VwGH vom 26.11.2015, 2012/15/0204

VwGH vom 26.11.2015, 2012/15/0204

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des P D in S, vertreten durch die Deloitte Wirtschaftsprüfung Styria GmbH, Wirtschaftsprüfer in 8010 Graz, Villefortgasse 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0857-G/11, betreffend Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsbürger, sprach am beim Finanzamt vor und beantragte die Vergabe einer UID-Nummer für die Tätigkeit "Montage und Demontage von vorgefertigten Winkelprofilen und Fachböden durch einfache Schraubverbindungen" sowie "Abdichtung gegen Feuchtigkeit und Druckwasser". Er gab über Befragung u.a. zu Protokoll, das Unternehmen sei an seinem österreichischen Wohnsitz etabliert. Das Büro befinde sich im Wohnzimmer der ca. 35 m2 großen Wohnung. Er habe einen Laptop, Drucker, Mappen etc. Firmenschild gebe es keines, Visitenkarten habe er nicht. Seine Frau und seine beiden Kinder lebten in Polen. Er fahre einmal im Monat nach Hause und bleibe solange dort, bis er (telefonisch) wieder einen Auftrag erhalte.

Um in Österreich ohne Beschäftigungsbewilligung arbeiten zu können, habe der Beschwerdeführer 2006 die Gewerbe "Montage und Demontage von vorgefertigten Winkelprofilen und Fachböden durch einfache Schraubverbindungen" sowie "Abdichtung gegen Feuchtigkeit und Druckwasser" angemeldet. Er habe diese Tätigkeiten nicht gelernt, verfüge aber über handwerkliches Geschick. Er besitze ein Kraftfahrzeug und eigenes Werkzeug ("Silikonspritze, Spachtel, Fön, kleine Bohrmaschine, eine kleine Werkzeugkiste, Handwerkzeug, Handwasserwaage etc."). Material wie Silikon würden von allen Firmen beigestellt. Um an Aufträge zu gelangen, fahre er zu Firmen, hinterlasse dort seine Telefonnummer und warte auf einen Rückruf.

Anlässlich der Vorsprache legte der Beschwerdeführer vier Rechnungen an die B GmbH und sieben Rechnungen an die K GmbH vor und führte zur Abwicklung der den Rechnungen zugrundeliegenden Leistungen u.a. aus:

"Ich bekommen den Termin, wann es fertig sein muss. Ich kann es mir frei einteilen, an welchen Tagen ich wie viele Stunden arbeite: es kann sein, dass ich an einem Tag 5 Stunden arbeite oder drei Tage hindurch 12 Stunden, dann habe ich zB 2 Tage frei. Der Preis ist vorher ausgemacht, ich muss dann nur Bescheid geben, wenn ich fertig bin. Meine Arbeit wird kontrolliert zB am nächsten Tag auf der Baustelle. Bei Reklamationen muss ich nochmals kommen und es reparieren oder neu machen. Die Zeit dafür kann ich nicht verrechnen, ich gebe 3 Jahre Garantie auf meine Fugen. Es war schon ein paar Mal der Fall, dass ich etwas ausbessern musste. Wenn ich krank bin, muss ich nicht Bescheid geben."

Der als Vertrauensperson des Beschwerdeführers anwesende Geschäftsführer der K GmbH gab bei der Vorsprache u.a. zu Protokoll, dass die Vorlaufzeit der von der K GmbH abgewickelten Projekte mehrere Wochen bzw. Monate betrage und der Beschwerdeführer meist ca. zwei Wochen vor Arbeitsbeginn kontaktiert werde, weil er "ja der letzte auf der Baustelle" sei. Derzeit sei der Beschwerdeführer der einzige, der Abdichtungsarbeiten für die K GmbH durchführe. Vorher habe man es über Leihfirmen versucht. Diese Arbeiter seien aber unzuverlässig gewesen, wohingegen der Beschwerdeführer bisher noch jeden Fertigstellungstermin eingehalten habe. Vor kurzem sei dem Beschwerdeführer eine Fixanstellung angeboten worden, wenn es mehr Aufträge gebe. "Dies habe (der Beschwerdeführer) verneint, weil er zB nicht immer um 7 Uhr auf der Baustelle sein will". Laut Protokoll brachte der Beschwerdeführer in Bezug auf die angebotene Fixanstellung noch vor, "er müsste dann das ganze Monat in Österreich bleiben, nur am Wochenende nach Hause zu fahren ist zu kurz, das geht sich nicht aus. Er habe dann zu wenig Freizeit, zu wenig Zeit für seine Familie".

