VwGH vom 23.02.2010, 2008/15/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des MS in B, vertreten durch Mag. Martin Feurstein, Steuerberater in 6850 Dornbirn, Montfortstraße 18c, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0337-F/07, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer ist in der Schweiz bei der S-AG, deren Geschäftsgegenstand die Entwicklung und Herstellung von Präzisionsfräsmaschinen ist, tätig. Im Streitjahr war er in Ausübung dieser Tätigkeit an 81 Arbeitstagen (639,4 Stunden) in der Schweiz tätig und an 115 Arbeitstagen (1009 Stunden) in Drittstaaten. Das Finanzamt unterzog die Einkünfte des Beschwerdeführers zur Gänze der Einkommensteuer.
Strittig ist, ob für die Tätigkeitstage in der Schweiz die Grenzgängerregelung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz zur Anwendung kommt oder ob die Grenzgängereigenschaft und damit auch der inländische Besteuerungsanspruch auf Grund der Arbeitstage in Drittstaaten verloren gegangen ist.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde hiezu aus, die Grenzgängerbestimmung des Art. 15 Z. 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (kurz: DBA-Schweiz) erfordere neben der Ansässigkeit im "Nicht-Tätigkeitsstaat" den Arbeitseinsatz im anderen Vertragsstaat. Damit ein Steuerpflichtiger unter den Anwendungsbereich der Grenzgängerregelung falle, müssten sowohl der Wohnsitz als auch der Arbeitsort in der Nähe der Grenze liegen und der Steuerpflichtige sich üblicherweise täglich von seinem Wohnort an seinen Arbeitsort begeben. Nach Auffassung der belangten Behörde lasse sich aus dem DBA-Schweiz nicht ableiten, dass zeitweise Tätigkeiten eines Grenzgängers in Drittstaaten während des Jahres zwangsläufig zum Verlust der Grenzgängereigenschaft für das ganze Jahr führten. Aus dem Abkommen gehe vielmehr hervor, dass jene Zeiten eines Bezuges, in denen Tätigkeiten in Drittstaaten verrichtet worden seien, von vornherein nicht von Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz erfasst würden. Daraus folge, dass jene Zeiten, in denen die Grenzgängerkriterien nicht erfüllt seien, von den Zeiten, in denen diese vorliegen, getrennt von einander zu betrachten seien. Es wäre im Hinblick auf den Sinn der Grenzgängerbestimmung nicht einsichtig, dass der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Bezüge, die auf Zeiten von Drittstaatsentsendungen eines Steuerpflichtigen entfallen, erhalten würde, aber nicht für jene Bezüge, die auf die Zeit des tatsächlichen täglichen Pendelns vom Wohnsitzstaat in den Tätigkeitsstaat entfallen. Die Grenzgängereigenschaft gehe nur während jenes Zeitraumes verloren, in dem die Voraussetzungen des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz nicht erfüllt seien. Die Grenzgängereigenschaft könne daher auch nur während eines Teiles des Jahres bestehen. Drittlandsentsendungen könnten nur für die Dauer der Entsendung, nicht aber auch für die übrige Zeit des Jahres die Grenzgängereigenschaft beenden.
Die österreichisch-deutsche Regelung, wonach jemand nicht als Grenzgänger eingestuft werde, wenn er an mehr als 45 Tagen die Grenzgängerkriterien nicht erfülle, sei im österreichischschweizerischen Verhältnis nicht anwendbar. Die 45-Tage-Regelung sei das Ergebnis einer österreichisch-deutschen Verständigungsvereinbarung. Das DBA-Schweiz kenne eine solche 45- Tage-Regel nicht.
Zum Hinweis des Beschwerdeführers zum vorangegangenen Doppelbesteuerungsabkommen Österreich/Schweiz und einer dazu ergangenen Verständigungsvereinbarung sei zu bemerken, dass zu dem derzeit in Geltung stehenden DBA-Schweiz keine Vereinbarung bestehe.
