VwGH vom 17.04.2008, 2008/15/0016

VwGH vom 17.04.2008, 2008/15/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Mag. Karl-Heinz Voigt und Mag. Egon Lechner, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Anichstraße 27, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , GZ. RV/0695-I/02, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer wurde eine Prüfung der Aufzeichnungen durchgeführt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1999 aus einem Devisentermingeschäft einen Verlust von 1,108.661 S erzielt und diesen mit positiven Spekulationseinkünften aus Aktienverkäufen ausgeglichen habe.

Dazu hielt der Prüfer fest, dass Überschüsse oder Verluste aus privaten Devisentermingeschäften, bei denen der Wille der Vertragsparteien auf einen Gewinn in Form der Kursdifferenz gerichtet sei, erst nach der Erweiterung des Spekulationstatbestandes durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl I 106/1999 (in weiterer Folge: StReformG 2000) und das Kapitalmarktoffensive-Gesetz, BGBl. I 2/2001 (in weiterer Folge KMOG 2001) den Spekulationstatbestand des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 erfüllen würden. Daher könne der aus privaten Devisentermingeschäften resultierende Verlust des Jahres 1999 nicht mit positiven Spekulationseinkünften ausgeglichen werden.

Das Finanzamt schloss sich den Ausführungen des Prüfers an, nahm das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1999 wieder auf und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1999.

Mit Berufung vom wandte der Beschwerdeführer ein, dass in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum StReformG 2000 (1766 BlgNR XX. GP) zum Spekulationstatbestand des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 wie folgt Stellung genommen werde:

"Hinsichtlich der unter die frühere Z 2 des § 30 Abs. 1 zu subsumierenden Termingeschäfte ist keine inhaltliche Änderung eingetreten; die vorgeschlagene neue Z 2 erfasst nunmehr ausdrücklich 'Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte', die wie bisher ohne zeitliche Einschränkung steuerpflichtig sind."

Aus den erläuternden Bemerkungen gehe demnach eindeutig hervor, dass Termingeschäfte schon vor dem StReformG 2000 und dem KMOG 2001 unter den Spekulationstatbestand des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zu subsumieren gewesen seien. Bekräftigt werde diese Rechtsmeinung durch die Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Finanzen vom (Hinweis auf RdW 1997, 767), in der ausgeführt werde, dass private Devisentermingeschäfte, bei denen der Wille der Vertragsparteien auf einen Gewinn in Form der Kursdifferenz gerichtet sei, unter den Tatbestand des Spekulationsgeschäftes gemäß § 30 EStG 1988 fallen würden.

Auf eine telefonische Anfrage der belangten Behörde zur Art des streitgegenständlichen Devisentermingeschäftes gab der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers mit Fax vom folgendes bekannt:

"Die Bank verbuchte per den Kontrakt über Kauf und Verkauf intern. Mit wurde das Geschäft mit Wertstellung abgerechnet. Da es sich hier um Kaufverträge über eine echte Ware handelt, kann man meiner Meinung nach bei Vorliegen eines Differenzgeschäftes nur von einem verdeckten Differenzgeschäft ausgehen."

Den Verwaltungsakten ist zudem zu entnehmen, dass die Ausführungen im Fax vom nach telefonischer Rückfrage der belangten Behörde dahingehend präzisiert wurden, dass es sich beim Yen um eine "wirkliche" Währung handle, der Wille der Vertragsparteien aber nur auf die Differenz gegangen sei. Der Beschwerdeführer habe im Dezember 1999 nicht wirklich Yen gekauft, weshalb ein verdecktes Differenzgeschäft vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Sie legt in der Begründung zunächst dar, dass die Steuerpflicht eines auf Yen lautenden Differenzgeschäftes strittig sei und die darüber vorgelegten Bankbelege mit (Termingeschäft; Wert ) und (Kassageschäft) datieren würden. Die Belastung des Bankkontos des Beschwerdeführers sei in Höhe einer Differenz von 80.569,55 EUR (530.569,55 EUR - 450.000,00 EUR) erfolgt.

