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VwGH vom 26.04.2012, 2008/15/0234

VwGH vom 26.04.2012, 2008/15/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des AM in D, vertreten durch die a.m. Wirtschaftstreuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/IV, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0443- L/03, betreffend Einkommensteuer 2000 und 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mit Notariatsakt vom gemeinsam mit seiner Ehefrau die elterliche Landwirtschaft übernommen. Im Übergabsvertrag verpflichteten sich die Übernehmer gemeinsam zur Leistung eines Ausgedinges, das im Wesentlichen aus dem Wohnrecht der Übergeber, persönlichen Betreuungsleistungen (insbesondere tägliches Aufräumen der Wohnung, wöchentliche Wohnungsreinigung, Bedienung der Heizung, Wäschereinigung, Kochen, Botengänge, Pflege- und Betreuungsleistungen) und einer jährlichen Leibrente von 100.000 S besteht. Unter "Neuntens" der Vereinbarung wurde bestimmt, dass jede Vertragsseite für die von ihr in diesem Vertrag übernommenen Verbindlichkeiten zur ungeteilten Hand haftet.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für die Jahre 2000 und 2001 im Instanzenzug fest, wobei sie dem Berufungsantrag des Beschwerdeführers auf Berücksichtigung der Rentenzahlungen als Sonderausgaben nur mit einem anteiligen Betrag von jährlich 50.000 S entsprach.

Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, "wirtschaftlich betrachtet haben der Berufungswerber und seine Frau jeweils das Hälfteeigentum an der übergebenen Liegenschaft erworben und als Gegenleistung haben in wirtschaftlicher Sichtweise jeweils der Berufungswerber und seine Frau die halbe Gegenleistung, somit 50.000,00 S jeweils an die Übergeber zu zahlen". Die Vereinbarung einer Gesamtschuldnerschaft iSd § 891 ABGB habe den Sinn, den Übergebern eine erhöhte Sicherheit für die Zahlung der Versorgungsrente zu geben. Dass in wirtschaftlicher Betrachtung nur einer der Gesamtschuldner die Verpflichtung endgültig tragen solle, sei durch die gesamtschuldnerische Haftung nicht automatisch gegeben und "wäre (es) auch verwunderlich, wenn einer der Verpflichteten die Zahlungsleistungen erbringen müsste, jedoch beide Gesamtschuldner in gleicher Weise die Vorteile (jeweils Hälfteeigentum) aus dem Übergabsvertrag hätten". Dies werde auch durch § 896 ABGB bestätigt, der eine Regressmöglichkeit desjenigen Gesamtschuldners vorsehe, der die Schuld getilgt habe. Diese im Gesetz festgestellte Regressmöglichkeit bestätige, dass trotz Gesamtschuldnerschaft jeder Gesamtschuldner jenen Anteil tragen solle, der dem dahinter liegenden wirtschaftlichen Vorteil entspreche, den jeder Gesamtschuldner aus dem Geschäft erhalte.

Wenn, wie im Beschwerdefall, die Gesamtschuldner jeweils zur Hälfte Eigentum an der übergebenen Liegenschaft erwerben, sollen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise beide Gesamtschuldner jeweils die Hälfte der gesamten Gegenleistung erbringen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei von vornherein geplant gewesen, dass er die Zahlungen und seine Ehefrau die persönlichen Leistungen erbringen solle, stünde im krassen Gegensatz zum Wortlaut des Vertrages, worin sich beide Übernehmer gesamtschuldnerisch zur Erbringung aller dieser Leistungen verpflichtet hätten. Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung der Ehefrau überzeuge die belangte Behörde nicht von der Richtigkeit des diesbezüglichen Vorbringens.

Im Hinblick auf die Regressmöglichkeit gegenüber der Ehefrau sei der Beschwerdeführer durch die Zahlung des gesamten Betrages wirtschaftlich nicht belastet, weil der Zahlung an die Übergeber eine Forderung an die Ehefrau gegenüberstünde. Inwieweit der Beschwerdeführer die Regressforderung bei seiner Ehefrau eintreibe, sei für das gegenständliche Abgabenverfahren nicht von Belang.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Berücksichtigung von Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in voller Höhe verletzt.

Nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, sind Renten, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen unter bestimmten Voraussetzungen, deren Vorliegen im Beschwerdefall außer Streit steht, als Sonderausgaben bei Ermittlung des Einkommens abzuziehen. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich gegenständlich um eine so genannte Versorgungsrente gegen eine Betriebsübergabe handelt.

Sonderausgaben kann - soweit nicht der Sondertatbestand des § 18 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 greift - grundsätzlich nur der Steuerpflichtige geltend machen, der zu ihrer Bezahlung aus einem Rechtsverhältnis verpflichtet ist und der sie auch tatsächlich zahlt (vgl. Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 18 Abs. 3 Tz 2).

