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VwGH vom 26.07.2007, 2005/15/0003

VwGH vom 26.07.2007, 2005/15/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der F in Italien, vertreten durch Siemer, Siegl, Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0363-G/04, betreffend Umsatzsteuer 1997 bis 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine in Italien ansässige Gesellschaft.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung setzte das Finanzamt der Beschwerdeführerin gegenüber Umsatzsteuern 1997 bis 2002 fest, weil es davon ausging, dass die Beschwerdeführerin in diesen Jahren durch die Lieferung von Einrichtungsgegenständen aus Italien an private Abnehmer in Österreich nach den Bestimmungen über den Versandhandel in Österreich steuerpflichtig geworden sei.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Die betreffenden Lieferungen seien nach der italienischen Gesetzeslage und Verwaltungsübung gleichzeitig auch in Italien steuerpflichtig. Nach italienischer Auffassung würde Versandhandel nur dann vorliegen, wenn die Bestellung der Ware aus einem Katalog oder über das Internet erfolge, nicht jedoch wenn der Abnehmer die Ware in einem Geschäft auswähle und sich diese in der Folge auf Kosten des Lieferanten nach Hause ins Ausland zustellen lasse. Die Beschwerdeführerin wolle keine abschließende Beurteilung darüber anstellen, ob nun Österreich oder Italien die Sechste MwSt-Richtlinie 77/388/EWG richtig in nationales Recht umgesetzt habe. Sofern die Berufungsbehörde sich dem Finanzamt anschließe, werde angeregt, den Sachverhalt dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Selbst für den Fall, dass die Besteuerung der strittigen Umsätze in Österreich zu Recht erfolgt sei, seien die Bescheide der Jahre 1998 bis 2002 insoweit rechtswidrig, als nicht das Nettoentgelt, sondern der Bruttobetrag inklusive italienischer Mehrwertsteuer als Bemessungsgrundlage herangezogen worden seien.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom wurde dem Berufungsbegehren betreffend die Jahre 1998 bis 2002 hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage stattgegeben. Im Übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.

In der Folge stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen hinsichtlich der Höhe der Abgaben für 1998 bis 2002 im Umfang der Berufungsvorentscheidung Folge, wies sie aber im Übrigen als unbegründet ab.

Strittig sei, ob Österreich Lieferungen eines in Italien ansässigen Unternehmers an private Abnehmer in Österreich, bei denen die Waren vom Lieferer von Italien nach Österreich befördert oder versendet werden, besteuern dürfe, wenn Italien gleichzeitig auf der Besteuerung dieser Umsätze beharre.

Die Beschwerdeführerin brachte vor, Italien habe bisher zu erkennen gegeben, im Berufungsfall auf der Besteuerung zu beharren. Daher solle Österreich im Sinne des Zweckes der Sechsten MwSt-Richtlinie auf das Besteuerungsrecht verzichten.

Nach Ansicht der belangten Behörde stelle die Versandhandelsregelung sicher, dass bei der Versendung oder Beförderung der Ware durch den Lieferer an private Abnehmer in andere Mitgliedstaaten die Besteuerung im Bestimmungsland erfolge, da es ansonsten infolge der unterschiedlichen Steuersätze zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte. Um bei der Versendung an private Abnehmer im Ausland, die nicht der Erwerbsbesteuerung unterworfen werden könnten, das Bestimmungslandprinzip sicherzustellen, verlege die Binnenmarktregelung den Ort der Lieferung in das Bestimmungsland, wenn die Lieferungen des Unternehmers einen bestimmten Grenzwert überschritten.

Die den Versandhandel regelnde Bestimmung im österreichischen Umsatzsteuerrecht basiere auf Art. 28b Abs 1 Teil B der Sechsten MwSt-Richtlinie. Danach gelte abweichend von Art. 8 Abs 1 Buchstabe a und Absatz 2 der Richtlinie als Ort der Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung des Versands oder der Beförderung aus versandt oder befördert werden, der Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Käufer befänden, sofern folgende Bedingungen erfüllt seien:


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-
die Lieferung der Gegenstände erfolge an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, für den/die Abweichung gemäß Art. 28a Abs. 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 der Richtlinie gelte, oder an eine andere nichtsteuerpflichtige Person, und
-
es handle sich um andere Gegenstände als neue Fahrzeuge oder als Gegenstände, die mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert würden.
Eine in der Ratstagung am zu Artikel 1 Nummer 22 der Änderungs-Richtlinie 91/680/EWG zu Art. 28b Buchstabe B der Sechsten MwSt-Richtlinie verfasste Protokollerklärung laute:
"Der Rat und die Kommission erklären, dass die Sonderregelung für Fernverkäufe in allen Fällen zur Anwendung gelangt, in denen die Gegenstände direkt oder indirekt vom Lieferer oder in dessen Auftrag versandt oder befördert werden."
Daraus ergebe sich nach Ansicht der belangten Behörde, dass der Modus der Bestellung für Fernverkäufe unmaßgeblich sei. Die österreichische Gesetzeslage folge diesen Vorgaben der Sechsten MwSt-Richtlinie.
Die Beschwerdeführerin habe an private Abnehmer nach Österreich Einrichtungsgegenstände geliefert und die Zustellung der Waren auf ihre Kosten durchgeführt. Dadurch seien die Waren von Italien in das Bestimmungsland Österreich gelangt. Genau derartige Vorgänge sollten auch nach der oben genannten. Protokollerklärung des Rates unter der Bezeichnung des Fernhandels im Bestimmungsland besteuert werden.
Dass die Bestellung der Waren über Kataloge oder das Internet erfolge, sei nach den Vorgaben in der Richtlinie keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Versandhandelsregelung.
Wenn nun nach der italienischen Rechtslage bzw. Verwaltungspraxis die im Art. 28b Teil B der Sechsten MwSt-Richtlinie normierte Versandhandelsregelung so ausgelegt werde, dass nur im Falle von Bestellungen über Versandkataloge und das Internet Versandhandel vorliege, so widerspreche diese Auslegung eindeutig den Bestimmungen der Sechsten MwSt-Richtlinie.
Der Beschwerdeführerin sei beizupflichten, dass nach dem Gemeinschaftsrecht eine Doppelbesteuerung nicht intendiert sein solle. Im Beschwerdefall sei aber offenkundig, dass die angefochtenen österreichischen Bescheide dem Gemeinschaftsrecht entsprächen. Auch die Beschwerdeführerin könne die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der bekämpften österreichischen Bescheide nicht aufzeigen. Nach Ansicht der belangten Behörde verstoße vielmehr die Besteuerung der gegenständlichen Umsätze in Italien gegen das Gemeinschaftsrecht.
Dem Berufungsbegehren hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage sei Folge zu geben gewesen, weil nicht der zivilrechtliche Preis, also der Bruttobetrag, sondern das um die österreichische Mehrwertsteuer (20% Normalsteuersatz) verringerte Entgelt als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Art. 3 Abs. 3 und 4 UStG 1994 lautet:

"(3) Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach Maßgabe der Abs. 4 bis 7 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet. Das gilt auch, wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat.

(4) Abs. 3 ist anzuwenden, wenn der Abnehmer

1. nicht zu den in Art. 1 Abs. 2 Z 2 genannten Personen gehört oder

2.

a) ein Unternehmer ist, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, oder

b) ein Kleinunternehmer ist, der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates von der Steuer befreit ist oder auf andere Weise von der Besteuerung ausgenommen ist, oder

c) ein Unternehmer ist, der nach dem Recht des für die Besteuerung zuständigen Mitgliedstaates die Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger anwendet, oder

d) eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt,

und als einer der in den lit. a bis d genannten Abnehmer weder die maßgebende Erwerbsschwelle (Art. 1 Abs. 4 Z 2) überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet. Im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend."

Die zitierten Bestimmungen des UStG 1994 sind in Umsetzung des Art. 28b Teil B der Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG (in der Fassung des Art. 1 Nr. 22 der "Binnenmarktrichtlinie 91/680/EWG", siehe dazu Ruppe, UStG3, EinfBMR, Tz 3ff) ergangen. Diese Richtlinienbestimmung lautet auszugsweise:

"(1) Abweichend von Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a) und Abs. 2 gilt als Ort einer Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung des Versands oder der Beförderung aus versandt oder befördert werden, der Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Käufer befinden, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:


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die Lieferung der Gegenstände erfolgt an einen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person, für den/die die Abweichung gemäß Art. 28a Abs. 1 Buchstabe a) Unterabsatz 2 gilt, oder an eine andere nicht steuerpflichtige Person,
-
es handelt sich um andere Gegenstände als neue Fahrzeuge oder als Gegenstände, die mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert werden.
Werden die so gelieferten Gegenstände von einem Drittlandsgebiet aus versandt oder befördert und vom Lieferer in einen anderen Mitgliedstaat als den der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Käufer eingeführt, so gelten sie als vom Einfuhrmitgliedstaat aus versandt oder befördert. …"
Rat und Kommission erklärten für das Ratsprotokoll zu Art. 1 Nr. 22 der Richtlinie 91/680/EWG betreffend Art. 28b Teil B der Sechsten MwSt-Richtlinie, dass die Sonderregelung für Fernverkäufe in allen Fällen zur Anwendung gelangt, in denen die Gegenstände direkt oder indirekt vom Lieferer oder in dessen Auftrag versandt bzw. befördert werden.
Art. 28b Teil B der Sechsten MwSt-Richtlinie normiert, dass so genannte Versandhandelslieferungen an nichtvorsteuerabzugsberechtigte Erwerber als im Bestimmungsland erbracht anzusehen sind. Damit soll verhindert werden, dass es bei Lieferungen an nicht erwerbsteuerpflichtige Erwerber im grenzüberschreitenden Versandhandel wegen der Steuersatzunterschiede zu Wettbewerbsverzerrungen und Standortverlagerungen kommt (Birkenfeld, Mehrwertsteuer in der EU,
5. Auflage, 146; Ruppe, UStG3, Tz 19 zu Art. 3 BMR).
Ziel der Versandhandelsregelung ist somit die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, Standortverlagerungen und Aufkommensverschiebungen, deren Ursache in den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen der Mitgliedstaaten begründet ist. Nach den ursprünglichen Plänen der Kommission sollte die Verlagerung des Lieferortes in den Bestimmungsmitgliedstaat auf den Versandhandel (von "Versandhäusern") im engeren Sinn beschränkt bleiben. Da sich aber im Zuge der Arbeiten an der "Binnenmarkt-Richtlinie" herausstelle, dass keine befriedigende Abgrenzung des "Versandhandels" zu den übrigen Versendungslieferungen gefunden werden könne, wurde die Regelung ausgedehnt auf alle Lieferungen, bei denen die gelieferten Gegenstände direkt oder indirekt vom Lieferer oder in dessen Auftrag versandt oder befördert werden (Tumpel, MwSt im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, Wien 1997, 583, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2003/15/0014 (siehe auch das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0161), gestützt auf Rechtsprechung des EuGH ausgesprochen hat, liegt ein Versandhandelsfall vor, wenn der Lieferer die Versendung "veranlasst" hat.
In der Beschwerde wird gegen die Anwendung der Versandhandelsbestimmung eingewendet, dass Italien die Lieferungen bereits besteuert hat und durch eine nochmalige Besteuerung in Österreich eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung eintrete. Weiters wird eingewendet, dass die Versandhandelsregelung nicht anwendbar sei, wenn das Verkaufsgeschäft in den Geschäftsräumlichkeiten des Verkäufers zustande komme, wenn also nicht über Katalog oder Internt etc bestellt werde.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Im gegenständlichen Fall steht fest: Die Beschwerdeführerin hat Gegenstände an private Abnehmer nach Abschluss der Kaufvereinbarung im Geschäftslokal der Beschwerdeführerin in Italien, von Italien nach Österreich geliefert. Sie hat die Zustellung der Waren auf ihre Kosten durchgeführt. Dadurch sind die Waren von Italien in das Bestimmungsland Österreich gelangt.
Bei diesem Sachverhalt sind die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 und Art. 28b Teil B Abs. 1 der Sechsten MwSt-Richtlinie, dass die Gegenstände durch den Lieferer oder für dessen Rechnung an den Verkäufer versandt oder befördert werden, erfüllt. Für die Anwendbarkeit der Versandhandelsregelung stellt die Richtlinie und auch der in Umsetzung der Richtlinie ergangene Art. 3 Abs. 3ff UStG 1994 nicht darauf ab, wo der Vertrag abschlossen worden ist.
Die Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommenen Umsatzsteuervorschreibung ergibt sich auch nicht daraus, dass ein anderer Mitgliedstaat - bei anderer Auslegung der Vorschriften der Sechsten MwSt-Richtlinie - für dieselben Lieferungen ebenfalls Mehrwertsteuer erhoben hat.
Mit Rücksicht darauf, dass bei der Lösung der im Beschwerdefall gemeinschaftsrechtlichen Fragen kein vernünftiger Zweifel besteht, war der Verwaltungsgerichtshof zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung nicht verpflichtet (Hinweis - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, I-3415).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 2003/333.
Wien, am