VwGH vom 30.04.2015, 2012/15/0190

VwGH vom 30.04.2015, 2012/15/0190

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg in 8530 Deutschlandsberg, Bahnhofstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0429-G/11, betreffend Einkommensteuer 2008 und 2009 (mitbeteiligte Partei: W H in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Lehrer, der Englisch an einem Gymnasium und an einer Volkshochschule unterrichtet, machte in den Jahren 2008 (1.046,52 EUR) und 2009 (885,58 EUR) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für Fachliteratur als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt führte die Veranlagung zur Einkommensteuer 2008 und 2009 zunächst erklärungsgemäß durch und forderte den Mitbeteiligten in weiterer Folge u.a. auf, die Aufwendungen für Fachliteratur belegmäßig nachzuweisen. Der Mitbeteiligte kam der Aufforderung nur teilweise nach, weshalb das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 gemäß § 299 BAO aufhob und neue Einkommensteuerbescheide erließ, in denen es Aufwendungen für Fachliteratur von 545,32 EUR (2008) bzw. 367,69 EUR (2009) als Werbungskosten berücksichtigte.

Der Mitbeteiligte brachte gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 Berufung ein und führte aus, dass er "offensichtlich Ausführungen der damaligen Sachbearbeiterin missverstanden habe und daher den Nachweis für den Kauf englischer und amerikanischer Tageszeitungen nicht weiter belegt habe". Für den Mitbeteiligten habe "der Nachweis über die Euro 500,- für diese Zeitungen durch das damalige Gespräch auch für die folgenden Jahre als erbracht" gegolten, "eine Auffassung die von der derzeitigen Sachbearbeiterin aber nicht geteilt wird".

Der Berufung lag die Bestätigung einer Trafikantin wie folgt bei:

"Ich bestätige, dass Herr (Mitbeteiligter) in meinem Geschäft seit Jahren englische und amerikanische Zeitungen kauft. Er kauft jede Woche mindestens die Samstagsausgabe des Daily Telegraph (Euro 5,75.-), eine Ausgabe von USA Today (2,20.-) und eine Ausgabe des Guardian (3,00)". Der Berufung waren zudem Quittungen für "engl. u. amerik. Tageszeitungen" bzw. "Zeitungen/Zeitschriften" besagter Trafikantin für die Jahre 2008 und 2009 über den Betrag von je 500 EUR beigelegt.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete die abweisende Erledigung damit, dass Wörterbücher, Tageszeitungen, Reiseführer, für die Allgemeinheit bestimmte Geschichtswerke, Kinderbücher und Romane typischerweise nicht für schulische, sondern für Zwecke der persönlichen Erbauung oder zur Befriedigung eines Kunst- oder Kulturinteresses genutzt würden. Dass solche Werke die berufliche Tätigkeit eines Fremdsprachenlehrers zweifellos förderten und er aus den Werken Anregungen für die Gestaltung des Unterrichts entnehmen könne, ändere daran nichts. Die Aufwendungen für englische und amerikanische Tageszeitungen fielen unter das in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 normierte Abzugsverbot.

Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte im Vorlageantrag u.a. aus, dass ein zeitgemäßer Fremdsprachenunterricht ohne regelmäßige Lektüre vor allem von Zeitungen und Zeitschriften, aber auch von Literatur aller Art nicht möglich sei. Er verwende seit Jahrzehnten diese Art von Texten in allen Oberstufenklassen des Gymnasiums, sehr oft in Unterstufenklassen und selbstverständlich in seiner Arbeit als Erwachsenenbildner. In seiner Kursbeschreibung für die Volkshochschule V werde diese Tatsache eigens angeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und führte aus, dass Aufwendungen für Tageszeitungen in der Regel nicht abzugsfähig seien. Nur bei Personen, deren Berufsausübung unter berufsspezifischen Aspekten eine weit überdurchschnittliche zwingende Auseinandersetzung mit Tagesereignissen mit sich bringe, die im regelmäßigen Erwerb einer Vielzahl (in- und ausländischer) Tageszeitungen zum Ausdruck komme, müsse eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Betrachtungsweise Platz greifen. Das sei dann der Fall, wenn einem Abgabepflichtigen durch das Abonnement vieler verschiedener Zeitungen, aus denen er Informationen beziehe, um sich kritisch mit den Tagesereignissen auseinandersetzen zu können, ein finanzieller Aufwand erwachse, der deutlich über jenem liege, der für die private Lebensführung als üblich bezeichnet werden könne. In einem solchen Fall erweise sich die private Mitveranlassung nur mehr als völlig untergeordnet und stehe der Abzugsfähigkeit nicht entgegen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/15/0198).

