VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0090
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der M GmbH in S, vertreten durch Martin Friedl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. ZRV/0073-Z2L/08, betreffend Eingangsabgaben samt Abgabenerhöhung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das (damalige) Zollamt Linz erließ gegenüber der beschwerdeführenden GesmbH (Beschwerdeführerin) einen mit datierten Bescheid mit folgendem Spruch:
"Zu den in den beiliegenden Berechnungsblättern, die einen Bestandteil dieses Bescheides bilden, angeführten Zeitpunkten hat die Firma (Beschwerdeführerin) die in den Berechnungsblättern näher beschriebenen eingangsabgabenpflichtigen Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen Für die Firma (Beschwerdeführerin) ist dadurch gemäß Art. 203 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 erster Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld für diese Waren laut Berechnungsblatt in der Höhe von
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Abgabe: | Betrag in EUR: |
Zoll (A00) | 209.247,93 |
Einfuhrumsatzsteuer (B00) | 1.053.283,25 |
Summe | 1.262.531,18 |
entstanden.
Als Folge der Entstehung dieser Eingangsabgabenschuld ist gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG weiters eine Abgabenerhöhung laut Berechnungsblätter im Betrag von EUR 52.284,78 zu entrichten.
Die oben angeführten Eingangsabgaben und die Abgabenerhöhung wurden gemäß Art. 217 Abs. 1 ZK buchmäßig erfasst und werden gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt.
Die Fälligkeit tritt nach § 73 ZollR-DG mit Beginn des Tages ein, an dem die Abgaben spätestens zu entrichten sind.
Gesamtbetrag: EUR 1.314.815,96 "
In der Begründung führte das Zollamt aus, mit näher angeführten Zollanmeldungen seien Furnierblätter mit einer Dicke von 6 mm oder weniger der Warennummern 4408 1099 00 "bzw." 4408 9095 00 jeweils unrichtigerweise in die in den angeschlossenen Berechnungsblättern in der Spalte "TNr. lt. Anm." angegebenen Warennummern eingereiht worden. Weiters seien aus den Berechnungsblättern ersichtliche Waren als furniertes Holz in die Position 4407 der KN statt richtig in die Warennummer 4412 9980 90 eingereiht worden. Schließlich sei der Zollwert zu Unrecht zu niedrig angegeben worden.
Eine dagegen erhobene Berufung wies das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom eine (Administrativ )Beschwerde.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die (Administrativ )Beschwerde mit folgendem Spruch:
"Der Spruch der angefochtenen Berufungsvorentscheidung wird wie folgt geändert:
Der Bescheid vom , Zl. ... wird betreffend der in der Beilage 1, die einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet, angeführten Einfuhrfälle (lfd. Nrn. 1 bis 104) dahingehend geändert, dass für die (Beschwerdeführerin) die Einfuhrabgabenschuld jeweils gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchst. a) und Abs. 3 zweiter Satz Zollkodex (ZK) entstanden ist.
Der Zoll betreffend die Anmeldung WE-Nr. ... wird mit
EUR 'null' statt wie bisher mit EUR 1.440,47 festgesetzt. Die nacherhobenen Zollbeträge in Höhe von insgesamt EUR 209.247,93 werden auf den Gesamtbetrag von EUR 207.807,46 herabgesetzt.
Die Abänderung der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuerbeträge unterbleibt gemäß § 72a ZollR-DG im Hinblick auf die nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigte Beschwerdeführerin.
Die Festsetzung der Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von insgesamt EUR 52.284,78 wird auf den Gesamtbetrag von EUR 11.569,94 herabgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen, die Höhe der einzelnen Abgabenerhöhung und die Gegenüberstellung sind den angeschlossenen 104 Berechnungsblättern sowie der Beilage 2, die einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bilden, zu entnehmen."
