VwGH vom 28.05.2009, 2008/15/0193

VwGH vom 28.05.2009, 2008/15/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Linz, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , RV/0191-L/07, betreffend Körperschaftsteuer 2004 (mitbeteiligte Partei: L AG in L, vertreten durch Plan Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, 4020 Linz, Kudlichstraße 41 bis 43), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte, eine österreichische AG, betreibt eine Lokalbahn. In der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2004 erklärte sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt wies im Körperschaftsteuerbescheid für 2004 den Verlust aus Gewerbebetrieb sowie ein Einkommen von Null Euro aus und setzte die Körperschaftsteuer mit 3.500 EUR (Mindestkörperschaftsteuer) fest. Zur Begründung führte es aus, unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften hätten gemäß § 24 Abs 4 Z 1 KStG 1988 für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5% eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (70.000 EUR für Aktiengesellschaften) zu entrichten.

In der Berufung vom begehrte die Mitbeteiligte, die Mindestkörperschaftsteuer nach der Vorschrift des § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 in Höhe von lediglich 1.092 EUR festzusetzen. Sie sei Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet worden und in der Zeit zwischen 1998 und (einschließlich) 2003 durch § 5 Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 persönlich von der Körperschaftsteuer befreit gewesen. Mit sei eine Änderung der Rechtslage eingetreten, was zum "Wegfall" der Körperschaftsteuerbefreiung geführt habe. Mit der Veranlagung für 2004 habe sie daher von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht gewechselt. § 24 Abs 4 Z 3 KStG lege fest, dass die Mindeststeuer abweichend von den Ziffern 1 und 2 für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht für jedes Kalendervierteljahr nur 273 EUR betrage. Im ersten Jahr ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht sei daher Mindestkörperschaftsteuer von lediglich 1.092 EUR zu bezahlen.

Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO erließ das Finanzamt einen Körperschaftsteuerbescheid für 2004, in welchem der Verlust aus Gewerbebetrieb mit einem geringeren Betrag ausgewiesen wurde. Die Mindestkörperschaftsteuer wurde wiederum mit 3.500 EUR festgesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung vom Folge. Die Berufung richte sich gemäß § 274 BAO gegen den nach der Verfahrenswiederaufnahme ergangenen Sachbescheid. Unbestritten sei, dass die Mitbeteiligte gemäß § 5 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 idF BGBl I 1999/82 in den Jahren 1999 bis 2003 von der persönlichen Körperschaftsteuerpflicht befreit gewesen sei. Diese Befreiung sei mit dem am in Kraft getretenen Privatbahngesetz 2004 ausgelaufen. Die Mitbeteiligte sei mit diesem Zeitpunkt wiederum in die unbeschränkte Steuerpflicht eingetreten.

Die Ermäßigung der Mindestkörperschaftsteuer für die ersten Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht sei mit BGBl I 1997/70 eingeführt worden. Den ErlRV zu diesem Gesetz zufolge sei die Ermäßigung "für neu gegründete Kapitalgesellschaften im Interesse der Förderung von Unternehmensgründungen" eingeführt worden.

Die Mindestkörperschaftsteuer knüpfe an die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Eine persönliche Steuerbefreiung wie etwa jene nach dem Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 erstrecke sich daher auch auf die Mindestkörperschaftsteuer. Trete eine Kapitalgesellschaft in eine Steuerbefreiung ein oder gelange eine Steuerbefreiung in Wegfall, dann ende bzw. beginne die Steuerpflicht.

Mit Auslaufen dieser Steuerbefreiung ab 2004 sei die Mitbeteiligte wiederum in die unbeschränkte Steuerpflicht eingetreten.

Die Ermäßigung der Mindeststeuer gelte nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht. Eine Einschränkung dieser Begünstigungsbestimmung etwa auf den erstmaligen Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht oder auf neu gegründete Kapitalgesellschaften könne dem Gesetz nicht entnommen werden.

Die Formulierung "Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht" sei nicht weiter auslegungsbedürftig. Eine einschränkende Auslegung in der Weise, dass die strittige Ermäßigung der Mindeststeuer der Mitbeteiligten nicht gewährt werden könne, weil sie - vor dem zeitlichen Geltungsbereich der gesetzlichen persönlichen Steuerbefreiung durch das Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 - bereits unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei und in der Folge - nach Auslaufen der Befreiung - wiederum in die unbeschränkte Steuerpflicht eingetreten sei, stünde im Widerspruch zum Gesetzestext.

Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde erhoben. In der Beschwerde wird vorgebracht, die Mitbeteiligte sei im Jahre 1912 als Aktiengesellschaft gegründet worden. Das Privatbahnunterstützungsgesetz 1988, BGBl 1988/606, sei mit BGBl I 1999/82 in Privatbahngesetz umbenannt und dahingehend geändert worden, dass Bahnen, die nicht vom Bund betrieben worden seien, eine Befreiung von der Körperschaftsteuer gewährt werde. Diese Befreiung habe für Gesellschaften gegolten, deren Unternehmensschwerpunkt im Betreiben eines Eisenbahnunternehmens bestanden habe. Diese Befreiung sei mit in Kraft getreten und mit wieder außer Kraft getreten. Auf Grund dieser gesetzlichen Regelung sei die Mitbeteiligte von 1999 bis 2003 von der unbeschränkten Steuerpflicht befreit gewesen. Aus den Materialien zur Neuregelung der Mindestkörperschaftsteuer mit BGBl I 1997/70 ergebe sich, dass die ermäßigte Mindestkörperschaftsteuer nach § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 im Interesse der Förderung von Unternehmensgründungen für neu gegründete Kapitalgesellschaften für die ersten vier Kalenderjahre ab Gründung eingeführt worden sei. Aus diesen Materialien ergebe sich weiters, dass die ermäßigte Mindestkörperschaftsteuer nur im Fall des erstmaligen Eintrittes in die unbeschränkte Steuerpflicht zur Anwendung kommen solle. Durch die Ermäßigung der Mindestkörperschaftsteuer wolle der Gesetzgeber die mit Neugründungen verbundenen Anlaufschwierigkeiten mildern.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§§ 5 und 7 des Bundesgesetzes vom über die Unterstützung von Haupt- oder Nebenbahnen, die nicht vom Bund betrieben werden (Privatbahnunterstützungsgesetz 1988), BGBl 606, idF des Bundesgesetzes, mit dem das Privatbahnunterstützungsgesetz 1988 geändert wird, BGBl I 1999/82, lauten:

"§ 5. (1) Die im § 1 genannten Unternehmen sind von der Körperschaftsteuer befreit, wenn deren Unternehmungsschwerpunkt im Betreiben eines Eisenbahnunternehmens liegt.

(2) Die im § 1 genannten Unternehmen sind mit 66% der Bemessungsgrundlage von der Kommunalsteuer befreit, wenn deren Unternehmensschwerpunkt im Betreiben eines Eisenbahnunternehmens liegt.

§ 7. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft. § 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 519/1994 tritt mit außer Kraft. Die §§ 1, 4 Abs. 1 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/1999 treten mit in Kraft. Dieses Bundesgesetz tritt mit außer Kraft.

(2) ..."

Gemäß § 24 Abs 4 Z 1 KStG 1988 idF BGBl I 1997/70 haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5% eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§ 7 des Aktiengesetzes 1965, § 6 des GmbH-Gesetzes) zu entrichten. Z 3 des § 24 Abs 4 leg. cit (in der Fassung des Euro-Steuerumstellungsgesetzes, BGBl I 59/2001) lautet:

"Abweichend von Z 1 und 2 beträgt die Mindeststeuer für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht für jedes volle Kalendervierteljahr 273 Euro."

Diese Regelung ist auf eine Abänderung der Regierungsvorlage im Finanzausschuss zurückzuführen. Die Abänderung ist wie folgt begründet worden (751 BlgNR XX. GP; siehe SWK 1997 T 82):

"Mit den vorgeschlagenen Abänderungen wird eine weitere Differenzierung bei der Mindestkörperschaftsteuer vorgesehen. Einerseits soll sich die Mindestkörperschaftsteuer für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. S sowie generell für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen unabhängig von der Rechtsform der Kapitalgesellschaft auf 75.000 S jährlich erhöhen, andererseits soll die Mindeststeuer im Interesse der Förderung von Unternehmensgründungen für neu gegründete Kapitalgesellschaften für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Gründung - ebenfalls unabhängig von der Rechtsform der Kapitalgesellschaft - nur 3.750 S (entspricht Jahresbetrag von 15.000 S) betragen. Als Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht ist jeweils jener Zeitpunkt anzusehen, auf den der für steuerliche Zwecke maßgebliche Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht fällt. Im Jahr der Verrechnung der Mindeststeuer mit einer 'normalen' Körperschaftsteuer soll bei der Anrechnung jener Betrag der laufenden Vorauszahlungen, der sich nach den Verhältnissen des Anrechnungsjahres als Mindeststeuer ergäbe, vorrangig angerechnet werden."