Einen solchen Ausnahmefall habe der Verwaltungsgerichtshof auch im Fall einer Französischlehrerin an einer Universität, die Aufwendungen für französische Fachzeitschriften und Fachbücher sowie für einzelne Ausgaben verschiedener fremdsprachiger (englischer und französischer) Tageszeitungen als Werbungskosten geltend gemacht habe, als gegeben angesehen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0064). Die Beschwerdeführerin habe in diesem Fall vorgebracht, die strittige Literatur stehe zur Gänze in einem ursächlichen und direkten Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und diene als Grundlage und unerlässliches Material für den ihr erteilten Unterrichtsauftrag.

Der Mitbeteiligte habe in den Streitjahren Englisch an einem Gymnasium und einer Volkshochschule unterrichtet. "In den Oberstufenklassen des Gymnasiums verwendete er im Unterricht ausschließlich Texte aus der von ihm angeschafften Literatur sowie aus den englischsprachigen Tageszeitungen. Auch in den Unterstufenklassen und in der Erwachsenenbildung (Volkshochschule) verwendete er diese Texte." Der vorliegende Fall sei daher mit jenem vergleichbar, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0064, zugrunde gelegen sei. Das in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 normierte Abzugsverbot käme daher nicht zum Tragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 enthält als wesentliche Aussage ein Verbot des Abzuges gemischt veranlasster Aufwendungen in Bezug auf typischerweise auch der Lebensführung dienenden Wirtschaftsgütern (vgl. Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 20 Tz 3.1). Der Regelung liegt der Gedanke der Steuergerechtigkeit insoweit zu Grunde, als vermieden werden soll, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und dadurch Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann, was unsachlich gegenüber jenen Steuerpflichtigen wäre, die eine Tätigkeit ausüben, die eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten nicht ermöglicht, und die derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0020, VwSlg 8206/F, mwN). Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung gilt in diesem Zusammenhang die typisierende Betrachtungsweise (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0260). Derjenige, der typische Aufwendungen der privaten Lebensführung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend macht, hat im Hinblick auf seine Nähe zum Beweisthema von sich aus nachzuweisen, dass diese Aufwendungen entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung (nahezu) ausschließlich die berufliche bzw. betriebliche Sphäre betreffen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis VwSlg. 8206/F, mwN sowie das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0197).

Aufwendungen für Tageszeitungen sind in der Regel nicht abzugsfähig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0197, und Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 20 Tz 3.1. und 5; Kofler in Doralt, EStG11 § 20 Tz 163, Jakom/ Baldauf EStG, 2015 § 20 Tz 90; jeweils mwN). Eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Betrachtungsweise muss, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , 96/14/0154, und vom , 96/15/0198, VwSlg 7306/F, ausgesprochen hat, bei Personen Platz greifen, deren Berufsausübung unter berufsspezifischen Aspekten eine weit überdurchschnittliche zwingende Auseinandersetzung mit Tagesereignissen mit sich bringt, die im regelmäßigen Erwerb einer Vielzahl verschiedener (in- und ausländischer) Tageszeitungen zum Ausdruck kommt (vgl. nochmals 2010/15/0197). Anderes kann - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 99/14/0064, ausgesprochen hat - auch dann gelten, wenn Zeitschriften ausschließlich für die Vorbereitung, Abhaltung bzw. Ausgestaltung von Lehrveranstaltungen angeschafft werden, was aber vom Steuerpflichtigen - wie eingangs dargelegt - nachzuweisen ist.

Der Mitbeteiligte ist Englischlehrer an einem Gymnasium und zudem in der Erwachsenenbildung tätig. Dass seine Tätigkeit eine weit überdurchschnittliche zwingende Auseinandersetzung mit Tagesereignissen mit sich bringt, ist aus dem allgemein gehaltenen Vorbringen in der Berufung, dass ein zeitgemäßer Fremdsprachenunterricht ohne regelmäßige Lektüre vor allem von Zeitungen und Zeitschriften, aber auch von Literatur aller Art nicht möglich sei, nicht ableitbar. Durch dieses allgemein gehaltene Vorbringen wird auch nicht dargelegt, wieso die in Rede stehenden Aufwendungen für Zeitschriften entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung (nahezu) ausschließlich die berufliche bzw. betriebliche Sphäre betreffen. Dazu hätte es vielmehr - im Streitfall nicht vorliegender - detaillierter Angaben dahingehend bedurft, welche Zeitschriften für welche konkreten Lehrveranstaltungen benötigt wurden. Vom Abzugsverbot nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 abzusehen, bleibt vor diesem Hintergrund kein Raum.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am