VwGH vom 23.09.2010, 2010/15/0155
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des L Z in I, vertreten durch Dr. Herbert Fink, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kaiser-Josefstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0393-I/09, betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat anlässlich der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2006 und 2007 den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht und dabei in der Erklärung angeführt, für ein Kind zumindest für sieben Monate Familienbeihilfe bezogen zu haben.
In den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheiden 2006 und 2007 berücksichtigte das Finanzamt den Alleinverdienerabsetzbetrag, und zwar nicht bloß mit dem Grundbetrag, sondern mit dem erhöhten Betrag für Alleinverdiener mit einem Kind iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988. Gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 ergab sich für jedes der beiden Veranlagungsjahre eine Negativsteuer in Höhe dieses Alleinverdienerabsetzbetrages.
In der Folge erließ das Finanzamt gemäß § 293b BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007, in welchen jeweils der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr als Negativsteuer gutgeschrieben wurde. Begründend führte das Finanzamt aus, der Alleinverdienerabsetzbetrag mit Erhöhungsbetrag für ein Kind sei zu Unrecht berücksichtigt worden. Für den Sohn des Beschwerdeführers sei nämlich nur bis September 2004 Familienbeihilfe bezogen worden.
Der Beschwerdeführer erhob gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide Berufung. Er brachte vor, sein Sohn habe in den Jahren 2006 und 2007 anstelle der weggefallenen Familienbeihilfe Studienbeihilfe in einer Höhe bezogen, die wegen des Wegfalls der Familienbeihilfe entsprechend angepasst (erhöht) worden sei. Diese erhöhte Studienbeihilfe trete von ihrer Funktion her betrachtet an die Stelle der nicht mehr bezogenen Familienbeihilfe, weshalb der (zunächst gewährte) Alleinverdienerabsetzbetrag zustehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte aus, der Alleinverdienerabsetzbetrag sei seit 2004 nach der Anzahl der Kinder gestaffelt. Der Grundbetrag für verheiratete Alleinverdiener ohne Kind betrage jährlich 354 EUR. Der Alleinverdienerabsetzbetrag mit einem Kind betrage 494 EUR. Gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 sei, sofern die gemäß § 33 Abs. 1 und 2 EStG 1988 berechnete Einkommensteuer negativ sei, bei mindestens einem Kind iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 der Alleinverdienerabsetzbetrag (inklusive Kinderzuschläge) gutzuschreiben.
Als Kind iSd EStG gelte ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 zustehe. § 33 Abs. 3 EStG 1988 stelle wiederum auf die Gewährung von Familienbeihilfe aufgrund des FLAG ab. Dies bedeute, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nur dann zu einer Negativsteuer führe, wenn für ein Kind Familienbeihilfe bezogen werde.
Der Kinderbegriff des § 106 EStG 1988 lehne sich gänzlich an das FLAG 1967 an. Daher könne den Einwendungen des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden. Unbestritten sei nämlich, dass dem Beschwerdeführer in den Streitjahren keine Familienbeihilfe für seinen Sohn gewährt worden sei.
Der im März 1980 geborene Sohn des Beschwerdeführers habe nach Erlangen des akademischen Grades eines Magisters ein Doktoratsstudium begonnen. Er beziehe Studienbeihilfe nach den Bestimmungen der §§ 6 bis 12, § 26 Abs. 1, 52c sowie der §§ 30 bis 32 des Studienförderungsgesetzes 1992. Für die Höhe der Studienbeihilfe sei das Ausmaß der sozialen Bedürftigkeit maßgebend, wobei die Höchstwerte grundsätzlich um den Jahresbetrag der Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 2 und 3 FLAG 1967 vermindert würden. Bei Studenten ende der Anspruch auf Familienbeihilfe idR vor dem 26. oder 27. Geburtstag, weil die Mindeststudienzeit pro Abschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten werden dürfe. Werde die Familienbeihilfe aufgrund des Alters eines Studenten nicht mehr gewährt, könne bei Erfüllung anderer Kriterien (soziale Bedürftigkeit und Studienerfolg) Studienbeihilfe bezogen werden. In derartigen Fällen werde der Jahresbetrag der Familienbeihilfe (inklusive Kinderabsetzbetrag) nicht in Abzug gebracht.
