VwGH vom 05.03.2009, 2008/16/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A O in O, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Andreas Hoferstraße 8, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes St. Pölten vom , Zl. Jv 2968/08w-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom wurde die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Brigitte O. geschieden.
Der Rechtsfreund des Beschwerdeführers vereinbarte mit der zuständigen Richterin des Bezirksgerichtes St. Pölten für den einen Termin für den Abschluss eines im Entwurf vorliegenden Vergleiches. Am besagten Tag schlossen schließlich der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsfreund, und Brigitte O. den nachfolgenden, auszugsweise wiedergegebenen
"Vergleich
I. Ehewohnung:
Die Ehewohnung in ... O. ... verbleibt einschließlich der im Haus befindlichen Fahrnisse dem Beschwerdeführer.
Frau Brigitte O. hat die Ehewohnung bereits unter Mitnahme aller ihrer Fahrnisse geräumt, jeder behält das, was er am heutigen Tage im Besitz hat.
II. Liegenschaft:
1) Die Antragsteller sind je zur Hälfte bücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 211 Grundbuch ... O., Gerichtsbezirk St. Pölten, bestehend aus dem Grundstück Nr. 316/12 im Ausmaß von 278 m2. Auf dieser Liegenschaft ist das Einfamilienhaus O. 111 errichtet.
2) Diese Liegenschaft ist bücherlich wie folgt belastet:
...
3) Im Rahmen der Aufteilung des ehelichen Vermögens übergibt Brigitte O. ... die ihr eigentümlich gehörende Hälfte an der Liegenschaft EZ 211 Grundbuch ... O. mit dem Gutsbestand laut Punkt 1) an den Beschwerdeführer ... und dieser übernimmt diese Liegenschaftshälfte samt allen damit verbundenen Rechten und Verbindlichkeiten, sodass er unter Berücksichtigung seines bisherigen Hälfteeigentums Alleineigentümer dieser Liegenschaft wird.
...
6) Hinsichtlich der gemeinsam bestehenden Verbindlichkeiten wird Folgendes vereinbart:
a) Der Beschwerdeführer übernimmt sämtliche Verbindlichkeiten laut Punkt 2) zur Alleinzahlung und verpflichtet sich Brigitte O. diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos zu halten.
Sonstige gemeinsame Verbindlichkeiten bestehen nicht.
b) Der Beschwerdeführer übernimmt somit folgende Verbindlichkeiten:
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Land Niederösterreich: Stand: | ... |
Kredit Volksbank, Kto-Nr. ..., | ... |
Allgemeine Bausparkasse, Vertrag Nr. ..., | ... |
Der Beschwerdeführer verpflichtet sich, Brigitte O. diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos zu halten.
...
9) Zum Zwecke der Gebühren- und Steuerbemessung wird festgestellt, dass die Parteien für sämtliche auf der Liegenschaft lastenden Verbindlichkeiten solidarisch haften, sodass durch die Übernahme der Rückzahlung durch den Beschwerdeführer keine zusätzliche Schulübernahme gegeben ist. Es wird weiters festgestellt, dass der Einheitswert der vertragsgegenständlichen Liegenschaftshälfte zu EW-AZ ... des Finanzamtes St. Pölten EUR 7.000,-- beträgt.
..."
Mit Zahlungsauftrag vom schrieb die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes St. Pölten dem Beschwerdeführer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 169.796,-- Pauschalgebühren nach TP 1 GGG im Betrag von EUR 1.788,50 und eine Einhebungsgebühr nach § 6 Abs. 1 GEG im Betrag von EUR 8,-- zur Zahlung vor.
