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VwGH vom 05.11.2020, Ra 2018/11/0153

VwGH vom 05.11.2020, Ra 2018/11/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Dr. K K in K, vertreten durch Mag. Petra Laback, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 27/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W133 2128740-1/22E, betreffend Zustimmung zu einer Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice - Landesstelle Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: R K in G, vertreten durch die KS Kiechl Schaffer Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 85/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung sowie den Eventualantrag auf Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung der Mitbeteiligten, einer begünstigten Behinderten, gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) zurück. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber im Jahr 2010 in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen ihm und der Mitbeteiligten einen Kündigungsverzicht bis zur Pensionsberechtigung der Mitbeteiligten abgegeben habe.

2Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

3Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Kündigung eines Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber gegenüber einem begünstigten Behinderten das Bestehen eines kündbaren Dienstverhältnisses voraussetze. Ein solches liege jedoch nicht vor. Die Mitbeteiligte sei seit als Ordinationsangestellte im Umfang von 25 Wochenstunden beim Revisionswerber beschäftigt, für dieses Dienstverhältnis liege ein gültiger Kündigungsverzicht bis zur Erreichung des Regelpensionsalters vor. Das Vorbringen, dass der Kündigungsverzicht durch die Scheidung des Revisionswerbers von der Mitbeteiligten rechtsunwirksam geworden sei, sowie dass sich die Umstände mangels Bestehens einer Ordination und Beschäftigungsmöglichkeit der Dienstnehmerin maßgeblich geändert hätten, vermöge daran nichts zu ändern. Es sei durch (näher bezeichnete) Entscheidungen eines Oberlandesgerichts sowie des Obersten Gerichtshofes aus den Jahren 2017 bzw. 2018 rechtskräftig festgestellt, dass ein aufrechtes Dienstverhältnis bestehe. Mangels Kündigungsmöglichkeit sei daher die zurückweisende Entscheidung der belangten Behörde zu Recht erfolgt.

4Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, dass es nicht Sache des Zustimmungsverfahrens nach § 8 BEinstG sei zu prüfen, ob ein kündbares Dienstverhältnis vorliege.

5Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7Die Revision ist aus dem in ihr genannten Grund zulässig; sie ist auch begründet.

8§ 8 BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idF BGBl. I Nr. 111/2010, lautet auszugsweise:

Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.

...“

9„Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist Sache eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. etwa ; , Ra 2017/06/0210; jeweils mwN). Das Verwaltungsgericht hat somit zu Recht geprüft, ob die Zurückweisung rechtmäßig war.

10Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ermöglicht der Zustimmungsbescheid nach § 8 Abs. 2 BEinstG zwar die Kündigung durch den Dienstgeber, ersetzt diese aber nicht. Weitergehende vertragliche oder gesetzliche Beschränkungen bleiben aufrecht (vgl. , mwN). Ein etwaiger Kündigungsverzicht des Arbeitgebers gegenüber dem begünstigen behinderten Arbeitnehmer kann daher nicht Grund für eine Zurückweisung des Antrages sein. Von dieser hg. Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht abgewichen, weil es die Entscheidung der belangten Behörde bestätigte, mit der der Antrag des Revisionswerbers wegen des für das Dienstverhältnis der Mitbeteiligten bestehenden Kündigungsverzichts zurückgewiesen wurde.

11Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Revisionsvorbringen war bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen.

12Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff. VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Im Hinblick auf die Gebührenbefreiung nach § 23 BEinstG kommt ein Ersatz der Eingabegebühr nicht in Betracht (vgl. etwa , mwN), weshalb dieses Begehren abzuweisen war. Das weitere Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Aufwandersatz einen Pauschalbetrag darstellt, in dem die Umsatzsteuer u.Ä. bereits enthalten ist (vgl. ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110153.L00

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