Auch wenn im Streitfall bei Berechnung der Höhe der Studienbeihilfe der Wegfall der Familienbeihilfe berücksichtigt worden sei, könne dem Beschwerdeführer die Negativsteuer nicht gewährt werden. Das EStG verknüpfe nämlich den Kinderbegriff mit jenem des FLAG 1967. Für den Kinderabsetzbetrag und damit für die Gutschrift der Negativsteuer sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur bedeutend, ob für das Kind Familienbeihilfe iSd FLAG 1967 gewährt worden sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 57/2004 lautet auszugsweise:
"Einem Alleinverdiener steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | ohne Kind 364 Euro, |
- | bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro, |
- | bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro. |
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ | 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. " |
§ | 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 idF BGBl I Nr. 59/2001 lautet auszugsweise: |
"Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ab dem Jahr 2000 ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes anzuwenden."
§ 33 Abs. 8 EStG idF BGBl I Nr. 34/2005 lautet auszugsweise:
"Ist die nach Abs. 1 und 2 berechnete Einkommensteuer negativ, so ist bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag gutzuschreiben."
§ 106 Abs. 1 EStG idF BGBl Nr. 818/1993 lautet:
"Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a zusteht."
In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid darauf gestützt, dass § 106 EStG 1988 einen Kinderbegriff schaffe, der sich gänzlich an das FLAG 1967 anlehne. Damit sei relevant, dass dem Beschwerdeführer keine Familienbeihilfe für seinen Sohn gewährt werde. Der Beschwerdeführer vertrete demgegenüber die Auffassung, es sei ausreichend, dass sein Sohn Studienbeihilfe in einer Höhe bezogen habe, die infolge des Wegfalls der Familienbeihilfe entsprechend angepasst (erhöht) worden sei. Der erhöhte Teil der Studienbeihilfe trete an die Stelle der nicht mehr bezogenen Familienbeihilfe.
Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegen zu halten:
Der Erhöhungsbetrag beim Alleinverdienerabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 knüpft genauso an den Begriff des Kindes iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 an wie die Negativsteuer nach § 33 Abs. 8 EStG 1988. Ein Kind iSd § 106 Abs 1 EStG 1988 ist ein solches, das dem Steuerpflichtigen oder dessen (Ehe)Partner den Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit a EStG 1988 vermittelt. Der Kinderabsetzbetrag steht demjenigen zu, dem nach den Bestimmungen des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird.
Aus den genannten Regelungen ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer ein Kind iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 nur im Falle eines Familienbeihilfenbezuges durch den Beschwerdeführer selbst oder seinen (Ehe)Partner gegeben wäre. Der unzweifelhafte Wortlaut der Regelungen stellt auf die Familienbeihilfe ab. Die Studienbeihilfe kann, entgegen dem Beschwerdevorbringen, den Familienbeihilfenbezug schon deshalb nicht ersetzen, weil sie nicht dem Beschwerdeführer oder dessen (Ehe)Partner gewährt worden ist.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch angeführt, dass in Bezug auf Kinder, die sich in Berufsausbildung (Studium) befinden, der Familienbeihilfenanspruch idR nach Vollendung des 26. Lebensjahres des Kindes nicht mehr besteht (vgl § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967).
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass es grundsätzlich von Verfassungs wegen geboten ist, die durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern bewirkte Minderung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten einkommensteuerlich zu berücksichtigen, und dass die Familienbeihilfe aus einkommensteuerlicher Sicht u.a. dieser steuerlichen Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit dient (vgl. etwa die Erkenntnisse des , und vom , B 1285/00). § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988 normiert aber (als Verfassungsbestimmung) ausdrücklich, dass Unterhaltsleistungen an jene Kinder, die volljährig sind und für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Es erweist sich daher im gegebenen Zusammenhang als systemkonform, dass ein volljähriges Kind, für welches keine Familienbeihilfe (mehr) bezogen wird, kein Kind iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 ist und somit keine weitergehende einkommensteuerliche Entlastung bewirkt.
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGG war die gegenständliche Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen, da ihr Inhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt.
Wien, am