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VwGH vom 08.09.2010, 2008/16/0154

VwGH vom 08.09.2010, 2008/16/0154

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und HR Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0069- W/08 (miterledigt die GZlen. RV/1341-W07, RV/1342-W/07, RV/1849- W/07, RV/1850-W/07, RV/2154-W/07, RV/2156-W/07, RV/2157-W/07, RV/2721-W/07, RV/2722-W/07, RV/2903-W/07, RV/2977-W/07, RV0065- W/08, RV/0066-W/08, RV/0067-W/08, RV/0378-W/08, RV/0452-W/08), betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der beschwerdeführende F (im Folgenden Beschwerdeführer) schloss als Sozialhilfeträger in den insgesamt 17 beschwerdegegenständlichen Fällen mit jeweils namentlich genannten Sozialhilfeempfängern schriftliche Vereinbarungen, die (was zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig ist) im Wesentlichen - auszugsweise - folgenden gleichen Wortlaut haben:

"Der F W, als Sozialhilfeträger gewährt mir, ..., wohnhaft

... im Sinne der Sozialhilfebestimmungen künftig eine

Dauerunterstützung in Form einer teilweisen Begleichung von Pflegekosten, die mir durch Heimunterbringung erwachsen.

Ich verpflichte mich und meine Rechtsnachfolger, die Sozialhilfe, welcher Art immer, zurückzuzahlen.

Die Rückzahlung des künftig zu leistenden Sozialhilfeaufwandes wird ohne Anrechnung von Zinsen bei Erlöschen meiner Hilfsbedürftigkeit oder bei Übertragung der mir gehörigen

... Liegenschaft ... oder sonst am Tag meines Ablebens fällig.

Vom Tag der schon eingetretenen Fälligkeit an sind die rückzuzahlenden Beträge zu dem der jeweiligen Bankrate entsprechenden Zinsfuß zu verzinsen.

Zur Sicherstellung dieser Verpflichtung bestelle ich ...

die mir gehörige ... Liegenschaft ... zum Pfande und erteile die

ausdrückliche Einwilligung, dass auf Grund dieser Urkunde ohne

mein weiteres Einvernehmen das Pfandrecht für einen Höchstbetrag

von EUR 45.000,-- (fünfundvierzigtausend Euro) zugunsten des F im

Lastenblatt der Liegenschaft ... einverleibt wird ..."

Dafür wurde vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien jeweils Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 18 Abs. 1 GebG festgesetzt.

Dagegen berief der Beschwerdeführer jeweils mit dem Argument, es liege ein gebührenbefreiter Vergleich iS des § 33 TP 20 Abs. 2 Z 3 GebG vor.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, wobei sie den Vergleichscharakter der Vereinbarung verneinte und § 33 TP 18 Abs. 1 GebG für anwendbar erachtete. § 19 Abs. 2 GebG komme nicht zum Tragen, weil das Hauptgeschäft keiner Gebühr unterliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gebührenfreiheit verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 33 TP 20 GebG lautet auszugsweise:

"(1) Vergleiche (außergerichtliche)


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a)
...
b)
sonst 2 v. H. vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.

(2) Gebührenfrei sind

...

3. Vergleiche, die mit einem Sozialhilfeträger über Ersatzansprüche abgeschlossen werden.

..."

§ 33 TP 18 Abs. 1 leg. cit. unterwirft Hypothekarverschreibungen einer Rechtsgebühr von 1 v. H. nach dem Wert der Verbindlichkeit, für welche die Hypothek eingeräumt wird.

§ 19 Abs. 2 GebG lautet:

"(2) Werden in einer Urkunde mehrere Rechtsgeschäfte derselben oder verschiedenen Art, die nicht zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind, abgeschlossen, so ist die Gebühr für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu entrichten. Dies gilt aber nicht für die in der Urkunde über das Hauptgeschäft zwischen denselben Vertragsteilen zur Sicherung oder Erfüllung des Hauptgeschäftes abgeschlossenen Nebengeschäfte und Nebenvereinbarungen, gleichgültig, ob das Hauptgeschäft nach diesem Gesetz oder einem Verkehrssteuergesetz einer Gebühr oder Verkehrsteuer unterliegt."

Die entscheidende Frage des vorliegenden Falles ist die Beurteilung der Rechtsnatur der getroffenen Vereinbarung als Vergleich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Frage zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0136 umfassend und detailliert klargestellt, was unter einem Vergleich iS des § 1380 ABGB und damit unter einem Vergleich iS des § 33 TP 20 GebG zu verstehen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnissen verwiesen.

Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere betont, dass ein Vergleich unter anderem dann vorliegt, wenn mit einer Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollen.

Gerade das ist mit den im vorliegenden Fall zu beurteilenden Vereinbarungen aber geschehen, indem jeweils betreffend die Rückzahlungspflicht der jeweiligen Sozialhilfeempfänger klargestellt wurde, in welchen konkreten Fällen diese Rückzahlungspflicht fällig wird (Erlöschen der Hilfsbedürftigkeit, Übertragung der Liegenschaft oder Ableben) und dass eine Anrechnung von Zinsen bis zur Fälligkeit der Rückzahlungspflicht nicht stattzufinden hat.

In Gestalt des Verzichtes auf eine Verzinsung der gewährten und rückzuzahlenden Sozialhilfeleistung für die Zeit bis zur Fälligkeit des Rückzahlungsbetrages ist (unter Berücksichtigung der vom Sozialhilfeempfänger eingeräumten Sicherheit für den Rückzahlungsbetrag) überdies das für einen Vergleich bedeutsame Element des gegenseitigen Nachgebens in der Vereinbarung vorhanden.

Am Vorliegen eines an sich dem Tatbestand nach § 33 TP 20 GebG unterliegenden außergerichtlichen Vergleiches besteht in den beschwerdegegenständlichen Fällen daher (anders als dies der angefochtene Bescheid gesehen hat) kein Zweifel.

In den Beschwerdefällen ist allerdings die Befreiungsbestimmung des § 33 TP 20 Abs. 2 Z 3 GebG zu beachten, weil es sich beim Beschwerdeführer um einen Sozialhilfeträger handelt (siehe dazu Fellner, Stempel und Rechtsgebühren8 Anm 5 zu § 33 TP 20 Abs. 2 Z 3 GebG und die dort zitierten Gesetzesmaterialien).

Die in den Vertragsurkunden zusätzlich zur Klärung wesentlicher Aspekte der Rückzahlungspflicht vereinbarte Bestellung einer Höchstbetragshypothek stellt an sich eine Hypothekarverschreibung iS des § 33 TP 18 GebG dar, ist jedoch im gegebenen Zusammenhang als Sicherungsgeschäft zu dem in der Urkunde vorher vereinbarten Vergleich über die Rückzahlungsverpflichtung zu verstehen. Dieses Sicherungsgeschäft ist im vorliegenden Fall der Bestimmung des § 19 Abs. 2 GebG zu unterstellen, weil der durch die Hypothekarverschreibung besicherte Vergleich (wie gezeigt) an sich unter § 33 TP 20 GebG fällt, also an sich steuerbar, jedoch gemäß der Befreiungsbestimmung des Abs. 2 Z 3 leg. cit. steuerbefreit ist (siehe dazu die bei Fellner aaO unter E 48 zu § 19 GebG referierte hg. Judikatur).

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abzusehen, zumal die Angelegenheit nicht in den Anwendungsbereich "civil rights" fällt und daher Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zur Anwendung kommt.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwandversatzVO BGBl. 2008/II Nr. 455. Wien, am