafe sei unzulässig, wenn die zu erbringende Leistung unmöglich oder unzumutbar sei oder wenn die Leistung bereits erbracht worden sei. Werde die Leistung jedoch erst nach der erstinstanzlichen Festsetzung einer Zwangsstrafe erbracht, stehe dies einer die Zwangsstrafe bestätigenden Berufungsentscheidung nicht entgegen. Der Umstand, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelt habe, bewirke nicht, dass die Festsetzung der Zwangsstrafe unzulässig sei. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärungen für 2010 erst im Rahmen der Berufung gegen den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid 2010 nachgekommen. Auch habe das Finanzamt in weiterer Folge die Besteuerungsgrundlagen neu ermittelt und neue Bescheide erlassen. Schon dies zeige die Zweckmäßigkeit der Verhängung der Zwangsstrafe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.

Zweck der Zwangsstrafe ist es, die Abgabenbehörde bei der Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten zu verhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0112). Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Einreichung von Abgabenerklärungen eine mittels Zwangsstrafe nach § 111 BAO erzwingbare Leistung dar (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 98/14/0091, und vom , 2006/15/0366).

Im Beschwerdefall geht es um die Festsetzung einer Zwangsstrafe wegen nicht erfolgter Abgabe der Steuererklärungen betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für das Jahr 2010.

Die Vorschriften über die Abgabe der Steuererklärungen sind sowohl

im EStG 1988 (§ 42) als auch im UStG (§ 21) in die Vorschriften über die Veranlagung systematisch eingebettet. Unter Veranlagung versteht man das Verfahren, das auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ausgerichtet ist und mit einem die jeweilige Steuer festsetzenden Bescheid abgeschlossen wird (vgl. z.B. Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuer-Handbuch, § 39 Tz 1). "Steuererklären" heißt, dem Finanzamt die für eine Veranlagung erforderlichen Grundlagen bekanntzugeben (vgl. Quantschnigg/Schuch , aaO, § 42 Tz 1, Doralt , EStG15, § 42 Tz 1). Der Steuerpflichtige hat "zum Zweck der Veranlagung" für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben (vgl. Ruppe/Achatz , UStG4, § 21 Tz 37).

Aus dem aufgezeigten Sinn und Zweck der Abgabenerklärungen ergibt sich damit, dass mit erfolgter Veranlagung (etwa im Wege einer Schätzung) eine erzwingbare Verpflichtung zur Abgabe der in Rede stehenden Abgabenerklärungen nicht mehr besteht (vgl. in diesem Zusammenhang auch Ritz , BAO5, § 133 Tz 13). Die Festsetzung einer Zwangsstrafe zur Erklärungsabgabe zugleich mit der Vornahme der entsprechenden Veranlagungen erweist sich damit als unzulässig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am