In den gegen diesen Zahlungsauftrag erhobenen "Einwendungen" vertrat der Beschwerdeführer zusammengefasst den Standpunkt, eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG könne die vorgeschriebene Gebühr nicht sein. Im gegenständlichen Fall liege zweifellos eine Vermögensaufteilung nach dem EheG vor, für welche in TP 12 GGG eine eigene Gebühr vorgesehen sei und EUR 275,-- betrage. Es sei aber kein solcher Antrag gestellt worden, sondern nur ein prätorischer Vergleich über diese eheliche Vermögensaufteilung geschlossen worden. Die Gerichtsgebühr müsste daher 50 % der Pauschalgebühr für Vermögensaufteilungsanträge betragen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag nicht Folge. Der Beschwerdeführer habe - so die Begründung im Wesentlichen - keinen nach Tarifpost 12 GGG zu vergebührenden Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach § 85 EheG eingebracht, sondern mit der Terminvereinbarung den Abschluss eines prätorischen Vergleichs begehrt. Gemäß Anmerkung 2 zu TP 1 GGG sei die Pauschalgebühr nach dieser Tarifpost auch für prätorische Vergleiche zu entrichten; in diesen Fällen ermäßige sich die Pauschalgebühr auf die Hälfte. Das Gerichtsgebührengesetz knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insofern entferne, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft sei, hinwegsehe, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Eine Gebührenpflicht nach TP 1 GGG sei daher gegeben. Die Bemessungsgrundlage für die Vergleichsbewertung ergebe sich aus den Vergleichspunkten wie folgt:
"1.) In Punkt II Zif. 3 wurde die Übergabe des halben Liegenschaftsanteiles an den Beschwerdeführer vereinbart. Der Einheitswert der Liegenschaft wurde mit EUR 7.000,-- beziffert (Punkt II Zif. 9). Bemessungsgrundlage ist daher gem. 15 Zif. 1 GGG der dreifache Einheitswert, davon die Hälfte. Das ergibt EUR 10.500,--.
2.) In Punkt II Zif. 6 verpflichtet sich der Antragsteller zur Übernahme der gemeinsam bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 155.505,70. Ein gebührenpflichtiger Vergleich liegt auch dann vor, wenn einer von zwei Solidarschuldnern sich verpflichtet, die gesamte Schuld allein abzutragen und für eine Entlastung des anderen aus der Haftung zu sorgen ... Der Punkt ist gebührenrechtlich mit EUR 155.505,70 zu bewerten.
3.) In Punkt III wurde die Übergabe der ehelichen Ersparnisse in Höhe von EUR 3.790,28 festgelegt; gebührenrechtliche Bewertung daher EUR 3.790,28.
Die übrigen Vergleichspunkte sind für eine gebührenrechtliche Bewertung nicht von Relevanz. In Summe ergibt der Vergleich eine Bemessungsgrundlage von EUR 169.795,70. Aufgrund dieser Bemessungsgrundlage ist zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenpflicht (Vergleichsabschluss) gemäß TP 1 GGG iVm Anmerkung 2 zu TP 1 GGG eine Pauschalgebühr in Höhe von EUR 1.788,50 entstanden."
Dem Berichtigungsantrag habe daher der Erfolg versagt bleiben müssen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf Vergebührung eines prätorischen Vergleiches über nach §§ 81 ff EheG aufzuteilendes eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse nach TP 12 lit. a Z. 1 iVm TP 1 GGG und Nichtvorschreibung einer Pauschalgebühr nach TP 1 ... GGG" verletzt. Er regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der Tarifpost 1 GGG wegen Verfassungswidrigkeit stellen, und beantragt im Übrigen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer fordert - wie schon im Verwaltungsverfahren - eine Vergebührung des Vergleiches vom nach TP 12 GGG.
Zur Darstellung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage wird vorerst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/16/0024, verwiesen; in diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf den damaligen Beschwerdefall, den Abschluss eines Vergleiches über die Ehewohnung und damit verbundene finanzielle Belastungen im Rahmen eines streitigen Scheidungsverfahrens, aus:
"Anders als dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift sieht (die im Übrigen fehlende Elemente aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu substituieren vermag; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0071 mwN), handelt es sich bei der Frage des weiteren Schicksals der Ehewohnung für den Fall einer Scheidung und damit verbunden bei der Frage um die weitere Tragung bzw. Aufteilung der damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen selbstverständlich um eine, die ohne das entsprechende vorangegangene Eheverhältnis gar nicht denkbar wäre (vgl. dazu z.B. die bei Klauser/Kodek, MGA JN-ZPO16 unter E 22 ff referierte Rechtsprechung der Zivilgerichte).
