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VwGH vom 28.06.2012, 2012/15/0071

VwGH vom 28.06.2012, 2012/15/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs in 3300 Amstetten, Graben 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1600-W/05, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO und Einkommensteuer 2003 (mitbeteiligte Partei: P K M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Arzt, der im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit erzielte, machte in der Einkommensteuererklärung 2003 u.a. die Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend.

Der Einkommensteuerbescheid 2003 vom erging zunächst erklärungsgemäß.

Am erließ das Finanzamt einen Aufhebungsbescheid betreffend Einkommensteuer 2003 und begründete diesen damit, dass die Abgabenbehörde gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben könne, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise. Mit gleichem Datum erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid 2003, in dem es - unter Bezugnahme auf das Ergebnis eines Vorhalteverfahrens - die Kosten für doppelte Haushaltsführung nicht mehr als Werbungkosten berücksichtigte.

Der Mitbeteiligte brachte dagegen am eine Berufung mit folgendem Inhalt ein:

"(Mitbeteiligter)

Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003

Antrag auf Aussetzung gem. § 212a BAO

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom , zugestellt am wird innerhalb offener Frist

Berufung

eingebracht.

Die Berufung richtet sich gegen die Nichtanerkennung der doppelten Haushaltsführung und der damit verbundenen Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens.

Es wird beantragt, die doppelte Haushaltsführung als berufsbedingt anzusehen, die Veranlagung erklärungsgemäß vorzunehmen und den oben angeführten Bescheid als gegenstandslos aufzuheben.

Begründung:

Mit Schreiben vom ersuchte das oben angeführte Finanzamt zur Klärung der beantragten doppelten Haushaltsführung die Einkünfte der Ehegattin des Steuerpflichtigen als Ärztin belegmäßig nachzuweisen. Mit wurde an das (Finanzamt) der Einkommensteuernachweis von (…), der Gattin des Steuerpflichtigen, übersendet. Mit , zugestellt am , erfolgte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2003 vom gemäß § 299 BAO. Der neue Einkommensteuerbescheid 2003, ebenfalls zugestellt am , weicht in seinem Inhalt insoweit von der Steuererklärung ab, als der Mietaufwand für die Wohnung in (M) in Höhe von EUR 4.014,96, das Pendlerpauschale in Höhe von EUR 2.100,-- von den abgezogenen Werbungskosten ausgeschieden wurde. …"

Mit den weiteren - nicht wörtlich wiedergegebenen - Berufungsausführungen legte der Mitbeteiligte im Detail dar, aus welchen Gründen er der Auffassung sei, dass ihm die Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten zustünden.

Das Finanzamt wies die Berufung gegen den "Einkommensteuerbescheid 2003" mit Berufungsvorentscheidung vom ab, woraufhin der Mitbeteiligte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Nach Vorlage der Berufung forderte die belangte Behörde den Mitbeteiligten mit Bescheid vom zur Behebung folgender Berufungsmängel auf:


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"-
Die Berufung enthält keine auf den - lt. Berufungsbegründung auch angefochtenen - Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom gemäß § 299 BAO idgF vom sich beziehende Anfechtungserklärung.
-
Die Berufung enthält keine auf den Bescheid über die
Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom gemäß § 299 BAO idgF vom sich beziehende Erklärung, welche Änderung/en beantragt wird/werden (lit. c.)."
Unter Bezugnahme auf den Mängelbehebungsauftrag vom brachte der Mitbeteiligte in einem Schriftsatz vom sodann Nachstehendes vor:

"A) Bezeichnung des Bescheides gegen den Berufung

eingebracht wird

Gegen den Bescheid über die Aufhebung des

Einkommensteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO vom

wurde am Berufung eingebracht.

B) Welche Änderungen werden beantragt:

Es wird beantragt, den Bescheid gemäß § 299 BAO ersatzlos aufzuheben.