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Vergabe einer UID-Nummer mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer über keine entsprechenden Betriebsmittel verfüge und bei den von ihm durchgeführten Arbeiten kein zu verarbeitendes Material beistelle. Bei der ausgeübten Tätigkeit (Abdichten von Verglasungen mit Silikon, Ausschäumen von Glasgeländern, Abdichten von Boden- und Deckenanschlüssen) handle es sich um einfache Hilfsarbeiten, die der Beschwerdeführer im unmittelbaren zeitlichen Ablauf mit anderen Unternehmern ausführe. Die Hilfsarbeiten bzw. einfachen manipulativen Tätigkeiten stellten nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt Dienstleistungen und kein selbständiges Werk dar. "Der (Beschwerdeführer) stellt lediglich seine Arbeitskraft als (freier) Dienstnehmer zur Verfügung und ist folglich dadurch in gleicher Weise dem Willen seines 'Auftraggebers'/Beschäftigers unterworfen wie dies bei einem (freien) Dienstnehmer der Fall wäre". Es sei von einer Integration des Beschwerdeführers in den Betrieb des Auftraggebers/Beschäftigers und von einem (fallweisen) Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen.

Der Beschwerdeführer berief gegen den Abweisungsbescheid und begründete die Berufung im Wesentlichen damit, dass mit seinen Auftraggebern lediglich ein bestimmter Zeitrahmen bzw. Zeitpunkt, bis zu welchem die in Auftrag gegebenen Leistungen zu erbringen seien, vereinbart worden sei. Er habe - abgesehen von der notwendigen Kooperation vor Ort - bestimmt, auf welche Weise bzw. wann er die beauftragten Leistungen erbringe. Nach Abschluss der Tätigkeit seien die Leistungen - wohl für eine Selbständigkeit auch typisch - in Form einer Prüfung abgenommen worden. Leistungen aufgrund von Reklamationen habe er nicht verrechnen können und das vereinbarte Pauschalhonorar sei nur dann zur Auszahlung gelangt, wenn die vereinbarte Leistung vollständig und mängelfrei erbracht worden sei. Insbesondere dadurch unterscheide sich seine Tätigkeit von der eines Hilfsarbeiters. Er verfüge über das für die Erbringung der beauftragten Leistungen erforderliche Werkzeug, ein eigenes Büro, einen Firmen PKW und könne sich für die Zukunft die Beschäftigung eines Mitarbeiters vorstellen. Eine Vertretungsmöglichkeit sei ebenfalls gegeben. Weiters werde er selbständig zur Einkommensteuer veranlagt und es bestehe eine Pflichtversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes und der gelebten Praxis sei in Bezug auf seine Tätigkeit von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das Finanzamt habe anlässlich der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift versucht, den Sachverhalt möglichst genau zu ermitteln. Der Beschwerdeführer verweile nach eigenen Angaben bei seiner Familie in Polen, bis er telefonisch einen Auftrag erhalte. Er müsse dann nicht am nächsten Tag da sein, weil die Projekte eine längere Vorlaufzeit hätten und er der Letzte auf der Baustelle sei. Er bekomme das benötigte Material von seinen Auftraggebern zur Verfügung gestellt und rechne mit diesen pauschal ab. Den Termin für die Fertigstellung müsse er exakt einhalten. Seine Arbeit werde am nächsten Tag auf der Baustelle kontrolliert. Er arbeite nur für eine Firma. Wenn diese mehr Arbeit habe, bekomme auch er automatisch mehr Aufträge. An Baubesprechungen nehme er nicht teil und seine Firma "scheint auch nicht in Protokollen auf".

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers (Anbringen von Silikonfugen) beginne demnach erst, wenn die Vorarbeiten abgeschlossen seien. Die Leistungserbringung ermögliche nach Art und Inhalt keinen Gestaltungsspielraum, weshalb sich genaue Arbeitsanweisungen erübrigten. Es handle sich um einfache Tätigkeiten, die keine besondere Ausbildung erforderten und so einfach erbracht werden könnten, dass keine weiteren Instruktionen erforderlich seien. Eine Weisungsungebundenheit sei daraus nicht ableitbar. Die persönliche Situation des Beschwerdeführers sei vielmehr von einer weitreichenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit gekennzeichnet. Er arbeite nur für ein Unternehmen und sei von dessen Auslastung abhängig. Nach außen scheine das Unternehmen des Beschwerdeführers nicht auf. Seine Tätigkeit umfasse einfache Hilfsarbeiten, die im unmittelbaren zeitlichen Ablauf zu von anderen zu erbringenden Dienstleistungen stünden. Die Hilfsarbeiten stellten sich als unverzichtbarer Bestandteil der zu erbringenden Gesamtleistung des Auftraggebers und nicht als selbständiges Werk des Beschwerdeführers dar.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Vornahme von Verspachtelungsarbeiten auf Baustellen durch Hilfskräfte, die weder über eine eigene nennenswerte unternehmerische Organisation, noch über wesentliche Betriebsmittel verfügten und die bei Aufnahme ihrer Tätigkeit letztlich nur über ihre eigene Arbeitskraft disponierten, nicht als Errichtung eines eigenständigen Werkes anzusehen, weshalb diese Arbeit nicht als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren sei. Auch die Tätigkeit "Abdichten gegen Feuchtigkeit und Druckwasser" könne unter den Begriff "einfache Hilfstätigkeiten", für die der Beschwerdeführer nur seine Arbeitskraft schulde, subsumiert werden. Daran ändere die Behauptung, dass eine Vertretungsmöglichkeit gegeben sei, nichts.

Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer die Höhe seiner Einnahmen nach der Kalkulation bestimmen und durch Fleiß oder besonderes Geschick beeinflussen könne. Er arbeite für einen einzigen Auftraggeber, der ausschließlich von sich aus bei Bedarf Kontakt mit dem Beschwerdeführer aufnehme. Eine Eigeninitiative und eine Einflussnahme auf die Einnahmen werden durch den verwirklichten Sachverhalt bereits ausgeschlossen. Da der Beschwerdeführer das Material zur Verfügung gestellt bekomme, sei auch eine ausgabenseitige Beeinflussung seiner Einkünfte (etwa billigerer Materialeinkauf) nicht möglich. Dass die Beistellung von Kleinwerkzeug zu ins Gewicht fallenden Aufwendungen geführt habe, sei im Streitfall nicht erkennbar.

Da es bei der steuerlichen Beurteilung einer Tätigkeit nicht darauf ankomme, in welches äußere Erscheinungsbild die Vertragspartner ihr Rechtsverhältnis kleideten oder welche Beurteilung auf anderen Rechtsgebieten zutreffend sei, sei auch das Bestehen einer Pflichtversicherung bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft nicht von Relevanz.

Auf Grund all dieser Erwägungen vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Unternehmereigenschaft nach dem Gesamtbild der Tätigkeit nicht als erwiesen angenommen werden könne. Der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sei daher zu Recht abgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 28 Abs. 1 UStG 1994 hat das Finanzamt Unternehmern im Sinne des § 2, die im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen.

Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Wer als Arbeitnehmer in einem einkommensteuerlichen Dienstverhältnis steht, kann in der Regel mit dieser Tätigkeit nicht zugleich Unternehmer iSd UStG 1994 sein (vgl. Ruppe/Achatz , UStG4, § 2 Tz 69). Neben der Weisungsgebundenheit, die in § 2 Abs. 2 UStG 1994 genannt ist, zählt das Fehlen eines Unternehmerrisikos zu den bedeutsamen Kriterien der Nichtselbständigkeit (vgl. Ruppe/Achatz , aaO, § 2 Tz 74 ff).

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu befolgen verpflichtet ist. Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers.

Umsatzsteuerrechtlich liegt auch bei Vorliegen eines so genannten freien Dienstvertrages eine selbständige Tätigkeit und daher Unternehmereigenschaft vor (vgl. Ruppe/Achatz , aaO, § 2 Tz 83, die zur Abgrenzung eines sogenannten freien Dienstvertrages von einem normalen Dienstvertrag auf Krejci in Rummel, ABGB3, § 1151 Rz 83 ff, verweisen). Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom normalen Dienstvertrag durch das Fehlen persönlicher Abhängigkeit und von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens. Gegenstand des freien Dienstvertrages sind Dienstleistungen, die nicht in persönlicher Abhängigkeit geleistet werden. Insbesondere besteht keine dem Dienstvertrag vergleichbare Weisungsunterworfenheit und keine Bindung an bestimmte Arbeitszeiten; hingegen die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern. Ein freier Dienstvertrag liegt vor, wenn die Parteien ihr Vertragsverhältnis so unabhängig und frei wie nur möglich gestalten wollen (vgl. Krejci in Rummel, ABGB3, § 1151 Rz 83 ff).

Der Beschwerdeführer gab zur Abwicklung übernommener Aufträge u. a. an, dass das Entgelt für die zu erbringenden Leistungen und der Fertigstellungstermin vor Arbeitsbeginn festgesetzt würden und er frei einteilen könne, an welchen Tagen er wie viele Stunden arbeite. Er könne an einem Tag fünf Stunden arbeiten oder drei Tage hindurch zwölf Stunden. Lediglich der vereinbarte Fertigstellungstermin müsse eingehalten werden. Übereinstimmend mit dem Geschäftsführer der K GmbH führte der Beschwerdeführer weiters aus, er habe das Angebot einer Fixanstellung bei der K GmbH ausgeschlagen, weil er nicht immer um sieben Uhr auf der Baustelle sein möchte und im Falle einer Fixanstellung nur am Wochenende zu seiner Familie nach Polen fahren könnte. Gegenteiliges wurde weder vom Finanzamt noch von der belangten Behörde festgestellt. Der Beschwerdeführer wollte demnach das Vertragsverhältnis zu seinen Auftraggebern so unabhängig und frei wie nur möglich gestalten. Folglich hat er seine Leistungen allenfalls im Rahmen freier Dienstverträge erbracht, wovon offensichtlich auch das Finanzamt ausgegangen ist. Bei Vorliegen eines freien Dienstvertrages aber liegt - wie oben ausgeführt - umsatzsteuerrechtlich eine selbständige Tätigkeit und daher Unternehmereigenschaft vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am