Daraus folgt, dass die Parteien eines entsprechenden streitigen Ehescheidungsverfahrens (bezogen auf die für den Beschwerdefall maßgebliche Rechtslage) an sich zwei Alternativen hatten, die Frage des Schicksals der Ehewohnung und der damit verbundenen finanziellen Belastungen zu regeln. Zum einen hatten sie die Möglichkeit, diese Frage anschließend an das streitige Ehescheidungsverfahren zum Gegenstand eines Außerstreitverfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§§ 81ff EheG) zu machen, wofür sie gem. TP 12 F lit. a) Z. 1 GGG damals eine Gebühr von EUR 191,-- entrichten hätten müssen. Zum anderen hatten sie - wie im Beschwerdefall vorgenommen - auch die Möglichkeit, diese Frage schon im streitigen Ehescheidungsverfahren im Wege eines Vergleiches zu regeln.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach allgemeiner forensischer Erfahrung einem entsprechenden Vergleich im Rahmen des streitigen Ehescheidungsverfahrens schon deswegen der Vorzug gebührt, weil er ein anschließendes (oft genug zeitraubendes) außerstreitiges Aufteilungsverfahren entbehrlich macht, sowie unter Berücksichtigung auf die jedenfalls gebotene, am Gleichheitssatz orientierte und damit verfassungskonforme Interpretation, sollte die vergleichsweise Regelung einer an sich in das Außerstreitverfahren gehörenden Angelegenheit im Rahmen eines zunächst nur punkto Ehescheidung geführten streitigen Verfahrens nicht dazu führen, dass ein solcher Vergleich mit höheren Gebühren belastet wäre, als ein im Anschluss an das streitige Eheverfahren eingeleitetes außerstreitiges Aufteilungsverfahren.
Es wäre daher angezeigt, auf die im Wege des strittigen Vergleichspunktes 7. vorgenommene Erweiterung des Gegenstandes des streitigen Verfahrens die Bestimmung der TP 12 F a) Z. 1 GGG anzuwenden. Allerdings ist nach ständiger hg. Judikatur auf Vergleiche, die in einem streitigen Verfahren geschlossen werden, die TP 12 GGG nicht anzuwenden (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0347 mwN), was sich auch e contrario aus der durch die Nov. BGBl. I 2003/112 geschaffene Bestimmung der Anm. 2a zur TP 1 GGG ergibt.
In einem Fall wie dem vorliegenden ist demnach der Gesetzgeber gefordert, eine entsprechende Regelung zu schaffen. Solange dies nicht der Fall ist, besteht mit Rücksicht auf die Bestimmung der Anm. 9 zur TP 1 GGG in jenen Fällen, in denen die Parteien eines streitigen Ehescheidungsverfahrens Angelegenheiten "aus dem gegenseitigen Verhältnis von Eheleuten", die an sich in das außerstreitige Verfahren gehören, im Wege eines Vergleiches zum Gegenstand eines streitigen Ehescheidungsverfahrens machen, keine Rechtsgrundlage für eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage.
Die in diesem Zusammenhang auftretende Frage, ob eine Angelegenheit, die an sich in den Bereich des Außerstreitverfahrens gehört, überhaupt zum Gegenstand eines Prozessvergleiches gemacht werden darf (siehe dazu z.B. Gitschthaler in Rechberger, Komm z ZPO3 Rz 17 lit. b) zu §§ 204 bis 206 ZPO), spielt gebührenrechtlich keine Rolle, weil auch dann, wenn vom Streitrichter allfällige Vergleichshindernisse nicht beachtet werden, für die vom Kostenbeamten anzuwendende formale Beurteilung von einem Prozessvergleich auszugehen ist (siehe dazu das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0347)."
Dass Gegenstand des eingangs wiedergegebenen Vergleiches vom die Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen (eheliche Ersparnisse bedurften offensichtlich nicht einer Aufteilung) im Anschluss an eine Scheidung war, ist unstrittig. Der nun vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich von dem dem zitierten Erkenntnis vom Anlass gebenden dadurch, dass die Streitparteien (die Eheleute) nicht schon im Zuge des Scheidungsverfahrens eine vergleichsweise Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen vornahmen, sondern erst nach dessen rechtskräftiger Beendigung. Dies steht allerdings einer Übertragung der das zitierte Erkenntnis vom tragenden Überlegungen auf den vorliegenden Beschwerdefall nicht entgegen, weil dem Umstand, ob die Parteien eines Scheidungsverfahrens eine vergleichsweise Regelung über ihr eheliches Gebrauchsvermögen (und ihre ehelichen Ersparnisse), die an sich den Gegenstand eines Verfahrens nach den §§ 81 bis 98 EheG darstellt, während oder erst im Gefolge des Scheidungsverfahrens treffen, keine entscheidende gebührenrechtliche Bedeutung zukommen kann.
Demnach kommt nur mehr eine Vergebührung des Vergleiches nach TP 12 lit. a Z. 1 GGG in Betracht. Bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation steht ein solches Ergebnis auch nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa die in Stabentheiner, Gerichtsgebühren8, unter E. 1 zu TP 12 GGG referierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Dass mit der Vergebührung eines Vergleiches TP 12 GGG eine Anwendung der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG - wie ebenfalls von der Beschwerde gefordert - nicht in Betracht kommt, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am