VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0088
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der G GmbH in E, vertreten durch die Kotlik Prokopp Stadler GmbH, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in 2353 Guntramsdorf, Klingerstraße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0901-W/10, miterledigt RV/0900-W/10, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2008 samt Zuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Streitpunkt des Beschwerdefalles ist die Heranziehung der beschwerdeführenden GmbH zur Leistung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag in Bezug auf ihre beiden - im Streitjahr 2008 an der GmbH nicht beteiligten - Geschäftsführer.
In ihrer Berufung gegen die nach einer Außenprüfung erfolgte Vorschreibung dieser Beiträge durch das Finanzamt brachte die beschwerdeführende Partei u.a. vor, die bis dahin zu 49 % und zu 51 % an der GmbH beteiligten Geschäftsführer hätten ihre Anteile Ende 2007 einer Privatstiftung zugewendet und mit der GmbH neue Geschäftsführerverträge abgeschlossen, nach denen sie - wie schon im Prüfungsbericht erwähnt - "an keine Weisungen gebunden" seien. Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag und Kommunalsteuer seien dessen ungeachtet bis zum Bekanntwerden des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/15/0090, weiter entrichtet worden. In diesem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass nicht die Weisungsbindung im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen, sondern das schuldrechtliche Verhältnis dafür maßgebend sei, ob die in § 47 Abs. 2 EStG 1988 u.a. vorausgesetzte Weisungsgebundenheit vorliege. Nach den Maßstäben dieses Erkenntnisses sei dies im vorliegenden Fall im Hinblick auf die vertragliche Freistellung von Weisungen, der auch die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit entspreche, nicht der Fall.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie legte in rechtlicher Hinsicht zunächst dar, die Bezeichnung der Verträge als Werkverträge in deren Text sei ohne rechtliche Bedeutung, es lägen nicht Ziel-, sondern Dauerschuldverhältnisse vor, und von den beiden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 zu entnehmenden Kriterien sei das der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zweifelsfrei gegeben.
Zum zweiten, strittigen Kriterium der Weisungsgebundenheit verwies die belangte Behörde auf vier Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2179, 2321/76, ÖStZB 1980, 71, vom , 1666, 2223, 2224/79, VwSlg 5535/F (verstärkter Senat), vom , 2007/15/0095, VwSlg 8258/F, und vom , 2009/15/0081. In diesen Erkenntnissen habe der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Weisungsgebundenheit im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 "ausschließlich danach beurteilt, ob gesellschaftsrechtlich eine Weisungsbindung besteht". Die belangte Behörde schließe sich dem "vollinhaltlich an" und könne der gegenteiligen, auf das Erkenntnis vom , 2008/15/0090, gestützten Ansicht der beschwerdeführenden Partei daher nicht folgen. Der Verwaltungsgerichtshof stelle in anderen Erkenntnissen auf das "Gesamtbild" der Tätigkeit ab, wovon nach Ansicht der belangten Behörde "nicht mehr die Rede" sein könne, wenn die Dienstnehmereigenschaft nur an Hand des Anstellungsvertrages beurteilt werden solle. Eine "erkennbare" Begründung für eine solche Betrachtungsweise sei "auch den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entnehmen". Geschäftsführer, die gesellschaftsrechtlich weisungsgebunden seien, seien daher im Sinne der zuvor dargestellten Rechtsprechung "auch im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 weisungsgebunden".
Nach Ansicht der belangten Behörde würde aber auch eine Beurteilung ausschließlich an Hand des Anstellungsvertrages zu keinem anderen Ergebnis führen. Räume die für den Abschluss des Anstellungsvertrages zuständige Generalversammlung einem Geschäftsführer Weisungsfreiheit ein, so sei diese "nicht Ausfluss seines eigenen Willens, sondern Ausfluss des Willens der Gesellschaft. Ein Geschäftsführer, der von der Generalversammlung ermächtigt ist, seine Tätigkeit weitestgehend (weisungs)frei auszuüben, befolgt damit den Willen eines anderen, nämlich der Gesellschafter, und ist somit weisungsgebunden". Auch im vorliegenden Fall habe die Generalversammlung ihre "Kompetenz, den Geschäftsführern auch Weisungen hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und des arbeitsbezogenen Verhaltens zu erteilen, (...) in der Form ausgeübt, dass sie die Geschäftsführer von solchen Bindungen ausdrücklich 'befreit' hat". Die ihnen eingeräumten "(Weisungs)Freiheiten" seien somit "nicht Ausfluss ihres eigenen Willens sondern des Willens der Gesellschafter, welche ihnen diese (Weisungs)Freiheiten in den Geschäftsführerverträgen vertraglich eingeräumt haben".
