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VwGH vom 18.12.2019, Ra 2019/15/0005

VwGH vom 18.12.2019, Ra 2019/15/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der T GmbH in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 61.26-2707/2018-4, betreffend Zurückweisung eines Rechtsmittels im Kommunalsteuerverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Feldkirchen bei Graz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Die Marktgemeinde F hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Zuge einer GPLA-Prüfung für den Zeitraum bis wurden von der Revisionswerberin mit Heizkosten-Ablesungen beauftragte "Subunternehmer" als in einem Dienstverhältnis zu ihr stehend qualifiziert.

2 Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde F vom wurden der Revisionswerberin daraufhin für diesen Zeitraum Kommunalsteuer in der Höhe von 18.717,84 EUR sowie Säumniszuschläge gemäß § 217 BAO von 374,36 EUR vorgeschrieben. Die "Rechtsmittelbelehrung" des Abgabenbescheids lautete auszugsweise:

"Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides zur Post zu geben oder schriftlich bei der Marktgemeinde (F) einzubringen. (...)"

3 Gegen diese Abgabenvorschreibung erhob die Revisionswerberin als Rechtsmittel eine "Bescheidbeschwerde", in der sie sich durchgängig als "Beschwerdeführerin" bezeichnete und an das "Bundesfinanzgericht" mehrere Anträge stellte. Dabei beantragte sie insbesondere, "dieser Bescheidbeschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben; in eventu der Bescheidbeschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Kommunalsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 mit EUR 0,-- festgesetzt wird."

4 Der Bürgermeister der Marktgemeinde F legte daraufhin das gegenständliche Rechtsmittel dem Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) vor.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG die Bescheidbeschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurück. Begründend führte es aus, laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe es nicht zum Nachteil der Partei eines Verwaltungsverfahrens gereichen, wenn sie ein von ihr zulässig erhobenes Rechtsmittel lediglich falsch bezeichnet habe. Bei der Beurteilung, ob ein gegen einen Bescheid des Bürgermeisters in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde - wie hier - erhobenes Rechtsmittel als Berufung oder als (unzulässige) Beschwerde zu werten sei, komme es also nicht ausschließlich auf seine Bezeichnung an, sondern sei bedeutend, ob sich aus dem Begehren eindeutig ergebe, von welcher Behörde oder welchem Gericht die Rechtsmittelwerberin die Entscheidung beantrage. Lasse sich aus dem Begehren nichts anderes schließen, als dass eine Entscheidung des LVwG beantragt werde, sei eine Deutung des Rechtsmittels als Berufung ausgeschlossen. Sei sohin das erhobene Rechtsmittel nicht falsch bezeichnet, sondern ein falsches Rechtsmittel erhoben worden, so sei es zurückzuweisen.

6 Dies sei nach Ansicht des LVwG vorliegend der Fall. Die Revisionswerberin habe nach der Formulierung ihrer Anträge eindeutig eine Entscheidung des LVwG beantragt. Dies ergebe sich einerseits aus der ausdrücklichen Bezeichnung "Beschwerde" und andererseits aus ihren Anträgen, wonach das "Bundesfinanzgericht" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufheben möge. Die Revisionswerberin richte sich sohin ausdrücklich und zweifelsohne an das LVwG und ersuche um Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zum Antrag auf Entscheidung durch das "Bundesfinanzgericht" werde auf die Bestimmung des § 3 VwGVG über die örtliche Zuständigkeit verwiesen, wonach in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache sei, das Verwaltungsgericht im Land zuständig sei. Nachdem die Festsetzung und Vollstreckung der Kommunalsteuer gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fielen, sei daher für Beschwerden das LVwG und nicht das Bundesfinanzgericht zuständig. Eine Deutung des Rechtsmittels als vom Gemeinderat der Marktgemeinde F zu erledigende Berufung scheide aus. Vielmehr sei das Rechtsmittel nicht bloß ein unrichtig bezeichnetes, sondern ein unrichtiges Rechtsmittel. Eine Beschwerde in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde könne nämlich erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. Werde der innergemeindliche Instanzenzug jedoch nicht ausgeschöpft (und nicht zunächst Berufung an den Gemeinderat erhoben), seien die Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt. Im Übrigen sei festzuhalten, dass die Revisionswerberin anwaltlich vertreten gewesen sei und demzufolge an die - eindeutige - Rechtsmittelerklärung ein strengerer Beurteilungsmaßstab anzulegen sei.

7 Die Revision ließ das LVwG nicht zu, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen gewesen sei. 8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision der Revisionswerberin, in der diese geltend macht, dass die Bezeichnung "Bescheidbeschwerde" "einem redaktionellen Versehen geschuldet" gewesen sei, sich aus dem Inhalt des erhobenen Rechtsmittels aber unzweifelhaft ergebe, dass "die Revisionswerberin mit ihrem Rechtsmittel beabsichtigte, eine Berufungsentscheidung des Gemeinderats der Marktgemeinde (F) zu erhalten". Mit der vorliegenden Zurückweisung weiche das LVwG von der näher dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur (Um)Deutung und Auslegung eines Rechtsmittels ab.

