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VwGH vom 27.06.2013, 2010/15/0047

VwGH vom 27.06.2013, 2010/15/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der C W in O, vertreten durch Dr. Markus Warga, Rechtsanwalt in 5322 Hof, Kirchengasse 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0298-S/07, betreffend Umsatzsteuer 2005 und 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die in Österreich wohnhafte Beschwerdeführerin stand in den Streitjahren in Geschäftsbeziehungen zu Internetunternehmen in Deutschland und in der Schweiz, die Internetplattformen betreiben und dabei "Chatdienstleistungen mit sexuellem Inhalt" anbieten.

Die Beschwerdeführerin schloss mit jedem der betroffenen Internetunternehmen (Betreiber einer Internetplattform) einen Vertrag, durch welchen ihr die Möglichkeit eingeräumt wurde, jeweils auf ihren Wunsch auf der Homepage der Plattform mit einem Foto in Erscheinung zu treten.

Die Kunden (Konsumenten) treten in ein Vertragsverhältnis zur jeweiligen Internetplattform. Klickt der Kunde auf deren Internetseiten das Foto der Beschwerdeführerin an, wird der Chatkontakt zur Beschwerdeführerin aufgebaut. Die Beschwerdeführerin nimmt sodann (in Österreich) ihre Webcam in Betrieb, oftmals nimmt auch der Kunde eine Webcam in Betrieb. Je nach den sexuellen Vorstellungen des Kunden kleidet bzw. bewegt sich die Beschwerdeführerin vor der Kamera, wobei insbesondere "Dessous, High Heels und diverses Sexspielzeug" zu den Arbeitsmitteln gehören. Dabei obliegt es der Beschwerdeführerin, wie sie den Kontakt zum Kunden gestaltet und auf die Wünsche des Kunden eingeht. Die Beschwerdeführerin erhält für ihre Leistungen eine Provision in Höhe von 10% bis 30% des Umsatzes der Plattform mit dem jeweiligen Kunden.

Die Beschwerdeführerin beurteilte ihre Leistungen als auf elektronischem Weg erbracht iSd § 3a Abs. 10 Z 15 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 71/2003 und ging daher davon aus, dass der Leistungsort am Sitz des jeweiligen Internetunternehmens in Deutschland bzw. in der Schweiz lag (somit keine Steuerpflicht in Österreich).

Im Rahmen einer Prüfung betreffend Umsatzsteuer 02/2006 - 12/2006 nahm das Finanzamt an, dass keine "auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung" vorliege, sondern eine "andere sonstige Leistung, welche zum wesentlichen Teil durch Menschen ausgeführt werde, wobei das Internet oder ein elektronisches Netz nur als Kommunikationsmittel diene". Der Leistungsort liege daher in Österreich.

Das Finanzamt unterzog die von den Internetunternehmen an die Beschwerdeführerin überwiesenen Provisionen sowohl für den Prüfungszeitraum 2-12/2006 als auch für das Jahr 2005 der österreichischen Umsatzsteuer.

In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 sowie die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2-12/2006 wandte die Beschwerdeführerin ein, dass sie für deutsche und Schweizer Unternehmen, die Internetleistungen erbrächten, tätig werde. Diese Unternehmen erteilten ihr entsprechende Provisionsgutschriften, in denen auf den Übergang der Steuerschuld zum Auftraggeber verwiesen werde. Die Unternehmen gingen davon aus, dass der Ort der Leistung am Ort ihres Sitzes, also nicht in Österreich gelegen sei. Aufgrund der abgabenbehördlichen Prüfung würden die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen nunmehr sowohl mit ausländischer als auch österreichischer Umsatzsteuer belastet.

In der Folge erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2006, wodurch die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 2-12/2006 aus dem Rechtsbestand ausschieden. Gemäß § 274 BAO richtet sich die gegen die Festsetzungsbescheide eingebrachte Berufung gegen den Jahresbescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung insgesamt als unbegründet ab.

Kernpunkt der Berufung sei die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit in den Bereich der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen iSd § 3a Abs. 10 Z 15 UStG 1994 (mit der Leistungsortbestimmung gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994) falle, oder ob sich der Leistungsort nach der Generalklausel des § 3a Abs. 12 UStG 1994 bestimme und daher am Unternehmensort, somit am Tätigkeitsort der Beschwerdeführerin in Österreich, liege. Im letztgenannten Fall wären die Umsätze in Österreich umsatzsteuerpflichtig.

