VwGH vom 05.04.2011, 2010/16/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Ing. M in G, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Ferdinand-Leihs-Straße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , GZ SZK-010105/0032-SVE/2009, betreffend gnadenweise Nachsicht einer Geldstrafe nach § 187 FinStrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer der Finanzordnungswidrigkeit gem. § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig erkannt, weil er als Geschäftsführer der M GmbH Co KG vorsätzlich die Lohnabgaben für März 2002 bis November 2005 in Höhe von EUR 14.009,49 nicht spätestens bei Fälligkeit entrichtet habe. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 3.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Tage) verhängt.
Mit Berufungsentscheidung vom setzte der unabhängige Finanzsenat die Geldstrafe mit der Begründung auf EUR 2.000 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) herab, dass der Spruchsenat den Milderungsgrund des Handelns aus einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus sowie den im Berufungsverfahren mit Befunden belegten äußerst eingeschränkten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt habe. Der Beschwerdeführer sei beschäftigungslos und ohne Einkommen bei bestehender Sorgepflicht für ein Kind. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus den Einkünften seiner Gattin.
Mit Schreiben vom ersuchte der Beschwerdeführer um "Schuldenerlass" der genannten Strafe und führte dazu aus, sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Im Februar 2008 sei eine Operation zur Versteifung seines rechten Sprunggelenkes mit Komplikationen verlaufen, weswegen der Beschwerdeführer zum zweiten Mal für mehrere Wochen einen Gips habe tragen müssen. Er habe Schmerzen und könne nur mit Krücken gehen. Auch das linke Knie sei äußerst schmerzhaft geworden und schließlich total ausgefallen. Nunmehr werde die Implantation eines künstlichen Gelenkes in Betracht gezogen. Wegen seiner Krebserkrankung sei im April 2008 eine Prostata-Operation vorgenommen worden, welche aber Inkontinenz zur Folge gehabt habe. Durch diese Umstände sei der Beschwerdeführer vom gesellschaftlichen Leben völlig ausgeschlossen. Die privaten und firmeneigenen Liegenschaften seien zwangsversteigert worden und die Pension der Ehegattin des Beschwerdeführers auf das Existenzminimum gepfändet. Der Konkurs (offensichtlich der M GmbH Co KG) sei mittlerweile abgeschlossen und nach Verteilung (deren Vermögens) aufgehoben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen auf gnadenweise Nachsicht der (noch zur Gänze aushaftenden) Geldstrafe als unbegründet ab. Sie führte begründend aus, dass bereits in der Berufungsentscheidung vom der Milderungsgrund des Handels aus einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus sowie der äußerst eingeschränkte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bei der Strafbemessung berücksichtigt und die Geldstrafe herabgesetzt worden sei. Die verkürzten Abgaben hafteten jedoch weiterhin beinahe zur Gänze aus, sodass keine Schadensgutmachung erfolgt sei. Einer weiteren Strafherabsetzung stünden generalpräventive Überlegungen entgegen. Die wirtschaftliche Lage und der gesundheitliche Zustand könnten nicht nochmals in Form einer Nachsicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Gewährung der Nachsicht gemäß § 187 FinStrG verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 187 FinStrG können bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachgesehen werden.
Die Ausübung des Gnadenrechtes setzt somit das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände voraus. Die Feststellung dieser Umstände ist keine Frage des Ermessens, sondern der objektiven Sachverhaltsermittlung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 96/13/0182).
Berücksichtigungswürdig sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0046, mwN).
Hat die Behörde nach Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der in weiterer Folge zu treffenden Ermessensentscheidung eröffnet, welche sich in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, wobei § 187 FinStrG der Behörde einen besonders weiten Ermessensspielraum zur Verfügung stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0120, mwN).
Bei der Ermessensentscheidung hat die belangte Behörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten. Hiebei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0071). Bei einer dem Gesetz entsprechenden Ermessensübung ist zu beachten, dass die Bestimmung des § 187 FinStrG eine dem Träger des Gnadenrechts eigene Befugnis begründet, da helfend und korrigierend einzugreifen, wo die Möglichkeiten des behördlichen Finanzstrafverfahrens nicht genügen; die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/16/0240, mwN).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid offensichtlich vom Vorliegen der vom Gesetz geforderten berücksichtigungswürdigen Umstände (nämlich der schlechten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers) aus. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung im Ergebnis damit, dass diese Umstände bereits bei der (im Berufungswege erfolgten) Straffestsetzung berücksichtigt worden seien und bislang durch den Beschwerdeführer noch keine Schadengutmachung erfolgt sei. Einer (weiteren) Herabsetzung der Strafe stünden auch generalpräventive Gründe entgegen.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sein gesundheitlicher Zustand nach der Berufungsentscheidung vom - somit nach der Strafbemessung durch den unabhängigen Finanzsenat - weiterhin verschlechtert hat, was im Strafverfahren daher keine Berücksichtigung hat finden können. Der Unterlassung der Schadensgutmachung wird bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner gesundheitlichen und wirtschaftlichen Lage auch keine entscheidungswesentliche Bedeutung beigemessen werden können. Generalpräventive Absichten allein vermögen aber die abweisende Ermessensentscheidung der belangten Behörde noch nicht hinreichend zu begründen. Die Beschwerde rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, sich mit den spezialpräventiven Aspekten des Beschwerdefalls zu befassen. Angesichts des gesundheitlichen Zustandes des 75-jährigen Beschwerdeführers und seiner wirtschaftlichen Lage ist es nämlich nicht ohne weiteres ersichtlich, dass die Abweisung seines Gnadenansuchens dazu dienen könnte, den Beschwerdeführer von weiteren Finanzvergehen abzuhalten. Auch wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertritt, die Frage, ob der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe erlaube, sei nicht im Rahmen des Verfahrens um Nachsicht der Geldstrafe zu prüfen, so wird sie dennoch bei der Ermessensentscheidung auch auf solche Umstände Bedacht zu nehmen haben.
Der angefochtene Bescheid war daher zufolge der unzureichenden Begründung der Ermessensübung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer aufgrund der Gewährung von Verfahrenshilfe keine Eingabengebühr zu entrichten hatte und überdies mit dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer abgegolten wird.
Wien, am