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, weshalb es sich bei den angemeldeten Waren um jene handle, welche in die vom Zollamt angeführte Warennummer einzureihen gewesen seien. Mit den in den 104 Zollanmeldungen angegebenen Warenbezeichnungen liege in keinem der Einfuhrfälle jedoch eine derart krasse Fehlbezeichnung vor, dass die tatsächlich vorhandenen Lamellen oder Furnierhölzer nicht als davon umfasst angesehen werden könnten. Aus einer Fehltarifierung allein vermöge die belangte Behörde ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nicht abzuleiten. Im Beschwerdefall lägen auch sonst keine Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass die erklärten Waren nicht von den jeweiligen Zollanmeldungen umfasst sein sollten. Es ergäben sich auch keine Hinweise darauf, dass die jeweiligen Anmelder nicht davon hätten ausgehen können, dass sich die Überlassung auf die von ihnen angemeldeten und in der Folge weggebrachten Waren beziehe. Daher sei die Zollschuld nach Art. 201 des Zollkodex entstanden.
Eine nachträgliche buchmäßige Erfassung und Mitteilung der Einfuhrumsatzsteuer hätte gemäß § 72a ZollR-DG zu unterbleiben gehabt. Allerdings sei im Beschwerdefall die Einfuhrumsatzsteuer bereits buchmäßig erfasst und auch entrichtet worden. Diesfalls habe auch die Abänderung der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsweg zu unterbleiben, es sei denn, dass der Steuerschuldner ausdrücklich anderes verlange. Ein derartiges ausdrückliches Verlangen liege aber nicht vor, weshalb in der Höhe der buchmäßig erfassten und mitgeteilten Einfuhrumsatzsteuer keine Änderung eintrete.
Die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG sei lediglich vom Differenzbetrag zwischen der entstandenen Eingangsabgabenschuld und der bereits im Gefolge der Zollanmeldungen buchmäßig erfassten Eingangsabgabenschuld zu entrichten.
Dem in der (Administrativ )Beschwerde erhobenen Vorwurf, die in Rede stehenden Eingangsabgaben seien mit Bescheid vom mitgeteilt worden, während die buchmäßige Erfassung erst am stattgefunden habe, halte die belangte Behörde entgegen, dass der in Rede stehende Bescheid des Zollamtes der Beschwerdeführerin erst am zugestellt und dadurch die am durchgeführte buchmäßige Erfassung erst danach, nämlich am , mitgeteilt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht "auf Nichtmitteilung buchmäßig nicht erfasster Abgabenbeträge", im Recht "auf Nichtunterbleiben der 'Abänderung der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuerbeträge'" und im Recht "auf Nichtfestsetzung von Abgabenerhöhungen" verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird. Die Einfuhrzollschuld entsteht gemäß Art. 201 Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.
Gemäß Art. 217 Abs. 1 ZK muss jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhrabgabenbetrag unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige stattdessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung). Die Einzelheiten der buchmäßigen Erfassung der Abgabenbeträge werden gemäß Art. 217 Abs. 2 ZK von den Mitgliedstaaten geregelt.
Entsteht eine Zollschuld durch die Annahme der Zollanmeldung einer Ware zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, so erfolgt gemäß Art. 218 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des dieser Zollschuld entsprechenden Betrages grundsätzlich unmittelbar nach Berechnung dieses Betrages, spätestens jedoch am zweiten Tag nach dem Tag, an dem die Ware überlassen worden ist.
Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach Art. 218 ZK oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrages oder des nachzuerhebenden Restbetrages innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).
Gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.
Gemäß § 72 Abs. 2 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) sind für die buchmäßige Erfassung der Abgabenbeträge § 213 Abs. 2 und 4 sowie § 214 Abs. 1 letzter Satz BAO maßgebend.
Gemäß § 74 Abs. 1 ZollR-DG gilt die Mitteilung nach Art. 221 ZK als Abgabenbescheid.
Abgabenbescheide werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - durch Zustellung.
Die in Art. 217 Abs. 1 ZK erwähnte buchmäßige Erfassung stellt eine rein innerdienstliche Tätigkeit der Zollbehörden dar, welche die Entstehung der Abgaben nicht berührt und von der - gem. § 74 Abs. 1 ZollR-DG als Bescheid geltenden - Mitteilung des buchmäßig erfassten Abgabenbetrages zu unterscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/16/0097, VwSlg 8.375/F).
