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VwGH vom 09.09.2009, 2006/10/0143

VwGH vom 09.09.2009, 2006/10/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Josef Seisl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Goethestraße 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5- SH-9683/001-2006, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom sprach die Bezirkshauptmannschaft Gmünd aus, die Mutter des Beschwerdeführers erhalte ab "Hilfe bei stationärer Pflege" in einem näher genannten Heim in W. Die Mutter habe zu den Kosten für Pflege- und Betreuungsmaßnahmen einen Beitrag zu leisten.

Anlässlich einer am vor dem Magistrat der Stadt Linz aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.754,47 (Monat August 2005) an.

Mit Bescheid vom verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Gmünd den Beschwerdeführer gemäß § 39 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000 (NÖ SHG) zu den Kosten der Sozialhilfe für seine Mutter ab einen Kostenbeitrag in Höhe von EUR 174,54 zu leisten. Begründend wurde ausgeführt, ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1.754,47 ergebe sich - abzüglich von Pauschalbeträgen für Wohnungskosten von EUR 200,-- einerseits und für Darlehens- und Rückzahlungsraten in Höhe von EUR 100,-- andererseits eine Bemessungsgrundlage von EUR 1.454,47. Davon würden 12 % vorgeschrieben.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, der tatsächliche Wohnungsaufwand (Miete für Wohnung und Garage) betrage EUR 550,57, weiters habe der Beschwerdeführer eine monatliche Kreditrückzahlungsrate in Höhe von EUR 545,22 zu begleichen. Mindestens die Hälfte derselben hätte die Behörde abziehen müssen. Auch die Haftpflichtversicherung in Höhe von EUR 105,74 wäre abzuziehen gewesen, sodass sich eine Bemessungsgrundlage von nur noch EUR 826,05 ergeben hätte.

Mit Bescheid vom wies die Niederösterreichische Landesregierung die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm.

§ 39 NÖ SHG ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die Niederösterreichische Landesregierung begründend aus, die Bezirkshauptmannschaft Gmünd habe der Mutter des Beschwerdeführers mit Bescheid vom Hilfe bei stationärer Pflege durch Übernahme der offenen Kosten der Unterbringung im näher bezeichnetem Heim in W. ab gewährt. Die Verpflegskosten für die Mutter hätten zum Zeitpunkt der Erlassung des erstbehördlichen Bescheids EUR 97,68 täglich, somit monatlich EUR 2.930,40 betragen. Der Lebensbedarf umfasse neben den Verpflegskosten noch einen Betrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse ("Sozialhilfe-Taschengeld") in Höhe von EUR 59,15 monatlich, insgesamt also monatlich EUR 2.989,55. Diesem Betrag stehe die Eigenleistung der Mutter (inklusive Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von EUR 859,30) von insgesamt monatlich netto EUR 1.874,42 gegenüber. Die Differenz zwischen den monatlichen Verpflegskosten und der Eigenleistung betrage EUR 1.115,13. Den unterhaltspflichtigen Angehörigen können anteilsmäßig (grundsätzlich) ein Kostenersatz bis zu dieser Höhe vorgeschrieben werden.

Gemäß § 39 Abs. 1 NÖ SHG hätten Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers ergebe sich aus § 143 Abs. 1 und Abs. 2 ABGB.

Nach der Judikatur der Zivilgerichte hätten Eltern für Jugendliche über 15 Jahre einen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von 22 % ihres Einkommens zu leisten. Bei Bemessung des Unterhalts seien Ausgaben des täglichen Lebens, Miete, Zahlungen zur Vermögensbildung, Heizungskosten, Stromkosten, öffentliche Gebühren, Betriebskosten für Eigenheime, Anschaffungs- /Betriebskosten für Kraftfahrzeuge, Prämien für freiwillige Versicherungen, Anschaffungskosten für Eigenheime sowie Rückzahlungen von Wohnungsverbesserungskrediten nicht zu berücksichtigen.

Nach internen Richtlinien berücksichtige das Land Niederösterreich dennoch bei der Kostenbeitragsverpflichtung gewisse Pauschalbeträge. Vom durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführer (EUR 1.754,47) könnten Pauschalbeträge für Wohnbedarf (EUR 200,--) und Darlehensrückzahlung (EUR 100,--) abgezogen werden, was eine Bemessungsgrundlage von EUR 1.454,47 ergebe. Von dieser seien 12 %, also EUR 174,54, als monatlicher Kostenersatz zumutbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des NÖ SHG lauten (auszugsweise):

"§ 37

Kostenersatzverpflichtete

Für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben Ersatz zu leisten:

...

3. die unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfeempfängers;

...

§ 39

Ersatz durch Dritte

(1) Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz besteht nicht, wenn dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen ... nicht gerechtfertigt wäre.

...

(3) Unterhaltspflichtige Angehörige dürfen durch die Heranziehung zum Kostenersatz in ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet sein.

..."

1.2. Der die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern regelnde § 143 ABGB bestimmt:

"§ 143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, insofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des stammeseigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Die Kostenersatzpflicht nach § 39 NÖSHG ist einerseits dadurch begrenzt, dass der Unterhaltspflichtige nur in dem Umfang und für den Zeitraum Ersatz zu leisten hat, als auf Grund sozialhilferechtlicher Bestimmungen Sozialhilfeleistungen zur Deckung eines Bedarfes des Unterhaltsberechtigten erbracht wurden. Die Ersatzpflicht ist andererseits durch die Unterhaltspflicht selbst begrenzt, der Ersatzpflichtige darf somit nur in dem Umfang zum Ersatz herangezogen werden, in dem er dem Empfänger der Sozialhilfe Unterhalt leisten müsste. Wesentliche Voraussetzung für die Gewährung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ist, dass der Betreffende nicht in der Lage ist, den Lebensbedarf aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Frage der Einsetzbarkeit eigener Mittel ist aber auch für die Unterhaltspflicht gemäß § 143 Abs. 2 ABGB (arg.: "soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten") maßgebend (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0069 mwN).

