VwGH vom 26.05.2014, 2012/17/0468

VwGH vom 26.05.2014, 2012/17/0468

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der W GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-MB-12-0008, betreffend Maßnahmenbeschwerde im Zusammenhang mit einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (GSpG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Im Zuge einer am von den Organen des Finanzamtes Graz Stadt durchgeführten Kontrolle wurde unter anderem ein im Eigentum der Beschwerdeführerin stehendes Glücksspielgerät vorläufig beschlagnahmt. Anlässlich dieser Amtshandlung wurde dem Gerät ein Geldbetrag entnommen und von den einschreitenden Beamten in Verwahrung übernommen.

Mit Bescheid vom sprach die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die Beschlagnahme des Glücksspielgerätes gemäß § 53 Abs. 3 iVm § 53 Abs. 2 und 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) aus. In diesem Bescheid wird der in Verwahrung genommene Geldbetrag nicht erwähnt.

1.2. Die Beschwerdeführerin erhob am eine Maßnahmenbeschwerde mit dem Antrag auf Feststellung, dass sie dadurch, dass am ein in ihrem Eigentum stehender Geldbetrag von EUR 300,00, der sich in einem näher bezeichneten - im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden - Glücksspielgerät befunden habe, vorläufig beschlagnahmt worden sei, in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden sei. Der vorläufig beschlagnahmte Geldbetrag sei weder im Spruch noch in der Begründung des der vorläufigen Beschlagnahme folgenden Beschlagnahmebescheides erwähnt, weshalb die Beschlagnahme den Kasseninhalt nicht umfasse.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, weil die inkriminierte Maßnahme rechtlich gedeckt sei, obwohl der betreffende Geldbetrag nicht vom Beschlagnahmebescheid der Bezirkshauptmannschaft erfasst sei. Das in den Glücksspielautomaten enthaltene Geld sei nämlich lediglich anlässlich der vorläufigen Beschlagnahme von den einschreitenden Organen der Finanzbehörde im Sinne des § 55 Abs. 3 GSpG gegen Bestätigung in Verwahrung genommen worden. Da das Einschreiten auf Grundlage dieser Bestimmung erfolgt sei, liege eine Verletzung der Eigentumsrechte im Sinne des Vorbringens in der Maßnahmebeschwerde nicht vor.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

3.2. § 53 Abs. 1, 2 und 3 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010, sowie § 55 Abs. 3 (GSpG), BGBl. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010, lauten:

"Beschlagnahmen

§ 53 (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.

(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.

(3) Die Behörde hat in den Fällen des Abs. 2 unverzüglich das Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides einzuleiten und Ermittlungen zur Feststellung von Identität und Aufenthalt des Eigentümers der Gegenstände, des Veranstalters und des Inhabers zu führen. Soweit nach der vorläufigen Beschlagnahme keine dieser Personen binnen vier Wochen ermittelt werden kann oder sich keine von diesen binnen vier Wochen meldet oder die genannten Personen zwar bekannt, aber unbekannten Aufenthaltes sind, so kann auf die Beschlagnahme selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

...

Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände

§ 55 (...)

(3) Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, ist zunächst zur Tilgung von allfälligen Abgabenforderungen des Bundes und sodann von offenen Geldstrafen des wirtschaftlichen Eigentümers der beschlagnahmten Gegenstände zu verwenden, ansonsten auszufolgen."

3.3. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2012/17/0430, 0435, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. zu § 53 GSpG das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2012/17/0531, 0603, mwN).

3.4. Den insofern unstrittigen Feststellungen zufolge wurden durch die Beamten des Finanzamtes Graz im Zuge der Kontrolle insgesamt drei Glücksspielgeräte beschlagnahmt. Es wurden den Automaten insgesamt EUR 518,00 entnommen, wobei sich in dem Gerät Nr. 1, welches im Eigentum der Beschwerdeführerin steht, ein Geldbetrag von EUR 295,00 (laut Beschwerdeführerin EUR 300,00) befand. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beschlagnahme des Glücksspielapparates nach § 53 GSpG den Automat samt seinem Inhalt und somit auch das darin befindliche Geld erfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0315), ist jedenfalls im Falle der - wie hier - separierten Inverwahrnahme des insgesamt den Apparaten entnommenen Geldbetrages davon auszugehen, dass dieser vom Beschlagnahmebescheid nicht umfasst ist. Zu Recht verwies die belangte Behörde darauf, dass mit dem Bezug habenden Beschlagnahmebescheid lediglich die Beschlagnahme des Glücksspielgerätes, nicht jedoch - schon mangels Erwähnung - die des Geldbetrages bestätigt wurde.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde beinhaltet § 55 Abs. 3 GSpG schon seinem Wortlaut nach keine eigene gesetzliche Ermächtigung, den einem Glückspielgerät entnommenen Geldbetrag separat "in Verwahrung" zu nehmen und bietet daher keine Rechtsgrundlage für den von der vorliegenden Maßnahmebeschwerde inkriminierten Sachverhalt.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, welche gemäß § 3 Abs. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.

Wien, am