Die Beschwerdeführerin trägt vor, ihrem Abgabenkonto sei ein Eintrag vom zu entnehmen, wonach ein Betrag von 1,314.815,96 EUR am gebucht worden sei. Am sei demnach eine nicht näher aufgeschlüsselte Lastschrift in Höhe von 1,314.815,96 EUR erfolgt, es handle sich jedoch dabei nicht um den genauen Betrag der einer Zollschuld entsprechenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben. Diese Lastschrift sei das vermutliche Ergebnis einer Rechenoperation, das im "vorgelagerten" Abgabenbescheid vom mit diesem Betrag beziffert worden sei. Die bescheidförmige Mitteilung der buchmäßigen Erfassung vom "" (richtig wohl ; die Beschwerdeführerin verwechselt das Datum der buchmäßigen Erfassung offensichtlich mit jenem in dem sie betreffenden mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/16/0184, erledigten insoweit ähnlich gelagerten Beschwerdefall) sei entgegen Art. 221 ZK vor der Mitteilung erfolgt.
Der im angefochtenen Bescheid getroffenen aktenmäßig gedeckten Feststellung der belangten Behörde, der mit datierte Bescheid des Zollamtes sei der Beschwerdeführerin am zugestellt worden, tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Da die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung erst mit der Zustellung dieser als Abgabenbescheid geltenden Mitteilung am wirksam geworden ist, sohin nach der am erfolgten buchmäßigen Erfassung, erweist sich diese Rechtsrüge der Beschwerdeführerin als unberechtigt.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Unzuständigkeit der belangten Behörde darin sieht, dass diese das Entstehen der Zollschuld auf Art. 201 ZK und nicht auf Art. 203 ZK gestützt hat, übersieht sie, dass die von ihr vermisste Sachidentität angesichts des vom Zollamt im erstinstanzlichen Bescheid und ebenso von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommenen Sachverhaltes der Anmeldung näher beschriebener Waren und der Anführung bestimmter Warennummern durchaus gegeben ist. Die rechtlich unterschiedliche Qualifikation dieses Sachverhaltes, nämlich die Entstehung der Zollschuld nach Art. 201 Zollkodex wie es die belangte Behörde angenommen hat, oder nach Art. 203 Zollkodex, weil das Zollamt im erstinstanzlichen Bescheid darin ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung gesehen hat, ändert an der Sachidentität und damit an der Zuständigkeit der belangten Behörde nichts (vgl. auch das dieselbe Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/16/0184).
Im geltend gemachten Recht auf "Nichtmitteilung eines buchmäßig nicht erfassten Abgabenbetrages" wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid sohin nicht verletzt.
Gemäß § 72a ZollR-DG hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 220 ZK in Verbindung mit Art. 201 ZK, die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer in Bescheiden gemäß § 201 BAO sowie die Abänderung der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsweg zu unterbleiben, soweit der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, es sei denn, dass der Steuerschuldner ausdrücklich anderes verlangt. Die Einfuhrumsatzsteuer ist aber jedenfalls zu erheben, wenn ein unrichtiger Steuersatz zur Anwendung gelangt ist oder eine Ware, die nicht von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist, unversteuert in den freien Verkehr übergeführt worden ist.
Den Feststellungen der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt und habe kein ausdrückliches Verlangen gestellt, die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsweg abzuändern, tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen.
Im geltend gemachten Recht auf "Nichtunterbleiben der Abänderung der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuerbeträge" wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid daher nicht verletzt.
§ 108 ZollR-DG samt Überschrift lautet:
Abgabenerhöhung
§ 108. (1) Entsteht außer den Fällen des Abs. 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Zollbehörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am entstandenen Nebenanspruch trifft. § 80 Abs. 1 ist sinngemäß anwendbar. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 bleibt unberührt.
