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VwGH vom 19.12.2018, Ra 2017/15/0003

VwGH vom 19.12.2018, Ra 2017/15/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der A GesmbH in F, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100265/2015, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2012, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , Zl. RV/2100265/2015, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Umsatzsteuer 2012 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist eine im Bereich des KFZ-Handels tätige GmbH.

2 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung der Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2012 wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin gebrauchte Fahrzeuge beim Einzelunternehmer TS sowie bei der R GmbH angekauft habe. Die Fahrzeuge seien nach den Erhebungen der Steuerfahndung von TS und der R GmbH bei deutschen Fahrzeughändlern erworben und in der Folge durch Fahrzeugübersteller direkt an die Revisionswerberin geliefert worden. Von den Autoüberstellern seien die Fahrzeuge mit Rechnungen, in denen die österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen war, in Österreich gegen Barzahlung übergeben worden.

3 Dazu habe die Steuerfahndung festgestellt, dass die deutschen Ankaufspreise der Lieferanten in jedem Fall über und in den meisten Fällen erheblich über den an die Revisionswerberin fakturierten Beträgen gelegen seien. Für die Prüfer ergebe sich daraus schlüssig, dass das Verhalten des TS und der Vertreter der R GmbH auf die Hinterziehung der an die Revisionswerberin fakturierten Umsatzsteuer gerichtet gewesen sei. In Abwägung der Verhältnisse seien die Prüfer zur Überzeugung gelangt, FB (der Geschäftsführer der Revisionswerberin) habe davon gewusst, dass die gelieferten Fahrzeuge in Zusammenhang mit der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch seine Lieferanten gestanden seien, weshalb die Vorsteuern aus den Fahrzeuglieferungen nicht anzuerkennen seien. FB sei als gewerblichem Autohändler zu unterstellen, dass er mit den marktüblichen Usancen vertraut sei und über Internetplattformen Zugang zu den Marktpreisen der an ihn gelieferten Kraftfahrzeuge gehabt habe. Daher habe es FB klar sein müssen, dass seine Ankaufspreise unter den marktüblichen Preisen gelegen und in einer Abgabenhinterziehung verfangen gewesen seien. FB habe bei seiner Befragung eingeräumt, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass es sich bei TS und den Vertretern der R GmbH um keine professionellen Autohändler handle. Daraus lasse sich ableiten, dass FB die Geschäftsbeziehungen zu seinen Lieferanten zwar als suspekt erachtet, sie in Anbetracht der günstigen Fahrzeugpreise aber dennoch aufrechterhalten habe. Die entsprechenden Vorsteuern seien daher nicht anzuerkennen.

4 Die Revisionswerberin erhob Beschwerde gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2010 bis 2012, in der sie unter Verzicht auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorbrachte, dass es sich bei den beanstandeten Fahrzeuglieferungen im Wesentlichen um neuwertige Gebrauchtfahrzeuge gehandelt habe (sechs bis achtzehn Monate alt mit einem Kilometerstand von 10.000 bis 30.000), für welche noch keine Eurotax-Notierungen oder sonstigen Listenpreise vorliegen würden. FB habe - branchenüblichen Usancen entsprechend - in einem ersten Schritt auf verschiedenen Internetplattformen recherchiert, zu welchem Preis diese Fahrzeuge an private Kunden angeboten würden. Darauf basierend habe FB unter Zugrundelegung einer branchenüblichen Handelsspanne von ca. 10 % bis 20 % (je nach Automodell) retrograd einen potentiellen Einkaufspreis ermittelt und die ihm von anderen Fahrzeughändlern (u.a. auch den streitgegenständlichen) angebotenen Fahrzeuge auf dieser Basis bewertet. Von TS habe die Revisionswerberin in den Wirtschaftsjahren April 2009 bis März 2011 insgesamt 91 Fahrzeuge erworben, von welchen aufgrund nachträglicher Ermittlungen 72 Lieferungen als "bedenklich" eingestuft worden seien und hinsichtlich derer das Finanzamt den Vorsteuerabzug versagt habe. Die Geschäftsanbahnung sei über den Händlerbereich einer Internetplattform erfolgt, auf welcher nur gewerberechtlich befugte und diesbezüglich überprüfte Fahrzeughändler Fahrzeuge anbieten hätten dürfen. In der Folge habe TS entsprechend branchenüblicher Usancen laufend per E-Mail diverse Fahrzeuge FB zum Kauf angeboten. Die Fahrzeuge seien von TS zugestellt, von FB überprüft und bar bezahlt worden. Vor der tatsächlichen Zustellung der Fahrzeuge habe sich FB bei TS informiert, durch welche Person die Zustellung erfolgen werde und ob diese zur Entgegennahme des Kaufpreises befugt sei. Im Oktober 2010 sei die Geschäftsbeziehung durch TS ohne Angabe von Gründen beendet worden.