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer als Gesamtschuldner zur Zahlung der Rente verpflichtet war und er den Gesamtbetrag der jährlichen Rentenverpflichtung den Übergebern des landwirtschaftlichen Betriebes auch tatsächlich geleistet hat. Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid jedoch die Ansicht, dass der Beschwerdeführer durch die Zahlung des gesamten Betrages der Rentenschuld einen Forderungsanspruch gegenüber seiner Ehefrau erworben habe, sodass die Rentenzahlungen nur anteilig als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten.

In der Beschwerde wird dem entgegengehalten, die Regressmöglichkeit des § 896 ABGB könne keinesfalls als Begründung dafür herangezogen werden, dass jeder Gesamtschuldner den Anteil tragen solle, der dem wirtschaftlichen Vorteil aus dem Geschäft entspreche. Der Zweck der genannten Bestimmung liege vielmehr darin, dass nicht die Willkür des Gläubigers darüber entscheiden solle, wer die Last zu tragen habe. Umfang und Art der Regressforderung bestimmten sich zivilrechtlich - wie näher angeführtem Schrifttum zu entnehmen sei - nach den im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarungen. Gegenständlich bestünde Einigkeit darüber, dass kein Regress erfolgen solle. Unabhängig davon umfasse das Ausgedinge im Beschwerdefall neben der Leibrente und dem Wohnrecht der Übergeber noch zahlreiche persönliche Dienstleistungen. Tatsächlich seien die gemeinsam übernommenen Verpflichtungen dermaßen aufgeteilt, dass der Beschwerdeführer die Leibrentenverpflichtung übernommen habe, während seine Ehefrau die gesamten persönlichen Dienstleistungen erbringe. Diese Aufteilung erfolge schon auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten, weil dem Beschwerdeführer aus beruflichen, zeitlichen und örtlichen Gründen die Erbringung der persönlichen Leistungen nicht möglich sei. Die gesamten persönlichen von der Ehefrau erbrachten Leistungen aus dem Vertrag entsprächen mit Sicherheit zumindest den Geldleistungen aus der Leibrentenverpflichtung. Diese Aufteilung sei schon von Anfang an vereinbart gewesen, lediglich aus "Absicherungsgründen" (der Übergeber) seien beide Übernehmer zur ungeteilten Hand verpflichtet worden.

Mit diesem bereits im Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer gemachten und seitens der Ehefrau bestätigten Vorbringen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinander gesetzt. Die Erwägung der belangten Behörde, es wäre "verwunderlich, wenn einer der Verpflichteten die Zahlungsleistungen erbringen müsste, jedoch beide Gesamtschuldner in gleicher Weise die Vorteile (jeweils Hälfteeigentum) aus dem Übergabsvertrag hätten", geht am Berufungseinwand über das Vorliegen einer angemessenen Lastenaufteilung vorbei. Zu Recht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde in diesem Zusammenhang daher vor, sie übergehe mit ihrer Begründung wesentliche Punkte des Übergabsvertrages, nämlich jene, in denen die persönlichen Leistungen der Übernehmer beschrieben würden. Welche Bedeutung im gegebenen Kontext der von der belangten Behörde wiederholt herangezogenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise zukommt, ist nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht zu erkennen, dass die behauptete Lastenverteilung im Innenverhältnis im krassen Widerspruch zum Wortlaut des Vertrages stünde, betrifft der Übergabsvertrag doch das Verhältnis zwischen Übergeber auf der einen und Übernehmer auf der anderen Seite. Dass die Übergeber von jedem der Übernehmer die Vertragserfüllung verlangen können, erlaubt nicht den Schluss, dass jede andere als eine Verteilung der vertraglich zugesagten Lasten nach Köpfen ungewöhnlich oder nur dem Angehörigenverhältnis geschuldet wäre. Es widerspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass die Erbringung persönlicher Leistungen nach Maßgabe der persönlichen Verhältnisse der dazu verpflichteten Personen erfolgt.

Träfe es zu, dass die persönlichen Dienstleistungen wertmäßig annähernd den vereinbarten jährlichen Rentenzahlungen entsprechen, kann nicht gesagt werden, dass der Verzicht auf die Geltendmachung einer Kostenbeteiligung der Ehefrau ausschließlich auf das Angehörigenverhältnis zurückzuführen wäre und dieser Umstand einer Geltendmachung des gesamten Betrages als Sonderausgaben entgegenstünde (vgl. sinngemäß das Betriebsausgaben betreffende hg. Erkenntnis vom , 87/14/0118).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am