Die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen seien mit der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 ab neu als Z 15 in die Katalogleistungen des § 3a Abs. 10 UStG 1994 aufgenommen worden. Die Neuregelung sei in Umsetzung der RL 2002/38/EG erfolgt. Der Annex L der Richtlinie 77/388/EWG idF der RL 2002/38/EG enthalte eine demonstrative, nicht abschließende Liste von E-Commerce-Leistungen, die elektronisch erbracht werden könnten.

Entscheidungsrelevant für die Einstufung der Leistungen der Beschwerdeführerin sei die Art ihrer Tätigkeit.

Die Art der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beschriebenen Tätigkeit vor der Kamera, die Tatsache, dass sie unmittelbar auf die mittels Chat oder in manchen Fällen auch über Audiokontakt geäußerten Kundenwünsche durch faktische physische Handlungen eingehe bzw. diese physischen Handlungen geradezu Hauptzweck des Kundenkontakts seien, sowie die Möglichkeit der Beschwerdeführerin, den Kundenkontakt individuell einerseits auf die sexuellen Vorlieben des Kunden hin zu gestalten, andererseits aber auch das Ausmaß ihres menschlichen Einsatzes zu bestimmen und zu begrenzen, zeigten, dass der Chatkontakt lediglich dazu diene, die Art der Gestaltung der sexuellen Handlungen vor der Kamera zu kommunizieren.

Damit trete jedoch die auf elektronischem Weg erbrachte Leistung, nämlich der Chatkontakt, als bloßes Kommunikationsmittel in den Hintergrund. Es stehe der menschliche Einsatz der Beschwerdeführerin im Mittelpunkt und charakterisiere die Art der Tätigkeit. Anders als etwa eine mechanische Tastatureingabe, die unmittelbar einen elektronisch automatisierten Vorgang und damit erst die Leistungserbringung als solche in Gang setzen solle, seien im Gegenstandsfall die beschriebenen physischen Handlungen der Beschwerdeführerin selbst der wesentliche Leistungsinhalt.

Damit liege keine Leistung iSd § 3a Abs. 10 Z 15 UStG 1994 vor. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei keine Katalogleistung iSd § 3a Abs. 9 UStG 1994. Der Leistungsort bestimme sich daher nach der Generalklausel des § 3a Abs. 12 UStG 1994 und sei somit am Tätigkeitsort der Beschwerdeführerin in Österreich gelegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, wurde in § 3a Abs. 10 UStG 1994 u.a. folgende Z 15 angefügt:

"die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen."

§ 3a Abs. 9 lit. a UStG 1994 lautet in der für die Streitjahre geltenden Stammfassung:

"Die im Abs. 10 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:

a) Ist der Empfänger ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist statt dessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend;"

§ 3a Abs. 12 UStG 1994 lautet:

"In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung."

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 wurde die Richtlinie 2002/38/EG zur Änderung und vorübergehenden Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen in nationales Recht umgesetzt. In der Begründung der Richtlinie 2002/38/EG wird ausgeführt, dass zur Definition der elektronisch erbrachten Dienstleistungen Beispiele für solche Dienstleistungen in einen Anhang zur Richtlinie 77/388/EWG aufgenommen würden. Dieser Anhang L lautet:

"Exemplarische Auflistung auf elektronischem Wege erbrachter Dienstleistungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e)

1. Bereitstellung von Web-Sites, Web-hosting, Fernwartung von Programmen und Ausrüstungen.


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2.
Bereitstellung von Software und deren Aktualisierung.
3.
Bereitstellung von Bildern, Texten und Informationen sowie Bereitstellung von Datenbanken.
4.
Bereitstellung von Musik, Filmen und Spielen, einschließlich Glücksspielen und Lotterien sowie von Sendungen und Veranstaltungen aus den Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Sport, Wissenschaft und Unterhaltung.
5.
Erbringung von Fernunterrichtsleistungen.
Kommunizieren der Erbringer einer Dienstleistung und sein Kunde über E-Mail miteinander, so bedeutet dies für sich gesehen nicht schon, dass die erbrachte Dienstleistung eine auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung im Sinne von
Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e) letzter Gedankenstrich wäre."
Mit Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden auch: Verordnung) wurde u.a. eine Beschreibung der auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen vorgenommen. In den Begründungserwägungen der Verordnung wird ausgeführt, zur Verbesserung der Rechtssicherheit solle der Leistungsort u.a. für bestimmte elektronisch erbrachte Dienstleistungen eindeutig in der Verordnung bestimmt werden. Die Verzeichnisse der Dienstleistungen, die als elektronisch erbracht bzw. als nicht elektronisch erbracht eingestuft werden, seien dabei weder endgültig noch erschöpfend.
Artikel 11 der Verordnung lautet:

"(1) Auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e zwölfter Gedankenstrich sowie von Anhang L der Richtlinie 77/388/EWG umfasst Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.