5 Von der R GmbH habe die Revisionswerberin im Wirtschaftsjahr April 2011 bis März 2012 insgesamt 38 Fahrzeuge erworben, von welchen das Finanzamt 33 Lieferungen aufgrund eines negativen Deckungsbeitrages beanstandet habe. Die Geschäftsanbahnung sei über ein entsprechendes E-Mail Angebot der R GmbH erfolgt. Im Zuge der Geschäftsanbahnung habe FB die Existenz der R GmbH mehrfach überprüft (Firmenbuch, UID-Nummer nach Stufe 2). Zudem sei die "steuerliche Zuverlässigkeit" der R GmbH vor Abschluss des ersten Liefervertrages Anfang Oktober 2011 auch "informell von einem Mitarbeiter des Finanzamtes bestätigt" worden. Die Lieferungen seien üblicherweise in der Form abgewickelt worden, dass die Fahrzeuge von der R GmbH zugestellt, von FB geprüft und bar bezahlt worden seien.

6 Die Revisionswerberin habe von einer vermeintlichen Umsatzsteuerhinterziehung durch TS und die R GmbH nicht gewusst und auch nicht wissen müssen, weil der Ankauf - wie näher dargestellt - zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen erfolgt sei. Unter Berücksichtigung des Kalkulationsschemas und des Umstandes, dass im Streitzeitraum selbst Neufahrzeuge von KFZ-Händlern mit einem Preisnachlass von bis zu 40 % am österreichischen Markt hätten erworben werden können, hätten sich die von TS und der R GmbH angebotenen Fahrzeugpreise in einer marktüblichen Bandbreite bewegt, zumal die betroffenen Fahrzeuge zuvor für Mietzwecke genutzt worden seien und daher einen höheren Abnutzungsgrad aufgewiesen hätten als andere vergleichbare Fahrzeuge. Zudem habe die Revisionswerberin Angebote der beiden Händler auch abgelehnt, weil der offerierte Preis zu hoch gewesen sei.

7 Dazu legte die Revisionswerberin Beispiele von Fahrzeugankäufen bei anderen Lieferanten vor, die verdeutlichen sollten, dass sich die streitgegenständlichen Ankaufspreise in einer branchenüblichen Bandbreite bewegt hätten. Auch sei der von der Revisionswerberin aus dem Weiterverkauf der zuvor bei TS bzw. der R GmbH erworbenen Fahrzeuge erzielte Deckungsbeitrag - wie näher ausgeführt - nahezu ident mit dem üblicherweise erzielten. Anhaltspunkte dafür, dass auf Ebene der Vorlieferanten teilweise ein negativer Deckungsbeitrag aufgetreten sei, hätten nicht vorgelegen. Vom Vorlieferanten Auskunft über dessen Einkaufspreise zu verlangen, sei absolut branchenunüblich. Der Umstand, dass zwischen den Lieferanten und FB keine gesonderte Vereinbarung über die Transportkosten getroffen worden sei, stelle keinen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten dar. Vielmehr habe FB davon ausgehen dürfen, dass die Transportkosten im vereinbarten Preis inkludiert seien. Eine Barbezahlung sei für die KFZ-Branche nicht ungewöhnlich.

8 Das Bundesfinanzgericht forderte die Steuerfahndung in der Folge u.a. auf, die von Seiten der beiden Lieferanten begangenen Malversationen näher darzustellen und mitzuteilen, ob es sich bei der R GmbH um eine operativ tätige Firma gehandelt habe, die ihr Unternehmen am angegebenen Ort betrieben habe.

