VwGH vom 27.02.2013, 2012/17/0430
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2012/17/0435
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerden 1. der Bundesministerin für Finanzen in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b (Zl. 2012/17/0430), und 2. des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7 (Zl. 2012/17/0435), jeweils gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-420749/12/Gf/Rt, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anlässlich einer glücksspielrechtlichen Kontrolle (mitbeteiligte Partei: L T in L, vertreten durch Dr. Martin Mahrer, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Flötzersteig 157),
Spruch
1. zu Recht erkannt (Zl. 2012/17/0430):
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als damit das Abdecken des Kameraobjektives als rechtswidrig festgestellt wurde.
2. den Beschluss gefasst (Zl. 2012/17/0435):
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 67c Abs. 3 AVG der Maßnahmenbeschwerde der Mitbeteiligten insoweit Folge gegeben, als das Abdecken der Objektive der Videoüberwachungskameras als rechtswidrig festgestellt wurde. Hingegen wurde die Beschwerde bezüglich der Vorwürfe, die Mitarbeiter der Mitbeteiligten und die Lokalbesucher seien in rauem Ton dazu aufgefordert worden, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen, ihnen sei untersagt worden, zu rauchen und zu telefonieren sowie die Pokertische seien in schikanöser Weise derart miteinander verbunden und versiegelt worden, dass dadurch ein großer Bereich des Lokals nicht mehr benutzbar sei, als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, in der Nacht vom 15. zum hätten Beamte des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in einem Lokal der Mitbeteiligten eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durchgeführt und mehrere Glücksspielgeräte und Pokertische in Beschlag genommen. Dabei seien die Automaten und Pokertische zusammengeschoben, gemeinsam versiegelt und in der Folge im Lokal belassen worden. Die Objektive der vor Ort befindlichen Videoüberwachungskameras seien von den Beamten jeweils mit einem undurchsichtigen Zettel ("Post-it") abgedeckt worden, weil sich die Mitbeteiligte bzw. deren Bedienstete geweigert hätten, diese - auf eine entsprechende Anordnung des Einsatzleiters hin - auszuschalten.
Darüber hinaus hätten sich keine Hinweise dahin ergeben, dass die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin und die Lokalbesucher in einem rauen Ton dazu aufgefordert worden seien, den Poker- und Automatenbereich zu verlassen und dass diesen Personen untersagt worden sei, zu rauchen und zu telefonieren, sowie, dass die Pokertische in schikanöser Weise derart miteinander verbunden und versiegelt worden seien, dass dadurch nunmehr ein großer Bereich des Lokals nicht mehr benutzbar gewesen sei.
Was die Zulässigkeit der Beschwerde betreffe, schließe der Grundsatz der bloßen Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde nicht aus, dass sich ein Rechtsmittelwerber gegen jene von einer vorläufigen Beschlagnahme - die nach § 53 GSpG mit Bescheid zu bestätigen sei, welcher wiederum im Wege einer Berufung bekämpft werden könne - verschiedenen Zwangsakte, die im Zuge einer finanzbehördlichen Kontrolle gesetzt worden seien, mittels Maßnahmenbeschwerde zur Wehr setzen könne. Das durch ein Exekutivorgan gegen den Willen der Mitbeteiligten erfolgte Abdecken des Objektives einer Videokamera mittels eines undurchsichtigen Papiers habe eine Beeinträchtigung jener Funktionstüchtigkeit, wie sie mit einem derartigen Gerät üblicherweise intendiert sei, bewirkt. Da es offenkundig sei, dass die Mitbeteiligte von den einschreitenden Beamten - letzten Endes auch physisch - daran gehindert worden wäre, die im Sinne des "gelindesten sitzungspolizeilichen Mittels" angebrachte Abdeckung wieder zu entfernen, liege in dieser Vorgangsweise eine Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Da die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG erfüllt seien, sei die Beschwerde sohin insoweit zulässig, als sie sich nicht gegen die Beschlagnahme selbst, sondern bloß gegen sonstige, im Zuge der Kontrolle gesetzte Zwangsakte richte.
