VwGH vom 16.12.2009, 2005/15/0150

VwGH vom 16.12.2009, 2005/15/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Ing. W B in T, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Johannesgasse 25, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1977- W/02, betreffend Vorauszahlungen an Umsatzsteuer Juni, September und Oktober 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung für einzelne Voranmeldungszeiträume des Jahres 1999 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben laut Niederschrift des Finanzamtes vom als Erfinder tätig und Inhaber zahlreicher Patente ist, in den Monaten Juni, September und Oktober insgesamt neun Rechnungen gelegt habe, für die die Steuerschuld gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 entstanden sei.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ (in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltene) Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide vom , mit denen es für Juni 1999 einen Betrag von 17,6 Mio. S, für September 1999 einen Betrag von 3,4 Mio. S und für Oktober 1999 einen Betrag von 2,56 Mio. S gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 zur Zahlung vorschrieb.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er diverse Anschuldigungen gegen das Finanzamt erhob und sachverhaltsbezogen u. a. vorbrachte, dass "diese Rechnungen auch gar nicht fertig gestellt und ausgefertigt (waren). Das Finanzamt sagte selbst, dass noch wesentliche Daten und Zahlen (Patent-Nr.) fehlen". Es handle sich um "umkomplette" Rechnungen, bei denen sich die Frage stelle, wer diese überhaupt dem Finanzamt vorgelegt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe neun Rechnungen (davon sechs an K und drei an die H GmbH) über den "angeblichen Verkauf von Patenten" jeweils mit gesondertem Steuerausweis erstellt. Zahlungen der Rechnungsempfänger hätten in keinem der Fälle festgestellt werden können. Beim Patentamt durchgeführte Erhebungen hätten ergeben, dass fünf der vom Beschwerdeführer ausgestellten Rechnungen Patente betreffen würden, die bereits Jahre vor Rechnungsausstellung erloschen waren. Der Erwerb gelöschter Patente sei für den Rechungsempfänger wirtschaftlich völlig sinnlos, da der Inhalt des gelöschten Patentes von jedem anderen frei verwertbar sei. Aus welchen Gründen jemand bereit sein könnte, dafür Millionenbeträge aufzuwenden, sei nicht nachvollziehbar. Weitere vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Leistungsinhalte könnten mangels Schriftlichkeit nicht als Rechnungsinhalt festgestellt werden. In manchen im einzelnen genannten Fällen stimmten überdies "Anbot und Rechnung" nicht überein.

Hinsichtlich der sechs an K gerichteten Rechnungen sei weiters festzustellen, dass der Rechnungsempfänger K die mehrheitlich gelöschten Patente oft nur wenige Tage später an die A GmbH weiterverkauft habe, die diese wiederum wenige Tage später ohne Umsatzsteuer "nach Serbien und Bosnien weiterverrechnete". K sei Gesellschafter-Geschäftsführer der A GmbH, die mittlerweile nach Konkursaufhebung wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht sei.

Zwei der drei an die H GmbH gelegten Rechnungen beträfen "nichtexistente" Patente. Dass diese Rechnungen hinsichtlich der Patentnummern erst ergänzt werden sollten, wie der Beschwerdeführer behauptet habe, könne den Rechnungen nicht entnommen werden. Die dritte Rechnung beziehe sich auf ein bereits 1991 gelöschtes Patent. Die Bereitschaft der H GmbH, für "nichtexistente" Patente Millionenbeträge aufzuwenden, erkläre sich nach Ansicht der belangten Behörde mit der Geschäftsführerposition des Beschwerdeführers bei dieser Gesellschaft und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Willensbildung der Rechnungsempfängerin. Dem Beschwerdeführer sei es in diesem Zusammenhang wohl auch um die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bei der H GmbH gegangen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom , die genaue Art der Wertermittlung der "verkauften" Patente sei ihm nicht bekannt, sei überdies nicht glaubwürdig.

Eine tatsächliche Leistungserbringung habe in keinem der Fälle festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer schulde daher die in den Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seine Umsätze gemäß § 17 Abs. 1 UStG 1994 nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen hat, in den Streitzeiträumen keine Entgelte aus den strittigen Rechnungslegungen vereinnahmt wurden und eine Steuerschuld daher nur nach Maßgabe des § 11 Abs. 14 UStG 1994 auf Grund der Rechnungslegung eintreten konnte.