Schließlich meinte die belangte Behörde unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 109/00, VfSlg 16.098, bei Geschäftsführern wäre ein Dienstverhältnis auch dann zu bejahen, wenn die Weisungsgebundenheit zu verneinen wäre. Hinzu komme noch, dass die Geschäftsführer entgegen ihren Behauptungen kein Unternehmerrisiko zu tragen gehabt hätten. Die Einräumung einer Vertretungsbefugnis in den Verträgen und das Fehlen von Sozialleistungen wie Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie eines Konkurrenzverbotes stünden der Annahme von Dienstverhältnissen ebenfalls nicht entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Strittig ist im vorliegenden Fall die - für die Vorschreibung der Dienstgeberbeiträge und Zuschläge hier u.a. maßgebliche - Erfüllung der in § 47 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 normierten Voraussetzungen, wonach ein Dienstverhältnis, bei dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, im Sinne dieser Bestimmung dann vorliegt, "wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist".
Diese Legaldefinition beschreibt nach dem insoweit nicht nur die Verhältnisse an der Gesellschaft wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer betreffenden Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, VwSlg 7979/F (Punkt 5.2. der Entscheidungsgründe), das steuerrechtliche Dienstverhältnis mit zwei Merkmalen, nämlich der Weisungsgebundenheit einerseits und der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes des Arbeitgebers andererseits. Weiteren Abgrenzungskriterien, wie etwa dem Fehlen eines Unternehmerrisikos, kommt nur Bedeutung zu, wenn die im Gesetz festgeschriebenen Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes des Arbeitgebers noch keine klare Abgrenzung ermöglichen.
Das Gesetz sieht - im Wesentlichen in § 22 Z 2 zweiter Teilstrich und in § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 - besondere, vom Erfordernis der Weisungsgebundenheit auf hier nicht zu erörternde Weise abstrahierende Regelungen für Personen vor, die an der Kapitalgesellschaft, für die sie tätig sind, Beteiligungen halten. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weshalb die Ansicht, auf die Weisungsgebundenheit komme es nicht an, im Widerspruch zum Erkenntnis des verstärkten Senates steht.
Dass sich die Weisungsgebundenheit aus dem Anstellungsvertrag ableiten lasse, weil in diesem Vertrag darauf verzichtet worden sei, ist ein offenkundiger Fehlschluss der belangten Behörde. Mit der "stillen Autorität" eines Weisungsberechtigten, der keine Weisungen erteilt, ist ein vertraglicher Verzicht auf das Weisungsrecht nicht vergleichbar.
Zu der demnach verbleibenden Frage nach der Relevanz eines ausschließlich gesellschaftsrechtlichen Weisungsrechtes hat der Verwaltungsgerichtshof - für den hier zu entscheidenden Fall an der Gesellschaft nicht beteiligter Geschäftsführer - in dem Erkenntnis vom , 2008/15/0090, auf das sich die beschwerdeführende Partei beruft, Stellung genommen. Er verwies auf seine Judikatur zu Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, wonach die Beurteilung "allein auf Grund des das Anstellungsverhältnis regelnden Anstellungsvertrages" zu erfolgen habe, und übertrug dies auf Fälle der vorliegenden Art. Das dazu zitierte, Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft betreffende Erkenntnis vom , 97/13/0234, 0235, VwSlg 7363/F (vgl. danach noch die Erkenntnisse vom , 2000/13/0046, und vom , 2000/13/0162, 0165), verwies seinerseits auf das - eine an der Gesellschaft nicht beteiligte Geschäftsführerin einer GmbH betreffende - Erkenntnis vom , 97/13/0169, in dem dargelegt worden war, die Bindung des Geschäftsführers an den Gesellschaftsvertrag und die Gesellschafterbeschlüsse stelle bloß eine sachliche Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers her. Maßgeblich für die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die davon zu unterscheidende persönliche Weisungsgebundenheit (vgl. dazu Jakom/ Lenneis EStG, 2015, § 47 Rz 6, m.w.N.).
Gegenteilige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Fremdgeschäftsführern einer GmbH liegt - aus der Zeit nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom - nicht vor. Dem von der belangten Behörde zitierten, an der Gesellschaft beteiligte Geschäftsführer betreffenden und dem Erkenntnis vom zeitlich nachfolgenden Erkenntnis vom , 2009/15/0081, lag im Übrigen zugrunde, dass dem Vorhalt von Weisungsgebundenheit in der Berufungsvorentscheidung weder im Vorlageantrag noch danach im Verfahren vor der belangten Behörde entgegengetreten worden war.
Der angefochtene Bescheid beruht somit auf einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am