Die Frage der Rechtmäßigkeit des Abdeckens des Objektives der Videokamera beantwortete die belangte Behörde dahin, dass das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG) in Verbindung mit dem GSpG den Organwaltern zwar weitgehende Eingriffsrechte zur Effektuierung der ihnen zukommenden Kontroll- und Beweissicherungsbefugnisse gewähre, hierzu allerdings keine explizite Ermächtigung zu einer Unterbrechung der Videoaufnahmen gehöre. Eine solche lasse sich - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - weder im Wege der Analogie aus den entsprechenden strafprozessualen Bestimmungen noch aus den allgemeinen sitzungspolizeilichen Befugnissen einer Behörde ableiten. Zum einen bezögen sich § 228 Abs. 4 StPO,§ 127 Abs. 9 FinStrG und § 22 MedienG auf die Durchführung von sowohl öffentlichen als auch gerichtsförmigen Verhandlungen und zwar mit dem Primärzweck, durch die (konkret darauf beschränkte) Untersagung von Filmaufnahmen die Beeinflussung von Zeugen hintanzuhalten. Gleiches gelte zunächst auch für die sitzungspolizeilichen Befugnisse nach § 24 VStG in Verbindung mit § 34 AVG. Auch wenn diese Bestimmung darüber hinaus auch für bloße Beweisaufnahmen einschlägig sei, regle sie von ihrem inhaltlichen Anwendungsbereich her gesehen doch bloß die in diesem Zusammenhang erforderliche Aufrechterhaltung der Ordnung und Wahrung des Anstandes. Auch wenn man der Behörde daher u. a. die Aufgabe zuerkenne, auf die Einhaltung des Datenschutzes zu achten, so könne eine derartige Berechtigung nie so weit reichen, es auf diesem Weg einer von einer Amtshandlung betroffenen Person zu verunmöglichen, ihrerseits Beweise für allfällige Rechtswidrigkeiten der Amtshandlung anzufertigen. Da zunächst davon auszugehen sei, dass sich die Behördenorgane einerseits und die Rechtsunterworfenen andererseits jeweils in gleicher Weise rechtskonform verhielten, sei kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 des DSG, BGBl. I Nr. 165/1999, in der geltenden Fassung BGBl. Nr. 51/2012, dafür erkennbar, dem von einer Eingriffshandlung Betroffenen die Herstellung von Film- und Tonaufnahmen der Amtshandlung zu verunmöglichen. Dass jener hierbei die datenschutzrechtlichen Vorschriften beachte, sei einerseits ebenso vorauszusetzen und wäre andernfalls von diesem selbst zu vertreten, sodass deren Verletzung in gleicher Weise wie eine solche urheberrechtlicher Vorschriften objektiv besehen jedenfalls nicht in den Verantwortungsbereich der einschreitenden Behörde falle.
Daher erweise sich das Abdecken der Objektive der Videokamera mittels undurchsichtiger Zettel als gesetzlich nicht gedeckt und damit als rechtswidrig.
Die übrigen Vorwürfe seien mangels entsprechend belegten Tatsachenvorbringens als unbegründet abzuweisen.
Erkennbar lediglich gegen den stattgebenden Teil des Bescheides mit dem das Abdecken der Objektive der Videokamera für rechtswidrig erklärt wurde, richten sich die vorliegenden Amtsbeschwerden der Bundeministerin für Finanzen und die des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, in welchen jeweils in diesem Umfang die Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Die Mitbeteiligte erstattete betreffend die Amtsbeschwerde des zweitbeschwerdeführenden Finanzamtes eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Amtsbeschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Art. 131 Abs. 1 und 2 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 316/1975 lautet:
"Artikel 131. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;
2. in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 sowie in jenen Angelegenheiten, in denen dem Bescheid eines Landes- oder Bezirksschulrates ein kollegialer Beschluss zugrunde liegt, der zuständige Bundesminister, soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können;
3. in den Angelegenheiten des Art. 15 Abs. 5 erster Satz die zuständige Landesregierung gegen Bescheide des zuständigen Bundesministers.
(2) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.
…"
§ 24 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung
BGBl. I Nr. 20/2009, lautet:
"§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 51d, 57, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2, 66 Abs. 2, 67a bis 67d, 67h, 68 Abs. 2 und 3, 75, 76a zweiter Satz, 78, 78a, 79, 79a, 80, 81 und 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden."
§ 34 Abs. 1 und 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 137/2001, lautet:
"§ 34. (1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.
(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.
…"
§ 67b Z. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung
BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:
"§ 67b. Partei ist auch:
…
2. im Verfahren über eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt:
die belangte Behörde;
…"
§ 50 Abs. 3, 4, 5, und 7 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010, und § 53 Abs. 1 und 2, BGBl. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010, lauten:
§ 50.