(2) Unter Absatz 1 fallen insbesondere die folgenden Dienstleistungen, wenn sie über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz bewirkt werden:

a) Überlassung digitaler Produkte allgemein, z.B. Software und zugehörige Änderungen oder Upgrades;

b) Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken, z.B. eine Website oder eine Webpage, vermitteln oder unterstützen;

c) von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Dateninputs des Leistungsempfängers;

d) Einräumung des Rechts, gegen Entgelt eine Leistung auf einer Website, die als Online-Marktplatz fungiert, zum Kauf anzubieten, wobei die potenziellen Käufer ihr Gebot im Wege eines automatisierten Verfahrens abgeben und die Beteiligten durch eine automatische, computergenerierte E-Mail über das Zustandekommen eines Verkaufs unterrichtet werden;

e) Internet-Service-Pakete, in denen die Telekommunikations-Komponente ein ergänzender oder untergeordneter Bestandteil ist (d. h. Pakete, die mehr ermöglichen als nur die Gewährung des Zugangs zum Internet und die weitere Elemente wie etwa Nachrichten, Wetterbericht, Reiseinformationen, Spielforen, Webhosting, Zugang zu Chatlines usw. umfassen);

f) die in Anhang I genannten Dienstleistungen."

Artikel 12 der Verordnung lautet:

"Insbesondere die folgenden Umsätze fallen nicht unter

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e zwölfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG:

1. Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen im Sinne von

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e elfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG;

2. Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e zehnter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG;

3. Lieferung folgender Gegenstände bzw. Erbringung folgender Dienstleistungen:

a) Gegenstände nach elektronischer Bestellung und Auftragsbearbeitung;


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b)
CD-ROM, Disketten und ähnliche körperliche Datenträger;
c)
Druckerzeugnisse wie Bücher, Newsletter, Zeitungen und Zeitschriften;
d)
CDs und Audiokassetten;
e)
Videokassetten und DVDs;
f)
Spiele auf CD-ROM;
g)
Beratungsleistungen durch Rechtsanwälte, Finanzberater usw. per E-Mail;
h)
Unterrichtsleistungen, wobei ein Lehrer den Unterricht über das Internet oder ein elektronisches Netz, d. h. über ein Remote Link, erteilt;
i)
physische Offline-Reparatur von EDV-Ausrüstung;
j)
Offline-Data-Warehousing;
k)
Zeitungs-, Plakat- und Fernsehwerbung;
l)
Telefon-Helpdesks;
m)
Fernunterricht im herkömmlichen Sinne, z.B. per Post;
n)
Versteigerungen herkömmlicher Art, bei denen Menschen direkt tätig werden, unabhängig davon, wie die Gebote abgegeben werden;
o)
Videofonie, d. h. Telekommunikationsdienstleistungen mit Video-Komponente;
p)
Gewährung des Zugangs zum Internet und zum World Wide Web;
q)
Internettelefonie."

Die Verordnung trat gemäß ihrem Art 23 mit in Kraft und enthält auch noch einen Anhang I mit folgendem Wortlaut:

"Artikel 11 der vorliegenden Verordnung

1. Anhang L Nummer 1 der Richtlinie 77/388/EWG


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a)
Webhosting (Websites und Webpages)
b)
Automatisierte Online-Fernwartung von Programmen
c)
Fernverwaltung von Systemen
d)
Online-Data-Warehousing (Datenspeicherung und -abruf auf elektronischem Wege)
e)
Online-Bereitstellung von Speicherplatz nach Bedarf
2.
Anhang L Nummer 2 der Richtlinie 77/388/EWG
a)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Software (z.B. Beschaffungs- oder Buchführungsprogramme, Software zur Virusbekämpfung) und Updates
b)
Bannerblocker (Software zur Unterdrückung der Anzeige von Werbebannern)
c)
Herunterladen von Treibern (z.B. Software für Schnittstellen zwischen Computern und Peripheriegeräten wie z.B. Printer)
d)
Automatisierte Online-Installation von Filtern auf Websites
e)
Automatisierte Online-Installation von Firewalls
3.
Anhang L Nummer 3 der Richtlinie 77/388/EWG
a)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Desktop-Gestaltungen
b)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Fotos, Bildern und Screensavern
c)
Digitalisierter Inhalt von E-Books und anderen elektronischen Publikationen
d)
Abonnement von Online-Zeitungen und -Zeitschriften
e)
Web-Protokolle und Website-Statistiken
f)
Online-Nachrichten, -Verkehrsinformationen und -Wetterbericht
g)
Online-Informationen, die automatisch anhand spezifischer, vom Leistungsempfänger eingegebener Daten etwa aus dem Rechts- oder Finanzbereich generiert werden (z.B. Börsendaten in Echtzeit)
h)
Bereitstellung von Werbeplätzen (z.B. Bannerwerbung auf Websites und Webpages)
i)
Benutzung von Suchmaschinen und Internetverzeichnissen
4.
Anhang L Nummer 4 der Richtlinie 77/388/EWG
a)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Musik auf Computer und Mobiltelefon
b)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Jingles, Ausschnitten, Klingeltönen und anderen Tönen
c)
Gewährung des Zugangs zu oder Herunterladen von Filmen
d)
Herunterladen von Spielen auf Computer und Mobiltelefon
e)
Gewährung des Zugangs zu automatisierten Online-Spielen, die nur über das Internet oder ähnliche elektronische Netze laufen und bei denen die Spieler räumlich voneinander getrennt sind
5.
Anhang L Nummer 5 der Richtlinie 77/388/EWG
a)
Automatisierter Fernunterricht, dessen Funktionieren auf das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz angewiesen ist und dessen Erbringung wenig oder gar keine menschliche Beteiligung erfordert, einschließlich so genannter virtueller Klassenzimmer, es sei denn, das Internet oder das elektronische Netz dient nur als Kommunikationsmittel zwischen Lehrer und Schüler
b)
Arbeitsunterlagen, die vom Schüler online bearbeitet und anschließend ohne menschliches Eingreifen automatisch korrigiert werden."

In der bei Einführung der Sonderregelung für auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen mit der Richtlinie 2002/38/EG ergangenen Literatur wird ohne weitergehende Einschränkungen ausgeführt, die Regelung betreffe Leistungen, bei denen die eigentliche Dienstleistung auf elektronischem Wege erfolge (vgl. Bunjes/Geist , UStG8, § 3a Rn 66). Es gehe um Online-Umsätze im engeren Sinn, wie etwa die im Anhang zur Richtlinie angeführten Leistungen der Bereitstellung von Filmen und (Glücks)Spielen sowie von "Sendungen und Veranstaltungen aus dem Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Sport, Wissenschaft und Unterhaltung" (vgl. Vellen , Neue EU-Rechtsakte zur Umsatzbesteuerung des Elektronischen Geschäftsverkehrs, UR 2003, 53; Stadie , Umsatzsteuerecht, Köln 2005, 251, Rn 8.124). Auch der Fernunterricht sei erfasst. Während Unterrichtsleistungen im traditionellen Geschäftsverkehr regelmäßig bei physischer Präsenz der betroffenen Personen am gleichen Ort (zB Lehrsaal) erbracht würden, bedürfe es beim Unterricht auf elektronischen Weg einer derartigen Präsenz an einem Ort nicht mehr. Die Unterrichtsleistungen könnten über eine große räumliche Distanz zwischen dem Unterrichtenden und dem zu Unterrichtenden (als Fernunterricht) erbracht werden. Werde die eigentliche Unterrichtsleistung auf elektronischem Weg erbracht, so liegt eine Leistungen im hier in Rede stehenden Sinn vor (vgl. Vellen , UR 2003, 58).

Die Auflistung im Anhang L der Richtlinie 77/388/EWG mache deutlich, dass der Richtliniengeber als elektronische Dienstleistung sämtliche Leistungen verstanden wissen wolle, bei denen die eigentliche Leistungserbringung tatsächlich auf elektronischem Weg erfolge. Somit sei das allein entscheidende Kriterium für die Einordnung der Dienstleistung als elektronisch erbracht die Modalität der Leistungserbringung, es komme nicht auf den materiellen Inhalt der Dienstleistung an (vgl. Nieskens , Umsatzsteuerliche Änderungen im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, UR 2003, 319 (322f)).