(2) Durch Entrichtung einer Abgabenerhöhung in Höhe des verkürzten Eingangs- oder Ausgangsabgabenbetrages kann sich ein Reisender, der hinsichtlich mitgeführter Waren eine Zollzuwiderhandlung begeht, von der Verfolgung eines dadurch begangenen Finanzvergehens befreien, wenn der auf die Waren entfallende Eingangs- oder Ausgangsabgabenbetrag nicht mehr als 400 Euro beträgt und der Reisende schriftlich auf die Einbringung eines Rechtsbehelfs (§§ 85a ff.) und auf einen Antrag nach
Artikel 236 ZK verzichtet. Dies gilt nicht, wenn die Überlassung der Waren wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zulässig ist. Die Regelung ist auch anwendbar, wenn keine Eingangs- oder Ausgangsabgaben zu erheben sind."
Die Beschwerdeführerin trägt vor, im "Erstbescheid" (dem mit datierten Bescheid des Zollamtes) sei ausdrücklich behauptet worden, die Abgabenerhöhung sei "buchmäßig erfasst" worden, sodass diese der Beschwerdeführerin (nur) "mitgeteilt" werde. Die Abgabenerhöhung sei solcherart (noch) nicht festgesetzt worden.
Nun mag die im angefochtenen Bescheid dazu geäußerte Rechtsansicht, dass die Abgabenerhöhung gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG wie die Einfuhrabgaben und die sonstigen Eingangsabgaben buchmäßig zu erfassen und dem Zollschuldner mitzuteilen sei und die Vorschreibung der Abgabenerhöhung unter Verwendung des Begriffes Festsetzen im Spruch des betreffenden Bescheides nicht erforderlich sei, insoweit nicht zutreffen als damit zum Ausdruck käme, dass es bei der Abgabenerhöhung keiner Festsetzung bedürfe. Tatsächlich entsteht der Abgabenanspruch für eine Abgabenerhöhung erst durch die Festsetzung. In der vom Zollamt gewählten
Formulierung "ist eine Abgabenerhöhung im Betrag von ..... zu
entrichten" kann jedoch eine Festsetzung erblickt werden. Die diesbezügliche Rechtsrüge der Beschwerdeführerin erweist sich daher als unberechtigt.
Der angefochtene Bescheid leidet hinsichtlich der festgesetzten Abgabenerhöhung jedoch an folgender vom Beschwerdepunkt umfassten und vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit:
Mit der Finanzstrafgesetznovelle 2010, BGBl. I Nr. 104/2010 wurde dem Finanzstrafgesetz folgender § 30a samt Überschrift eingefügt:
"Strafaufhebung in besonderen Fällen (Verkürzungszuschlag)
§ 30a. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, eine Abgabenerhöhung von 10 % der im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme festgestellten Nachforderungen, soweit hinsichtlich der diese begründenden Unrichtigkeiten der Verdacht eines Finanzvergehens besteht, festzusetzen, sofern dieser Betrag für ein Jahr (einen Veranlagungszeitraum) insgesamt 10.000 Euro, in Summe jedoch 33.000 Euro nicht übersteigt, sich der Abgabe- oder Abfuhrpflichtige spätestens 14 Tage nach Festsetzung der Abgabennachforderung mit dem Verkürzungszuschlag einverstanden erklärt oder diesen beantragt und er auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Festsetzung der Abgabenerhöhung wirksam verzichtet. Werden die Abgabenerhöhung und die dieser zugrunde liegenden Abgabennachforderungen innerhalb eines Monats nach deren Festsetzung tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung zur Gänze entrichtet, so tritt die Straffreiheit hinsichtlich der im Zusammenhang mit diesen Abgabennachforderungen begangenen Finanzvergehen ein. Ein Zahlungsaufschub darf nicht gewährt werden.
(2) Werden mehrere Überprüfungsmaßnahmen gleichzeitig ...
(3) Tritt wegen Nichteinhaltung der Erfordernisse des Abs. 1 Straffreiheit nicht ein, so entfällt ab diesem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenerhöhung. Allenfalls bis dahin entrichtete Beträge sind gutzuschreiben.
(4) Im Falle einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Abgabenerhöhung unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
(5) Unbeschadet des § 108 Abs. 2 ZollR-DG ist die Festsetzung einer Abgabenerhöhung im Zusammenhang mit Zöllen und mit Abgaben, die von den Zollämtern zu erheben sind, unzulässig.