"…
(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.
(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.
(5) Die Abgabenbehörde hat in Verwaltungsverfahren nach §§ 52, 53 und 54 dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.
…
(7) Der Bundesminister für Finanzen ist berechtigt, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Unabhängigen Verwaltungssenate haben Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesminister für Finanzen zu übermitteln.
…
Beschlagnahmen
§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn
1. der Verdacht besteht, dass
a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder
b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder
2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder
3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.
(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.
…"
§ 18 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999, in der Stammfassung lautet:
"§ 18. (1) Der Vollbetrieb einer meldepflichtigen Datenanwendung darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - unmittelbar nach Abgabe der Meldung aufgenommen werden."
§ 50a Abs. 1 bis 4 und § 50c Abs. 1und 2 DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, in der Fassung BGBl. I Nr. 133/2009 lauten:
"9a. Abschnitt
Videoüberwachung
Allgemeines
§ 50a. (1) Videoüberwachung im Sinne dieses Abschnittes bezeichnet die systematische, insbesondere fortlaufende Feststellung von Ereignissen, die ein bestimmtes Objekt (überwachtes Objekt) oder eine bestimmte Person (überwachte Person) betreffen, durch technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte. Für derartige Überwachungen gelten die folgenden Absätze, sofern nicht durch andere Gesetze Besonderes bestimmt ist.
(2) Für Videoüberwachung gelten die §§ 6 und 7, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 7 Abs. 3). Rechtmäßige Zwecke einer Videoüberwachung, insbesondere der Auswertung und Übermittlung der dabei ermittelten Daten, sind jedoch vorbehaltlich des Abs. 5 nur der Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person oder die Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten, jeweils einschließlich der Beweissicherung, im Hinblick auf Ereignisse nach Abs. 1. Persönlichkeitsrechte nach § 16 ABGB bleiben unberührt.
(3) Ein Betroffener ist durch eine Videoüberwachung dann
nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen (§ 7
Abs. 2 Z 3) verletzt, wenn
1. diese im lebenswichtigen Interesse einer Person
erfolgt, oder
2. Daten über ein Verhalten verarbeitet werden, das
ohne jeden Zweifel den Schluss zulässt, dass es darauf gerichtet
war, öffentlich wahrgenommen zu werden, oder
3. er der Verwendung seiner Daten im Rahmen der
Überwachung ausdrücklich zugestimmt hat.
(4) Ein Betroffener ist darüber hinaus durch eine
Videoüberwachung ausschließlich dann nicht in seinen
schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen (§ 7 Abs. 2 Z 3) verletzt,
wenn sie nicht im Rahmen der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben
erfolgt und
1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
das überwachte Objekt oder die überwachte Person könnte das Ziel
oder der Ort eines gefährlichen Angriffs werden, oder
2. unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften des
Völker- oder des Gemeinschaftsrechts, Gesetze, Verordnungen, Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen dem Auftraggeber spezielle Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person auferlegen, oder
3. sich die Überwachung in einer bloßen
Echtzeitwiedergabe von das überwachte Objekt/die überwachte Person betreffenden Ereignisse erschöpft, diese also weder gespeichert (aufgezeichnet) noch in sonst einer anderen Form weiterverarbeitet werden (Echtzeitüberwachung), und sie zum Zweck des Schutzes von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers erfolgt.
…
Meldepflicht und Registrierungsverfahren
§ 50c. (1) Videoüberwachungen unterliegen der Meldepflicht gemäß den §§ 17 ff. Sofern der Auftraggeber nicht in der Meldung zusagt, die Videoüberwachungsdaten zu verschlüsseln und unter Hinterlegung des einzigen Schlüssels bei der Datenschutzkommission sicherzustellen, dass eine Auswertung der Videoaufzeichnungen nur im begründeten Anlassfall durch eine bestimmte Stelle stattfindet, unterliegen sie der Vorabkontrolle (§ 18 Abs. 2). Bestimmte Tatsachen im Sinn von § 50a Abs. 4 Z 1 müssen bei Erstattung der Meldung glaubhaft gemacht werden. Soweit gemäß § 96a des Arbeitsverfassungsgesetzes 1974 - ArbVG, BGBl. Nr. 22, Betriebsvereinbarungen abzuschließen sind, sind diese im Registrierungsverfahren vorzulegen.