9 Die mitbeteiligte Marktgemeinde F brachte eine Revisionsbeantwortung ein.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde mit Wirkung vom vorgesehen, dass nur in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden ein zweistufiger administrativer Instanzenzug besteht, während im Übrigen das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren unmittelbar an die Stelle bisheriger administrativer Rechtsschutzverfahren trat und Bescheide einer Verwaltungsbehörde sohin unmittelbar der Anfechtung beim zuständigen Verwaltungsgericht unterliegen (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 4).

13 Gemäß Art. 118 Abs. 4 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 kann aber auch dieser allein auf Gemeindeebene verbliebene zweistufige administrative Instanzenzug gesetzlich ausgeschlossen werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Ra 2016/15/0040, mit näherer Begründung ausgesprochen hat, ist hierfür in Kommunalsteuerangelegenheiten - in Ermangelung von Vorschriften des Bundesgesetzgebers zum gemeindeinternen Instanzenzug - der Landesgesetzgeber zuständig. 14 Landesgesetzliche Regelungen (speziell) zur Kommunalsteuer liegen (in der Steiermark) nicht vor.

15 Gemäß § 93 Abs. 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967 idF LGBl. Nr. 87/2013, geht der Instanzenzug gegen Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches an den Gemeinderat, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 16 Gemäß § 12 KommStG sind die in den § 5, 10, 11 und 14 geregelten Aufgaben der Gemeinde solche des eigenen Wirkungsbereiches, wobei § 11 Abs. 3 KommStG die Festsetzung der Abgabe regelt.

17 In Kommunalsteuerangelegenheiten war daher gegenständlich von einem zweistufigen administrativen Instanzenzug auszugehen, wobei Berufungsbehörde der Gemeinderat ist und das Berufungsverfahren in § 288 BAO näher geregelt ist. 18 Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im Revisionsfall die Einordnung des als "Bescheidbeschwerde" bezeichneten Rechtsmittels der Revisionswerberin gegen die Abgabenfestsetzung durch den Bürgermeister der Marktgemeinde F strittig.

19 Parteierklärungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Es besteht aber keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl. , mwN).

20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein dessen Unzulässigkeit nicht begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe sind ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. zB , mwN; , Ra 2016/15/0040).

21 Der Revisionsbeantwortung der Marktgemeinde F ist zwar zuzugestehen, dass die Formulierungen der Eingabe der Revisionswerberin unter Übergehung des Gemeindesrats als innergemeindliche Berufungsbehörde (trotz Rechtsmittelbelehrung) und Erhebung einer "Bescheidbeschwerde" an das in Kommunalsteuerangelegenheiten im Allgemeinen unzuständige "Bundesfinanzgericht" auf eine gehäufte Rechtsverkennung des anwaltlichen Vertreters der Revisionswerberin schließen lassen. 22 Diese Fehler des gegenständlichen Rechtsmittels waren aber derart offenkundig, dass schon die Abgabenbehörde erster Instanz von einer Weiterleitung der bei ihr eingebrachten Eingabe an das darin von der Revisionswerberin angesprochene "Bundesfinanzgericht" absah. Stattdessen legte es die Eingabe dem LVwG vor, das von der Revisionswerberin in ihrem Rechtsmittel überhaupt nicht angesprochen worden war.

23 Ungeachtet dessen hat sich auch das LVwG von der Eingabe angesprochen gesehen, weil die Revisionswerberin "nach der Formulierung ihrer Anträge eindeutig eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark beantragt" habe. Dies ergebe sich aus der ausdrücklichen Bezeichnung "Beschwerde" und den Anträgen der Revisionswerberin, wonach das "Bundesfinanzgericht" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufheben möge.

24 Diese Auslegung der vorliegenden Parteienerklärung hält der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen jedoch schon insofern für unvertretbar, als das unzuständige LVwG (im Gegensatz zum ebenfalls unzuständigen Bundesfinanzgericht) von der Revisionswerberin in ihrer Eingabe überhaupt nicht angesprochen worden ist und daher auch nicht entscheidungszuständig werden konnte.

25 War dem Inhalt der Eingabe der Revisionswerberin jedoch zu entnehmen, dass sie eine reformatorische Rechtsmittelentscheidung anstrebt - wie dies die Anträge ihrer "Bescheidbeschwerde" tatsächlich nahe legen und worauf sich offensichtlich auch das LVwG bezieht -, so wäre das Rechtsmittel von der Einbringungsstelle unmittelbar dem dafür zuständigen Gemeinderat vorzulegen gewesen. Dass das gegenständliche Rechtsmittel textlich an ein anderes Organ als an die Berufungsbehörde gerichtet war, hat dabei auf die Rechtzeitigkeit der Berufung keinen Einfluss, solange die Einbringungsstelle rechtzeitig erreicht worden ist (vgl. , mwN, sowie , Ro 2016/06/0019).

26 Der angefochtene Beschluss, mit dem das LVwG das gegenständliche Rechtsmittel als unzulässig zurückwies, war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben. 27 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 VwGG abgesehen werden. 28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150005.L00

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