Stadie setzt sich im Umsatzsteuerrecht (Köln 2005) auf Seite 249 bereits mit der Meinung, für die Anwendbarkeit der Regelung könnte zusätzlich erforderlich sein, dass die betroffene Leistung nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht werde, auseinander und beurteilt diese Auffassung als weitgehend nicht nachvollziehbar, weil eine Dienstleistung stets von Menschen erbracht werde.

Im streitgegenständlichen Fall konnten die Kunden des jeweiligen Vertragspartners der Beschwerdeführerin (Internetplattformbetreiber) über das Internet in Chatkontakt zur Beschwerdeführerin treten und sie über eine Web-Kamera live in Darstellungsformen beobachten, welche die Kunden sexuell erregen sollten und welche die Kunden in gewissen Grenzen vorgeben konnten. Für die Leistungen der Beschwerdeführerin ist kennzeichnend, dass sowohl die Kommunikation zwischen ihr und den Kunden ihrer Vertragspartner wie auch die Übertragung der Live-Bilder per Internet über räumliche Distanzen und ohne persönliche Nahebeziehung erfolgt. Die Beschwerdeführerin kann dadurch mit einer großen Anzahl potenzieller Kunden in Kontakt gelangen, während die Kunden von ihrem Bildschirm aus zwischen einer großen Anzahl von Anbieterinnen wählen können.

Die von der Beschwerdeführerin erbrachte Leistung stellt sich damit als auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung in dem weiten Verständnis dar, wie es sich aus der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/38/EG (samt dem Anhang L) und ihrer Umsetzung in § 3a Abs. 10 Z 15 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 71/2003, ergibt. So enthält der Anhang L beispielsweise Leistungen wie das Bereitstellen von Bildern, und Filmen sowie von Sendungen und Veranstaltungen aus dem Bereiche Unterhaltung und etwa ganz allgemein die Fernunterrichtsleistungen.

Die Richtlinie 2002/38/EG hat es unterlassen, den Begriff der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen zu definieren. Durch die - mit in Kraft getretene - Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 hat diese Anlage eine "erhebliche inhaltliche Ausfüllung" erfahren (vgl. Plückebaum/Widmann , UStG, 197. Lfg, § 3a Rz 483 und 486 zu der im Bereich der "elektronisch erbrachten Dienstleistungen" mit der Vorgänger-Verordnung Nr. 1777/2005 übereinstimmenden Verordnung (EU) Nr. 282/2011).

Die - in den Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwendende - Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 gibt ein engeres Verständnis der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistung vor, wenn sie in Art. 11 Abs. 1 bei den über das Internet erbrachten Leistungen darauf abstellt, dass deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre (vgl. dazu auch Ruppe/Achatz , UStG4, § 3a Tz 198). So fällt etwa auf, dass der Anhang L der Richtlinie 77/388/EWG ganz allgemein die Erbringung von Fernunterrichtsleistungen nennt, während die Verordnung in Art. 12 Z 3 lit. h Unterrichtsleistungen, bei denen ein Lehrer den Unterricht über das Internet erteilt, gerade nicht als auf elektronischem Weg erbrachte Leistung im hier maßgeblichen Sinn einstuft und in ihrem Anhang nur jenen Fernunterricht erfasst wissen will, der automatisiert ist, dessen Funktionieren auf das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz angewiesen ist und dessen Erbringung wenig oder gar keine menschliche Beteiligung erfordert (vgl. Ruppe/Achatz , UStG4, § 3a Tz 196).

Wenn auch die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen wesentlich vom elektronischen Datenaustausch per Internet bestimmt sind, steht doch zweifelfrei ihre "menschliche Beteiligung" iSd Art 11 Abs. 1 der Verordnung im Mittelpunkt der Leistungserbringung. Solcherart erfüllt die in Rede stehende Leistung den ab maßgeblichen engeren Begriffsinhalt der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistung nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Instanzenzug über Umsatzsteuer 2005 und 2006 abgesprochen. Der angefochtene Bescheid erweist sich sowohl hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 als auch hinsichtlich Umsatzsteuer 2006 als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die belangte Behörde die Leistungen der Beschwerdeführerin für Zeiträume vor dem nicht als solche nach § 3a Abs. 10 Z 15 UStG 1994 gewertet hat. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am