(2) Eine Videoüberwachung ist über § 17 Abs. 2 und 3 hinaus
von der Meldepflicht ausgenommen
1. in Fällen der Echtzeitüberwachung oder
2. wenn eine Speicherung (Aufzeichnung) nur auf
einem analogen Speichermedium erfolgt.
…"
Zur Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Finanzen
(Zl. 2012/17/0430):
Zur Beantwortung der Frage, ob die Befugnis der Bundesministerin für Finanzen nach § 50 Abs. 7 GSpG gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshofs zu erheben, auch die Befugnis umfasst, gegen Bescheide Beschwerde zu erheben, die in einem Maßnahmenbeschwerdeverfahren ergangen sind, das im Rahmen eines Verfahrens nach dem Glücksspielgesetz eingeleitet wurde, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0432, verwiesen, in dem die Befugnis der Bundesministerin für Finanzen zur Erhebung einer Amtsbeschwerde in einem derartigen Fall bejaht wurde.
Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0687, mwN).
Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0113, mwN). Im Beschwerdefall steht die Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde deren Erhebung nicht entgegen. Die Subsidiarität bezieht sich im Falle einer Beschlagnahme nicht auf jene Akte, welche durch den später erlassenen Beschlagnahmebescheid keiner verwaltungsbehördlichen Kontrolle unterworfen werden, wie dies beim Abdecken eines Kameraobjektives der Fall ist.
Aufgrund der Feststellungen der belangten Behörde ist zweifellos davon auszugehen, dass es sich bei dem von den einschreitenden Organen vorgenommen Abdecken der Videokamera mit einem Post-it um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt. Im Beschwerdefall wurde nach Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung gegen den Willen der Mitbeteiligten die Abdeckung des Kameraobjektives seitens der Organwalter vorgenommen. Die belangte Behörde hat in dem angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, dass die Mitbeteiligte - letzten Endes auch physisch - daran gehindert worden wäre, die angebrachte Abdeckung zu entfernen. Im Anbringen der Abdeckung lag daher ein Zwangsakt und ein von der Mitbeteiligten zu befolgender Duldungsbefehl, bei dessen Missachtung die Mitbeteiligte damit rechnen musste, dass der von der Behörde erwünschte Zustand zwangsweise wiederhergestellt worden wäre.
Es ist daher zu prüfen, ob die Vorgangsweise rechtswidrig war.
Den einschreitenden Organen ist es unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gestattet, jene Maßnahmen zu setzen, die für den reibungslosen Ablauf einer glücksspielrechtlichen Kontrolle notwendig sind, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er würde zwar die Durchführung einer Kontrolle vorsehen, den kontrollierenden Organen aber nicht gestatten, Maßnahmen zu setzen, die einen zweckdienlichen Ablauf ermöglichen. Die Durchführung von Kontrollen nach dem GSpG erfolgt zu dem Zweck, Eingriffe in das Glücksspielmonopol hintanzuhalten. Dazu werden im Rahmen dieser Kontrollen die Lokalitäten, bezüglich derer der Verdacht besteht, dass in ihnen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, aufgesucht und betreffend vorgefundene Glücksspielgeräte eine Überprüfung dahin vorgenommen, ob mit diesen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 3 GSpG durchgeführt wurden. Bei diesen Kontrollen, die nicht nur vereinzelt, sondern regelmäßig durchgeführt werden, kommt es naturgemäß zu sich immer wieder wiederholenden Abläufen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist dabei das Überraschungsmoment und die Unkenntnis der Inhaber der kontrollierten Betriebe vom genauen Kontrollablauf. Würde die genaue Vorgehensweise bei glücksspielrechtlichen Kontrollen - ebenso wie bei Kontrollen nach anderen Vorschriften - dem von den Kontrollen betroffenen Personenkreis bekannt sein, so bestünde die Gefahr, dass durch entsprechende Maßnahmen versucht wird, den Zweck der Kontrolle zu vereiteln. Außerdem könnten Parteien und Zeugen durch Abspielen auch nur von Teilen der gefilmten Amtshandlung beeinflusst werden. Aufgrund dieser Überlegungen besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, Videoaufzeichnungen derartiger Kontrollen zu unterbinden, welche die Gefahr ihrer schnellen Verbreitung und Veröffentlichung in sich tragen. Der Behörde kann daher ein Interesse nicht abgesprochen werden, die Anfertigung von Videoaufnahmen der Amtshandlung, auf deren weiteren Verwendung sie keinerlei Einfluss hat, zu unterbinden.