Im Beschwerdefall sei in Teilen des Streitjahres das Erfordernis des grenznahen Tätigkeitsortes nicht vorgelegen und daher für diese Teile Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz nicht anwendbar. In der übrigen Zeit sei der Beschwerdeführer täglich von seinem inländischen Wohnort zu seinem in der Schweiz gelegenen grenznahen Arbeitsort gependelt, sodass insoweit die Voraussetzungen des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz vorlägen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer gesteht auch in der Beschwerde zu, dass er im Streitjahr in der Nähe der Grenze ansässig gewesen ist, an 81 Tagen im grenznahen Arbeitsort in der Schweiz gearbeitet und sich an jedem Arbeitstag vom Wohnort zum Dienstort begeben hat. An den übrigen Arbeitstagen sei er nicht in der Schweiz tätig geworden, sodass er, weil er in diesem Zeitraum nicht Grenzgänger gewesen sei, die Grenzgängereigenschaft verloren habe und damit der inländische Besteuerungsanspruch für die Einkünfte aus der Tätigkeit in der Schweiz als Grenzgänger nicht bestehe.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:
Gemäß Art. 15 Z. 1 DBA-Schweiz (BGBl. Nr. 64/1975) dürfen ... Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
Nach der für das Streitjahr noch geltenden Bestimmung des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz durfte derjenige, der als Grenzgänger in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ansässig ist und in dem anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze seinen Arbeitsort hat und sich üblicherweise an jedem Arbeitstag dorthin begibt, mit seinen Einkünften aus unselbständiger Arbeit in dem Staat besteuert werden, in dem er ansässig ist. Der Staat des Arbeitsortes war jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens 3 vom Hundert im Abzugswege an der Quelle zu erheben. Soweit eine solche Steuer erhoben wird, wird sie der Staat, in dem der Grenzgänger ansässig ist, auf seine Steuer anrechnen, die auf diese Einkünfte entfällt.
Während sohin Art. 15 Z. 1 DBA-Schweiz dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zuweist, hatte nach der Spezialbestimmung des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz Österreich als Ansässigkeitsstaat des Beschwerdeführers als Grenzgänger das Besteuerungsrecht und war zur Anrechnung der in der Schweiz einbehaltenen Quellensteuer von höchstens 3 % verpflichtet. Dass der Beschwerdeführer an den 81 Arbeitstagen in der Schweiz die Voraussetzungen des Grenzgängers in diesem Sinne erfüllt hat, ist unstrittig.
Die Sonderregelung zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit von Grenzgängern gemäß Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz ging als lex specialis der Generalregel des Art. 15 Z. 1 und 2 DBA-Schweiz vor. Einkünfte eines Grenzgängers aus einer im Tätigkeitsstaat ausgeübten unselbständigen Tätigkeit wurden daher im Ansässigkeitsstaat des Grenzgängers besteuert. Ob diese Bezüge im gesamten Steuerjahr oder nur in Teilen davon bezogen worden sind, ist unerheblich. Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz sieht keine zeitliche Schranke wie etwa Art. 15 Z. 2 DBA-Schweiz vor. Entscheidend für die Anwendung der Spezialbestimmung des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz ist lediglich das - arbeitstägliche - Pendeln des Steuerpflichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0113). Die Grenzgängereigenschaft bleibt hinsichtlich der Einkünfte aus dieser Pendlereigenschaft im Sinne des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz auch dann aufrecht, wenn der Dienstnehmer neben dieser Tätigkeit im selben Jahr auch im Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit erzielt.
Soweit der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde auf die Grenzgängerregelungen der DBA Österreich-Deutschland und Schweiz-Deutschland verweist, ist er darauf hinzuweisen, dass der zur Anwendung gelangende Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz keine "Tage-Regelung" kennt. Dem auch in der Beschwerde aufrecht erhaltenen Hinweis zum Verständigungsschreiben zwischen Österreich und der Schweiz zum vorangegangenen Doppelbesteuerungsabkommen hat die belangte Behörde zutreffend entgegengehalten, dass zu dem für das Streitjahr geltenden Doppelbesteuerungsabkommen keine Verständigungsschreiben ergangen sind. Im Übrigen wäre ein im Rahmen des Verständigungsverfahrens erzieltes Auslegungsergebnis für den Verwaltungsgerichtshof nicht bindend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0116).
Die belangte Behörde hat daher zutreffend die Einkünfte des Beschwerdeführers für die Tätigkeit in der Schweiz, für die die Voraussetzungen des Art. 15 Z. 4 DBA-Schweiz zutreffen, der inländischen Besteuerung unterzogen. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am