C) Begründung


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Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Begründung in der Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom und auf die Ausführungen im Vorlageantrag an den hingewiesen. Die Berufungsbegründung gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO wird um den Einwand des Ermessensmissbrauchs ergänzt, da die Behörde bei der Ausübung des freien Ermessens, offenbar Umstände in Betracht zieht, die nach dem anzuwendenden Gesetz irrelevant sind. Mangels ausreichender Bescheidbegründung kann darauf nicht näher eingegangen werden."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der "Berufung gegen den Bescheid betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom gemäß § 299 BAO idgF vom " Folge und hob diesen ersatzlos auf. Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom wies sie als unzulässig zurück.
Das Finanzamt habe in der Begründung des Aufhebungsbescheides den Gesetzestext von § 299 Abs. 1 BAO zitiert. Durch Zitieren eines Gesetzestextes würden die Tatbestandsmerkmale aufgezählt, deren Vorhandensein die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der zitierten Gesetzesbestimmung sei. Ein Sachverhalt werde durch Zitieren eines Gesetzestextes nicht festgestellt. Werde der als Aufhebungsgrund verwendete Sachverhalt im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides nicht festgestellt, "ist nicht überprüfbar, ob der vom Finanzamt heran gezogene Aufhebungstatbestand die Bescheidaufhebung rechtfertigte oder ob die Bescheidaufhebung rechtswidrig war. Das Nichtfeststellen des als Aufhebungsgrund verwendeten Sachverhaltes im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides ist daher ein wesentlicher, im Berufungsverfahren nicht sanierbarer, Begründungsmangel." Der Aufhebungsbescheid sei daher aufzuheben gewesen.
Durch die Beseitigung des Aufhebungsbescheides vom trete das Einkommensteuerverfahren 2003 in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden habe. Der mit dem Aufhebungsbescheid verbundene, mit gleichem Datum erlassene Einkommensteuerbescheid 2003 sei damit nicht mehr im Rechtsbestand, weshalb die gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2003 gerichtete Berufung gemäß § 273 Abs. 1 BAO als unzulässig (geworden) zurückzuweisen gewesen sei.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde trägt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über eine Berufung gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom entschieden habe, "obwohl nach der gesamten Aktenlage (Textierung der Berufung und auch des Vorlageantrages) eine solche Berufung eindeutig und unzweifelhaft nicht eingebracht wurde. Aufgrund der Bezeichnung und des Inhaltes der Berufungsschrift wurde ausschließlich nur gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 berufen."
Mit diesem Vorbringen ist das Finanzamt im Recht.
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen. Im Falle einer Berufung ist entscheidend, ob aus ihrem Inhalt hervorgeht, wogegen sie sich richtet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0127, und vom , 2007/15/0041, mwN).
Im Beschwerdefall hat das Finanzamt am einen "Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 Aufhebung gem. § 299 BAO" erlassen. Mit einem weiteren Bescheid vom erließ das Finanzamt gemäß § 299 Abs. 2 BAO den den aufgehobenen Einkommensteuerbescheid 2003 ersetzenden (geänderten) "Einkommensteuerbescheid 2003". Nach Rechtsprechung und Lehre liegen zwei Bescheide vor, die jeder für sich einer Berufung zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (vgl.
Ritz , BAO4, § 299 Tz 45)
Mit Schriftsatz vom brachte der Mitbeteiligte eine Berufung gegen den "Einkommensteuerbescheid 2003 vom " ein, die "sich gegen die Nichtanerkennung der doppelten Haushaltsführung und der damit verbundenen Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens" richtete. Er beantragte, "die doppelte Haushaltsführung als berufsbedingt anzusehen, die Veranlagung erklärungsgemäß vorzunehmen und den oben angeführten Bescheid als gegenstandslos aufzuheben". In der Berufungsbegründung legte er den Gang des Verfahrens (Vorhalt, Vorhaltsbeantwortung, Aufhebungsbescheid, geänderter Einkommensteuerbescheid) und die Gründe dar, aus welchen er der Auffassung sei, dass ihm die Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten gebührten.
Dass mit dem Schriftsatz vom auch gegen den "Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003" berufen wurde, geht aus diesem eindeutig nicht hervor. Die Berufung des Mitbeteiligten vom war nur gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 gerichtet. Für eine Mängelbehebung nach § 85 Abs. 2 BAO verbleibt vor diesem Hintergrund kein Raum. Daraus folgt, dass eine Zuständigkeit der belangten Behörde, den "Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003" im Instanzenzug aufzuheben, mangels einer gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung nicht gegeben war. Soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO betrifft, war er daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Soweit sich das Finanzamt gegen die Zurückweisung der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom wendet, ist es hingegen nicht im Recht.
Durch die Aufhebung des Aufhebungsbescheides gemäß § 299 BAO ist der Einkommensteuerbescheid 2003 vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, weshalb die Zurückweisung der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung im Zeitpunkt seiner Erlassung mit der Rechtslage im Einklang stand. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Im fortzusetzenden Verfahren wird aber zu beachten sein, dass die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobene (Aufhebungs
)Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, und dass ein in Rede stehender Zurückweisungsbescheid infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit dem den (Aufhebungs )Bescheid aufhebenden Erkenntnis beseitigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/14/0032).
Daraus folgt, dass der Zurückweisungsbescheid betreffend die gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom gerichtete Berufung durch Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses an die Verfahrensparteien nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.
Im Übrigen wird auf das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0119, hingewiesen.
Wien, am