Insbesondere spricht auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte der anwesenden Organwalter gegen eine Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Diese sind davor zu schützen, dass ihr Bildnis als Kontrollen nach dem GSpG durchführende Organe verbreitet wird.
Das nur hypothetische Interesse der Mitbeteiligten an der Anfertigung der Aufnahmen, welches laut dem angefochtenen Bescheid im Wesentlichen darin bestanden haben soll, Beweismaterial für etwaige Rechtswidrigkeiten der einschreitenden Organe zu sammeln, überwiegt die Interessen der einschreitenden Organe bzw. Behörde nicht. Im Übrigen stehen dafür in der Regel andere Beweismittel zur Verfügung.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen war das temporäre Abdecken der Videokamera im Beschwerdefall verhältnismäßig und nicht rechtswidrig.
Unabhängig von der Frage, ob die Mitbeteiligte überhaupt berechtigt war, eine Videoüberwachung durchzuführen, belastete die belangte Behörde, indem sie die von den einschreitenden Organen gesetzte Maßnahme für rechtswidrig erklärte, den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser jedenfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Zur Amtsbeschwerde des zweitbeschwerdeführenden Finanzamtes (Zl. 2012/17/0435):
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermittelt die Begründung einer Parteistellung im Verwaltungsverfahren durch das Gesetz nicht ohne weiteres die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof. Gemäß Art 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kommt es darauf an, ob die Partei, im vorliegenden Fall die Organpartei, durch den Bescheid in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. In Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessenssphäre zukommt, ist dieser Organpartei lediglich die Beschwerdelegitimation zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse eingeräumt. Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG unter dem Gesichtspunkt der Relevanz vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/07/0028).
Nach der im vorliegenden Fall für die Rechtsstellung des zweitbeschwerdeführenden Finanzamtes maßgebenden Bestimmung des § 67b Z. 2 AVG war diesem im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Parteistellung und damit auch die prozessualen Rechte einer Partei (u.a. Recht auf Akteneinsicht, auf Berufungserhebung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung, etc.) eingeräumt. Subjektive öffentliche Rechte des materiellen Rechtes könnten demgegenüber dem zweitbeschwerdeführenden Finanzamt nur auf Grund einer Regelung des Materiengesetzgebers zustehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0063).
Die Regelungen über die Durchführung von Beschlagnahmen nach dem GSpG dienen dem öffentlichen Interesse, Eingriffe in das Glücksspielmonopol zu unterbinden. Öffentliche Interessen begründen in der Regel keine materiellen subjektiven Rechte einer Verfahrenspartei, sofern der Gesetzgeber dies nicht anordnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0110). Eine solche Anordnung enthält das Glücksspielgesetz nicht. Zur Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit dient die ausdrückliche Berechtigung der Bundesministerin für Finanzen zu Erhebung der Amtsbeschwerde in § 50 Abs. 7 GSpG.
Auch aus der Anordnung des § 50 Abs. 5 GSpG kann im Beschwerdefall für das zweitbeschwerdeführende Finanzamt nichts gewonnen werden, weil die Bestimmung für die Berechtigung der Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde nicht einschlägig ist; sie räumt lediglich die Möglichkeit ein, "Berufung gegen Bescheide und Einsprüche gegen Strafverfügungen" zu erheben.
Das zweitbeschwerdeführende Finanzamt kann daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur die Verletzung der ihm im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat eingeräumten Parteirechte geltend machen. In der vorliegenden Beschwerde wird eine Verletzung von derartigen Parteirechten nicht behauptet. Das zweitbeschwerdeführende Finanzamt macht nämlich einerseits geltend, es seien unrichtige bzw. nicht ausreichende Feststellungen getroffen worden, andererseits wird ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Die Überprüfung des angefochtenen Bescheids aufgrund der vorliegenden Beschwerde des Finanzamtes in diese Richtung ist dem Verwaltungsgerichthof aber aufgrund der eingeschränkten Beschwerdelegitimation des zweitbeschwerdeführenden Finanzamtes verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/03/0093).
Da das zweitbeschwerdeführende Finanzamt, somit nicht die Verletzung von ihm zustehenden Parteirechten geltend gemacht hat, war seine Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am