Zur Beurteilung der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern ist § 143 ABGB heranzuziehen. Voraussetzung für die Unterhaltspflicht des Nachfahren ist der Mangel der Selbsterhaltungsfähigkeit des Vorfahren. Unzutreffend ist die Auffassung, dass allein aus der Höhe des Einkommens des Vorfahren auf dessen Selbsterhaltungsfähigkeit geschlossen werden könne. Entscheidend für die Beurteilung dieser Frage ist vielmehr, ob der Vorfahre in der Lage ist, die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse zu decken. Zu diesen gehören gerade bei altersbedingt betreuungsbedürftigen Menschen auch die erhöhten Kosten eines menschenwürdigen Heimaufenthalts und notwendiger Pflege. Vorfahren mit unzureichender Altersversorgung oder ungedeckten Pflegekosten sind daher nicht selbsterhaltungsfähig (vgl. erneut das erwähnte hg. Erkenntnis vom mwN).

Beim Unterhaltsanspruch der Vorfahren gegen Nachkommen ist grundsätzlich von der gleichen Prozentkomponente wie für den Unterhalt erwachsener Kinder auszugehen und als "angemessen" 22 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltsverpflichteten als Richtwert anzunehmen (vgl. etwa Schwimann, Unterhaltsrecht3, 119), wobei Sorgepflichten für Kinder über 15 Jahre eine Reduktion dieses Prozentsatzes um jeweils zwei Prozentpunkte bewirken (vgl. etwa Stabentheiner in Rummel, ABGB3, Rz 5c zu § 140).

Von der Bemessungsgrundlage dürfen aber Ausgaben des täglichen Lebens (wie zB. Mietzinse und Stromkosten) grundsätzlich nicht abgezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0010 mwN).

2.2.1. Bereits die Erstbehörde hat, ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers, ihrem Bescheid ein monatliches Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von EUR 1.754,47 zu Grunde gelegt. Der Beschwerdeführer hat im Berufungsverfahren dagegen nichts vorgebracht. Die belangte Behörde konnte daher unbedenklich die Annahmen der Erstbehörde übernehmen. Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, die Höhe des monatlichen Einkommens sei nicht gleichbleibend, erweist sich als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.

2.2.2. Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde hätte erstmals im angefochtenen Bescheid tägliche Verpflegskosten der Mutter in Höhe von EUR 97,98 festgestellt. Im erstbehördlichen Verfahren sei noch von EUR 66,60 täglich die Rede gewesen.

Es trifft zu, dass die belangte Behörde ihre Sachverhaltsannahme zur Höhe der Verpflegskosten dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten hat. Dieser Verfahrensmangel ist aber insofern nicht von Relevanz, als auch um ca. ein Drittel niedrigere Verpflegskosten an der Höhe des vorgeschriebenen Kostenersatzes nichts hätten ändern können. Auch bei Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer behaupteten Verpflegskosten wäre der ungedeckte Betrag so hoch gewesen, dass er durch den mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Kostenersatz nicht einmal annähernd abgedeckt würde.

2.2.3. Der Beschwerdeführer wendet sich weiters dagegen, dass die belangte Behörde bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage seine monatlichen Kosten für Miete und Garage nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0010 mwN) Ausgaben des täglichen Lebens (wie Miete und Stromkosten) bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Unterhaltspflicht grundsätzlich nicht abgezogen werden können. Die Berücksichtigung eines Pauschalbetrags von monatlich EUR 200,-- für Miete im angefochtenen Bescheid gereichte dem Beschwerdeführer demnach keineswegs zum Nachteil.

2.2.4. Mit dem Beschwerdevorbringen, die Mutter beziehe mehr als die Mindestpension, was seine Kostenersatzpflicht ausschließe, übersieht der Beschwerdeführer die unter 2.1. dargestellte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der Vorfahren mit unzureichender Altersversorgung oder ungedeckten Pflegekosten eben nicht als selbsterhaltungsfähig anzusehen sind, was eine Unterhaltspflicht der Kinder auslösen kann.

2.2.5. Es kann schließlich im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, inwieweit von der von der Behörde ermittelten Bemessungsgrundlage weitere Kosten für Darlehenszahlungen abzuziehen gewesen wären, wie das der Beschwerdeführer für geboten erachtet:

Ausgehend vom unbedenklich zu Grunde gelegten Nettoeinkommen des Beschwerdeführers (EUR 1.754,47) hätte sich bei Nichtabzug der Mietkosten selbst bei Berücksichtigung aller vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten monatlichen Darlehensrückzahlungen (EUR 544,22) eine Bemessungsgrundlage in Höhe von EUR 1.210,25 ergeben. Da der Beschwerdeführer unstrittig keine Sorgepflichten hat, wäre eine Kostenersatzverpflichtung in Höhe von 22 % dieser Bemessungsgrundlage, mithin EUR 266,25, in Betracht gekommen.

Durch die von der belangten Behörde vorgeschriebene Kostenersatzpflichtverpflichtung in Höhe von nur 12 % der bereits zu Gunsten des Beschwerdeführers ermittelten Bemessungsgrundlage wurde dieser jedenfalls nicht in Rechten verletzt.

Dafür, dass der Unterhalt des Beschwerdeführers durch Auferlegung einer monatlichen Kostenersatzpflicht von EUR 174,54 gefährdet wäre, liegt kein Anhaltspunkt vor.

2.3. Die vorliegende Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am