Strittig ist gegenständlich, ob ein Fall des Eintritts in die unbeschränkte Steuerpflicht iSd § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 auch vorliegt, wenn auf eine bisher von einer persönlichen Steuerbefreiung erfasste Kapitalgesellschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt diese Befreiungsvorschrift nicht mehr anzuwenden ist.

Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 1418, 1500/79, Slg 5408/F). Bei der Auslegung kommt den Gesetzesmaterialien keine selbständige normative Kraft zu, doch sind sie für die Ermittlung der Absicht des Gesetzgebers bedeutsam (vgl das hg Erkenntnis vom , 2006/09/0056).

Mit der Mindestkörperschaftsteuer wird die ordnungspolitische Zielsetzung verfolgt, die Rechtsform der Kapitalgesellschaft zu verteuern und damit den "Trend zur Kapitalgesellschaft" zu bremsen (vgl Brugger in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 24 Tz 58).

Das beschwerdeführende Finanzamt vertritt die Ansicht, § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 erfasse den Fall des Eintrittes in die unbeschränkte Steuerpflicht durch Neugründung einer Kapitalgesellschaft und wolle den Anlaufschwierigkeiten bei Neugründungen Rechnung tragen. Dies trifft zu, verweisen doch die -

oben wiedergegebenen - Gesetzesmaterialien ausdrücklich auf die "Förderung von Unternehmensgründungen für neu gegründete Kapitalgesellschaften". Die Regelung führt jedenfalls für Neugründungen (bei Fehlen entsprechender Gewinne) zu einer "Einschleifung" in die Pflicht zur Entrichtung von Körperschaftsteuer und bezweckt zweifellos eine teilweise Entlastung von der allgemeinen Mindestkörperschaftsteuer im Hinblick darauf, dass die neu gegründete Kapitalgesellschaft erstmalig als Wirtschaftsteilnehmer auftritt und mit den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen konfrontiert wird.

Die persönlichen Befreiungen von der Körperschaftsteuer, wie sie insbesondere in § 5 KStG 1988 verankert sind, erfassen typischerweise solche Körperschaften, die nicht in vollem Ausmaß am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligt sind und deshalb nicht oder nur beschränkt im Wettbewerb zu voll steuerpflichtigen Unternehmen stehen (vgl Mamut, in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 5 Tz 21).

Der Wegfall einer persönlichen Befreiung ergibt sich aus einer Änderung der bei der Kapitalgesellschaft gegebenen tatsächlichen Verhältnisse, vor allem einer Änderung des Tätigkeitsbereiches der Kapitalgesellschaft. Der Wegfall der Befreiung kann sich auch aus einer Gesetzesänderung ergeben (vgl Quantschnigg/Schellmann/Werilly/Stöger, KStG, § 18 Tz 4). Der Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht durch Wegfall einer persönlichen Steuerbefreiung erfolgt sohin in einer Situation, in der sich die Kapitalgesellschaft mit geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen konfrontiert sieht.

Sowohl bei der Neugründung als auch bei der (mit dem Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht verbundenen) angeführten Änderung der Rahmenbedingungen besteht für steuerpflichtige Kapitalgesellschaften eine finanzielle Belastungssituation. Aus dem mit § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 verfolgten Zweck, im Hinblick auf diese besondere Belastungssituation bei Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht ein "Einschleifen" in die Verpflichtung zur Entrichtung von Mindestkörperschaftsteuer festzulegen, ergibt sich, dass diese Begünstigung auch das Entstehen der unbeschränkten Steuerpflicht durch Wegfall einer persönlichen Steuerbefreiung erfassen will. Einem solchen Interpretationsergebnis steht der Gesetzeswortlaut nicht entgegen, spricht doch § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 ganz allgemein vom Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde auch im gegenständlichen Fall die in Rede stehende Einschleifregelung des § 24 Abs 4 Z 3 KStG 1988 zur Anwendung gebracht hat.

Somit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 2008/455.

Wien, am