VwGH vom 27.02.2014, 2010/15/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zlen. RV/0808-L/07, RV0809- L/07, RV0864-L/07, RV/0865-L/07, RV/1062-L/07, RV1063-L/07, RV/1064-L/07, RV/0920-L/08, RV/0921-L/08, RV/0922-L/08, RV/0923- L/08, RV/0924-L/08, RV/0925-L/08, RV/0926-L/08, RV/0927-L/08, RV/0928-L/08, RV/0929-L/08, RV/0930-L/08, RV/0931-L/08, RV/1477- L/08, betreffend Kapitalertragsteuer, Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, Sicherstellung gemäß § 232 BAO, sowie Vollstreckung gemäß § 230 Abs. 7 BAO (mitbeteiligte Partei: A S in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte war im Streitzeitraum an Gesellschaften mit beschränkter Haftung beteiligt, die im gesamten Bundesgebiet Diskotheken betrieben haben. Im Rahmen von - die Jahre 1999 bis 2005 betreffenden - Außenprüfungen, die unter Beteiligung der Steuerfahndung durchgeführt wurden, stellten die PrüferInnen verdeckte Ausschüttungen dieser Gesellschaften in erheblichem Umfang fest, die - entsprechend seinem jeweiligen Beteiligungsverhältnis - u.a. dem Mitbeteiligten zugerechnet wurden. Die auf die steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge iSd § 93 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 entfallende Kapitalertragsteuer wurde dem Mitbeteiligten (mit mehreren in den Jahren 2006 bis 2008 ergangenen Bescheiden) unter Anwendung des § 95 Abs. 5 leg. cit. direkt vorgeschrieben. Die Vorschreibung erfolgte durch das für die Einkommensteuerveranlagung des Mitbeteiligten zuständige Finanzamt X (Wohnsitzfinanzamt), das in weiterer Folge auch Bescheide betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, Sicherstellung gemäß § 232 BAO, Vollstreckung gemäß § 230 Abs. 7 BAO erließ.
Der Mitbeteiligte berief gegen alle angeführten Bescheide.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde alle Bescheide gemäß § 289 Abs. 2 BAO auf und begründete dies damit, dass für die Erhebung der nicht durch § 57 BAO geregelten Fälle der Abzugsteuer nach § 59 BAO (Anm: in der vor deren Aufhebung durch BGBl. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung) jenes Finanzamt örtlich zuständig sei, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen obliege. Von § 59 BAO sei die Kapitalertragsteuer, deren Abfuhr und auch die Einhebung umfasst. Das Finanzamt X sei für die Erhebung der Körperschaftsteuer jener Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die verdeckte Ausschüttungen an den Mitbeteiligten getätigt hätten, nicht zuständig gewesen. Daher seien die Kapitalertragsteuerbescheide sowie die Bescheide betreffend Aussetzung der Einhebung, Sicherstellung und Vollstreckung von der unzuständigen Behörde erlassen worden.
Dagegen richtet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), war gemäß § 55 Abs. 1 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBl. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung das Wohnsitzfinanzamt (Abs. 2) örtlich zuständig, soweit nicht nach Abs. 3, 4, 5 oder 6 ein anderes Finanzamt zuständig war.
Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen juristischer Personen sowie der nach den Abgabenvorschriften selbständig abgabepflichtigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), war gemäß § 55 Abs. 1 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBl. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung befand.
Für die Erhebung der nicht durch § 57 geregelten Fälle der Abzugsteuer war gemäß § 59 BAO in der vor der Aufhebung durch BGBl. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung das Finanzamt örtlich zuständig, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oder, wenn dieser eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit war, dem die Feststellung der Einkünfte oblag.
Strittig ist, ob die in Rede stehenden - die Erhebung von Kapitalertragsteuer betreffenden - Bescheide vom Wohnsitzfinanzamt des Mitbeteiligten oder vom - für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen der jeweils abfuhrpflichtigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuständigen - (Betriebs )Finanzamt zu erlassen waren.
Gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 leg. cit. gehören.
Gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung wird die Einkommensteuer bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).
§ 93 Abs. 2 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat und es sich um folgende Kapitalerträge handelt:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung."
Zu den "sonstigen Bezügen" im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählen insbesondere die verdeckten Ausschüttungen; verdeckte Ausschüttungen gehören somit zu den Kapitalerträgen im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/15/0153, und vom , 2008/15/0167) und unterliegen als solche der Kapitalertragsteuer.
Aus § 93 Abs. 1 EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber die für Kapitalerträge erhobene Steuer als Kapitalertragsteuer und als "durch Steuerabzug erhobene" Einkommensteuer bezeichnet. Dies ist unabhängig davon, ob die Steuer im Einzelfall tatsächlich vom Kapitalertrag in Abzug gebracht wird, was insbesondere bei verdeckten Ausschüttungen oder bei Depotentnahmen iSd § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 nicht der Fall ist.
Die Kapitalertragsteuer gilt somit, ungeachtet dessen, ob sie vom gemäß § 96 EStG 1988 zum Abzug Verpflichteten abgeführt oder gemäß § 95 EStG 1988 dem Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben wird, als durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben. Sie stellt eine Abzugsteuer iSd des § 59 BAO in der vor der Aufhebung durch das BGBl. I Nr. 9/2010 geltenden Fassung dar (vgl. Stoll , BAO-Kommentar, 685; ebenso Ritz , BAO3, § 59 Tz 1). Folglich war sie von jenem Finanzamt zu erheben, dem die Erhebung der Abgaben vom Einkommen des Abfuhrpflichtigen oblag. Das waren jene Finanzämter, in deren Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung jener Gesellschaften mit beschränkter Haftung befand, bei denen die verdeckten Ausschüttungen an den Mitbeteiligten festgestellt wurden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am