§ 11 Abs. 14 UStG 1994 lautet:

"Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."

Die Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 hat zur Voraussetzung, dass eine solche Rechnung erstellt wird, die formal die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 leg. cit. erfüllt. Der Zweck der Regelung des § 11 Abs. 14 UStG 1994 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug - eine Rechnung ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug - vorzubeugen. Dokumente, die nicht die formalen Voraussetzungen einer Rechnung haben, können nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges dienen, weshalb ein Missbrauch in solchen Fällen nicht in Betracht kommt (vgl. Ruppe, UStG3, § 11 Tz. 147).

Nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 muss eine Rechnung u.a. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung (Z 3) sowie den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt (Z 4), enthalten.

Gemäß § 11 Abs. 2 UStG 1994 können die nach Abs. 1 erforderlichen Angaben auch in anderen Belegen enthalten sein, auf die in der Rechnung hingewiesen wird.

Die belangte Behörde hat in Übereinstimmung mit der Aktenlage die Feststellung getroffen, dass die "beiden Rechnungen ohne Nummer an die H GmbH" vom als Art der Leistung zwar "österreichische Patente" für "Faserverstärktes Baumaterial auch als Platten oder Dachziegel geeignet" und "Baumaterial zur Errichtung von Hoch- und Tiefbauten, Montagen und Reparaturen auch mit Zumischmaschinen zur Faserzumischung" aufwiesen, jedoch keine Patentnummern angegeben seien. Die belangte Behörde ist auch davon ausgegangen, dass eine Zuordnung zu einem bestehenden österreichischen Patent an Hand der angeführten Beschreibung nicht möglich sei. Der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eingewandten "Ergänzungsbedürftigkeit" der diesbezüglichen Rechnungen hat die belangte Behörde lediglich entgegengehalten, dass den Rechnungen nicht zu entnehmen sei, dass sie noch einer Ergänzung bedürften. Damit hat die belangte Behörde aber verkannt, dass hinsichtlich des Leistungsgegenstandes (offenbar unstrittig) "ergänzungsbedürftige" Rechnungen dem Erfordernis des § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 nach Angabe der Art und des Umfanges der sonstigen Leistung nicht entsprechen.

Die beiden Rechnungen erfüllen aber auch nicht die Voraussetzung des § 11 Abs. 1 Z 4 UStG 1994, weil sie keinen Hinweis auf zeitliche Aspekte der Leistungserbringung enthalten (zu diesem Rechnungsmerkmal vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom , 2001/14/0023, vom , 99/13/0069, vom , 2006/15/0022, und vom , 2006/15/0315).

Aber auch die übrigen streitgegenständlichen Rechnungen entsprechen nicht den formalen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z 4 UStG 1994. Denn sie enthalten lediglich ein Rechnungsdatum, aber keinen Hinweis auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung. Wie der Verwaltungsgerichtshof im schon angeführten Erkenntnis 2006/15/0315 ausgesprochen hat, genügt die Angabe des Rechnungsdatums selbst bei identischem Leistungs- und Rechnungsdatum nicht, weil bei einer Rechnung ohne Leistungsdatum stets die Ungewissheit bestünde, ob das Leistungsdatum mit dem Rechnungsdatum übereinstimmt oder ob es aus anderen Gründen fehlt. Eine leichte und einfache Erkennbarkeit des zutreffenden Voranmeldungszeitraums wäre mit einem derartigen Verständnis des § 11 Abs. 1 UStG 1994 nicht zu vereinbaren. Auch geht es im Beschwerdefall offenbar nicht nur um die Übertragung von (Patent)Rechten, sondern wie dem "Angebot Nr. 12/99" zu entnehmen ist, auf das in zwei an K gelegte Rechnungen verwiesen wird, auch um die Lieferung einer "Pilotanlage", von welcher auch nicht typischerweise angenommen werden kann, dass sie im Zeitpunkt der Rechnungslegung erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid erweist sich schon aus den angeführten Gründen als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am