(6) Die Festsetzung einer Abgabenerhöhung ist weiters ausgeschlossen, wenn hinsichtlich der betroffenen Abgaben bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig ist, ...
(7) Die Festsetzung der Abgabenerhöhung stellt keine Verfolgungshandlung dar. Die strafrechtliche Verfolgung einer weiteren ...
(8) Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des § 3 BAO."
§ 265 Abs. 1p FinStrG lautet:
"(1p) Die Änderungen im Finanzstrafgesetz in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 104/2010, treten mit in Kraft. Dabei gilt: Die §§ 38, 39, 40 und 44 in der vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2010 geltenden Fassung sind auf vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2010 begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden. Die Änderungen der Zuständigkeitsgrenzen der §§ 53 und 58 sind auf Verfahren, die bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2010 bei den Staatsanwälten, Gerichten und Spruchsenaten bereits anhängig sind, nicht anzuwenden. Auf zum anhängige Rechtsmittel gegen Bescheide über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist § 83 Abs. 2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden."
§ 30a FinStrG ist somit am in Kraft getreten. Die Bestimmung des § 30a Abs. 5 FinStrG ist eine Verfahrensbestimmung, die somit ab Inkrafttreten anwendbar ist. Dass die Abgaben, hinsichtlich welcher die Abgabenerhöhung vorgesehen ist, erst nach Inkrafttreten entstanden sein sollten, ist weder der Bestimmung des § 30a FinStrG noch der Inkrafttretensbestimmung (mangels entsprechender Übergangsbestimmungen) zu entnehmen.
§ 30a Abs. 5 FinStrG spricht deutlich und keinen Zweifel offen lassend davon, dass die Festsetzung einer Abgabenerhöhung im Zusammenhang mit Zöllen und mit Abgaben, die von den Zollämtern zu erheben sind, unzulässig ist. Davon ausgenommen wird ausdrücklich die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 2 ZollR-DG. § 30a Abs. 5 FinStrG spricht von "einer Abgabenerhöhung" und nicht von "der Abgabenerhöhung". Damit ist nicht lediglich die Festsetzung "der" Abgabenerhöhung nach § 30a Abs. 1 leg.cit., sondern die Festsetzung jeglicher Abgabenerhöhung (eben unbeschadet der nach § 108 Abs. 2 ZollR-DG) im Zusammenhang mit Zöllen und von den Zollämtern zu erhebenden Abgaben unzulässig. Somit ist mit der Bestimmung des § 30a Abs. 5 FinStrG als lex posterior der Bestimmung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG materiell derogiert. Angesichts der ausdrücklichen Erwähnung des § 108 ZollR-DG in § 30a Abs. 5 FinStrG kann auch nicht davon gesprochen werden, dass
§ 108 Abs. 1 ZollR-DG die speziellere Regelung gegenüber der Bestimmung des § 30a Abs. 5 FinStrG wäre.
Wäre lediglich der Ausschluss der strafbefreienden Wirkung einer Abgabenerhöhung oder die Anwendung des § 30a auf die von den Zollämtern zu erhebenden Abgaben beabsichtigt gewesen, so hätte dem durch eine Regelung wie etwa "§ 30a ist im Zusammenhang mit Zöllen und von den Zollämtern zu erhebenden Abgaben nicht anzuwenden" oder "§ 30a ist in Angelegenheiten des Zollrechts nicht anzuwenden" entsprochen werden können.
Somit ist ab Inkrafttreten des § 30a FinStrG, ab , die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG unzulässig.
Gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen, und für die Aussetzung der Vollziehung die diesbezüglichen Regelungen der BAO, soweit die im ZollR-DG enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.
Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in den hier nicht interessierenden Fällen des § 289 Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0149) hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist.
Auch im Falle der Festsetzung einer Abgabenerhöhung hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen.
Dergestalt erweist sich - da die belangte Behörde § 30a Abs. 5 FinStrG anzuwenden gehabt hätte - die Festsetzung einer Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG im Beschwerdefall als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit die Festsetzung einer Abgabenerhöhung betroffen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am