In weiterer Folge führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 1999 geltenden Fassung Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte seien, bei denen der Zeitpunkt zwischen Anschaffung und Veräußerung einen bestimmten - in lit. a und lit. b genannten - Zeitraum nicht überschreite (Z 1), darüber hinaus Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolge als der Erwerb (Z 2).

Zweck des § 30 EStG 1988 sei es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen von Wirtschaftsgütern im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zu unterwerfen (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 2000/14/0017, und vom , 98/15/0071). Unter Anschaffung und Veräußerung seien die schuldrechtlichen, auf die Eigentumsübertragung gerichteten Rechtsgeschäfte zu verstehen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0256).

Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern werde dabei nicht nur von § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 vorausgesetzt, sondern - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - auch von der Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG. Differenzgeschäfte (selbst verdeckter Art), bei denen der Wille der Vertragsparteien - wie im vorliegenden Fall - nicht auf eine Veräußerung bzw. Anschaffung von Wirtschaftsgütern gerichtet sei, sondern ausschließlich auf die Erzielung "einer Kursdifferenz", wären vom Tatbestand des § 30 EStG 1988 in der hier anzuwendenden Fassung folglich nicht erfasst (Hinweis auf Mühlehner, ÖStZ 2001, 587 (589), Göth, Financial Futures aus der Sicht des Bilanz- und Steuerrechts, Wien 1993, 136 ff., BFH , BStBl. II 1989, 39).

§ 30 EStG 1988 setze - trotz seiner Bezeichnung - keine Spekulationsabsicht voraus (Hinweis auf Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, Wien 1993, § 30 Tz 2). Die Steuerpflicht von Einkünften könne daher nicht damit begründet werden, dass es sich beim Differenzgeschäft um den "typischen Fall" eines Spekulationsgeschäftes handle, sofern die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Gesetzes nicht erfüllt seien (Hinweis auf Göth, aaO., 142 f.). Zu diesen Voraussetzungen zähle - auch bei der Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 - die Veräußerung von Wirtschaftsgütern. Als eine solche Veräußerung könne der Abschluss eines Geschäftes, das auf die bloße Ausnutzung einer Kursdifferenz (Kursschwankung) gerichtet sei, nicht angesehen werden.

Dazu komme, dass Differenzgeschäfte schon zivilrechtlich keine Umsätze von Wirtschaftsgütern (Käufe oder Verkäufe) zum Inhalt hätten, sondern - ohne Rücksicht auf den im einzelnen Fall verfolgten wirtschaftlichen Zweck - den für Spiel und Wette geltenden Regeln unterworfen seien (Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 639/95). Gewinne aus Spiel und Wette würden steuerlich aber grundsätzlich zu jenen Vermögensvermehrungen zählen, die nicht der Einkommensteuer unterliegen (Hinweis auf Doralt, EStG, § 2 Tz 12). Sie würden weder eine Anschaffung noch eine Veräußerung darstellen (Hinweis auf Hofstätter / Reichel, EStG III, Tz 16 zu § 30).

Den Gesetzesmaterialien komme nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine selbständige normative Kraft zu. Es sei vielmehr vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen (Hinweis auf § 6 ABGB und das hg. Erkenntnis vom , 96/13/0165). Im Hinblick auf die ausdrückliche Einbeziehung von Differenzgeschäften in die Steuerpflicht durch das StReformG 2000 und das völlige Abgehen vom bisherigen Wortlaut lasse sich auch nicht die Ansicht vertreten, dass keine Änderung der Rechtslage eingetreten wäre und Differenzgeschäfte schon im Veranlagungsjahr (1999) steuerpflichtig gewesen seien. Der Wortlaut des Gesetzes hätte ansonsten beibehalten werden können.

Handle es sich bei dem vorliegenden Geschäft aber nicht um ein Geschäft, das den Tatbestand des § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 1999 maßgeblichen Fassung erfülle, könne auch der aus diesem Geschäft resultierende Verlust nicht mit positiven Einkünften aus Spekulationsgeschäften im Sinne des § 30 EStG ausgeglichen werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Stammfassung lautet auszugsweise:

"§ 30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

...

2. Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb."

§ 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 106/1999 (StReformG 2000) lautet auszugsweise:

"§ 30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

...

2. Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von zwei Jahren abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte."

§ 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2001 (KMOG 2001) lautet auszugsweise:

"§ 30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

...

2. Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von einem Jahr abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte."

Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf Erlässe und Äußerungen des Bundesministers für Finanzen ( RdW 1990,329 und RdW 1997,

767) und unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das StReformG 2000 (1766 BlgNR XX.GP) vor, dass mit der ausdrücklichen Erwähnung der Differenzgeschäfte in der durch das StReformG 2000 und das KMOG 2001 geänderten Bestimmung des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 eine authentische Interpretation dieser Norm stattgefunden und der Gesetzgeber mit Rückwirkung klargestellt habe, dass Geschäfte, bei denen der Wille der Vertragsparteien nicht auf die Veräußerung oder Anschaffung von Wirtschaftsgütern, sondern ausschließlich auf die Erzielung "einer Kursdifferenz" gerichtet sei, unter § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1998 in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. Nr. 400/1988 zu subsumieren seien.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die authentische Interpretation eines Gesetzes durch eine Erklärung in einem kundgemachten Gesetz und nicht durch bloße Äußerungen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens zustande kommt (vgl. F. Bydlinski in Rummel3, § 8 Rz 1; Wolff in Klang2, I/1, 109; u.a.). Dass § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung StReformG 2000 und KMOG 2001 als authentische Auslegung des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 400/1988 anzusehen ist, müsste sich daher aus dem Gesetz selbst ergeben. Dies ist nicht der Fall, da § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des StReformG 2000 und des KMOG 2001 vom Erfordernis eines Veräußerungsgeschäftes gänzlich absieht und statt dessen einzelne konkret bezeichnete Geschäfte als dem Spekulationstatbestand unterliegend anführt.

Dass Geschäfte, bei denen der Wille der Vertragsparteien nur auf die Erzielung von Gewinnen aus Kursdifferenzen gerichtet ist, unter § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Stammfassung zu subsumieren waren, kann auch nicht aus den Gesetzesmaterialien und Erlässen des Bundesministers für Finanzen abgeleitet werden, da diesen keine normative Kraft zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 96/13/0165, vom , 90/13/0014, und vom , 90/13/0131). § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Stammfassung darf gemäß dem auch für die Auslegung der Normen des öffentlichen Rechtes geltenden § 6 ABGB vielmehr nur jener Sinn beigelegt werden, der aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzes hervorleuchtet.

Nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut des § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Stammfassung sind unter diese Bestimmung aber nur "Veräußerungsgeschäfte" zu subsumieren, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als deren Erwerb. Das Beschwerdevorbringen, wonach Geschäfte, bei denen der Wille der Vertragsparteien ausschließlich auf die Erzielung "einer Kursdifferenz" gerichtet ist, unter § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der hier maßgeblichen Stammfassung zu subsumieren seien, zeigt demnach keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass im gegenständlichen Fall kein auf die Erzielung einer Kursdifferenz gerichtetes Geschäft sondern ein "Devisen-Termingeschäft" vorliege, weil der Beschwerdeführer Japanische Yen verkauft und in weiterer Folge gekauft habe, verstößt er gegen das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebende Neuerungsverbot, weil bereits der Prüfer vom Vorliegen eines auf die Erzielung einer Kursdifferenz gerichteten Geschäftes ausgegangen ist und im Berufungsverfahren nichts gegen diese Feststellung eingewendet wurde. Abgesehen davon wurde das streitgegenständliche Geschäft gegenüber der belangten Behörde ausdrücklich als (wenn auch verdecktes) Differenzgeschäft deklariert. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht vom Vorliegen eines solchen ausgehen. Auch dieses Vorbringen ist demnach nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am