9 Die Steuerfahndung erklärte dazu, dass beide Lieferanten für den "im Verborgenen agierenden Michael (S)" tätig gewesen seien. Herrn TS sei dabei eher die Rolle eines Vermittlers auf Provisionsbasis zugekommen, was wohl auch der Revisionswerberin habe bekannt sein müssen, zumal FB angegeben habe, dass TS nicht der Autohändler sei, der sich in der Branche gut auskenne. TS habe nach eigenen Angaben keine Verkaufspreise ohne die Zustimmung des Michael S festlegen können. Bei der R GmbH habe es sich nach dem Ermittlungsergebnis um kein am Markt zur Entfaltung einer ordentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit produktives Unternehmen gehandelt. Nach vorliegenden Informationen des Firmengründers RS habe dieser die Firma im Auftrag des Michael S gegründet. Die Niederlassung sei an einer "virtuellen Büroadresse" in Wien erfolgt. In der Folge habe RS Josip K als "Scheingeschäftsführer implementiert". Zu Josip K habe das Finanzamt keinen persönlichen Kontakt herstellen können. Bei dessen Wohnsitzadresse an der Firmenadresse handle es sich um einen Scheinwohnsitz. Die R GmbH habe zu keiner Zeit über Arbeitskräfte oder sonstige Infrastruktur zur Entfaltung einer Tätigkeit am Firmensitz verfügt und auch keine Gewerbeberechtigung besessen. Die R GmbH sei nach ihrer Gründung im April 2011 steuerlich erfasst gewesen und habe im inkriminierten Zeitraum über eine gültige UID-Nummer verfügt. Die UID-Nummer sei von den im Verfahren vor dem Strafgericht als Angeklagte geführten Tätern (Michael S, RS und ein Fahrzeugübersteller) dazu genutzt worden, Fahrzeuge bei deutschen Autohändlern steuerfrei zu erwerben und in der Folge Fahrzeuglieferungen an österreichische Fahrzeughändler unter Umsatzsteuerausweis zu tätigen. Die aus den in Rede stehenden Fahrzeuglieferungen resultierende Umsatzsteuer sei weder erklärt noch abgeführt worden.

10 In einer Entgegnung wies die Revisionswerberin erneut auf ihre Gutgläubigkeit hin, welche auch darin zum Ausdruck komme, dass sie "unter Vorlage einer Verkaufsrechnung der (R GmbH)" eine Anfrage an ihr zuständiges Finanzamt gestellt habe, in deren Rahmen ihr die steuerliche Zuverlässigkeit der R GmbH bestätigt worden sei. Zudem hätten weder Unstimmigkeiten in Bezug auf die übermittelten Fahrzeug- und Lieferdokumente noch sonstige Unterschiede im Vergleich zu den mit anderen Lieferanten abgewickelten Transaktionen bestanden.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Vorsteuern aus den Rechnungen des TS anerkannt wurden. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, während die natürliche Person TS ihr Unternehmen an der angegebenen Adresse auch selbst ausgeübt habe, sei die R GmbH eine reine Scheinfirma, die über keine betriebliche Infrastruktur, keine Arbeitskräfte und nicht einmal über eine Gewerbeberechtigung verfügt habe. Der angegebene Wohnsitz des Geschäftsführers sei gleichzeitig der Sitz der Firma, während der tatsächliche Aufenthalt des Geschäftsführers Josip K nicht feststellbar sei.

12 Zu den Lieferungen von TS vertrat das Bundesfinanzgericht die Ansicht, dass die Betrachtungsweise des Finanzamtes wirklichkeitsfremd sei. Aufgrund der Vielzahl der im Internet angebotenen Fahrzeuge sei es selbst für Kenner nicht augenscheinlich, dass genau das ihm verkaufte KFZ in Deutschland zu einem höheren Preis angeboten werde. Die Schwierigkeit der Kaufpreisermittlung zeige sich auch darin, dass es dem Finanzamt in 22 Fällen trotz all der Möglichkeiten der Amtshilfe nicht gelungen sei, die tatsächlichen Einkaufspreise zu ermitteln. Damit gehe der Vorwurf des Finanzamtes, die Revisionswerberin habe von den höheren Einkaufspreisen ihrer Lieferanten gewusst, ins Leere. Die Revisionswerberin habe dargelegt, dass der aus den fraglichen Anschaffungen erzielte Deckungsbeitrag pro PKW dem aus den übrigen Geschäften erwirtschafteten entspreche. Die Lieferungen erstreckten sich über längere Zeiträume und seien in Relation zum Geschäftsumfang der Revisionswerberin von untergeordneter Bedeutung. Die Geschäftsanbahnung sei über ein so genanntes Händlerportal erfolgt, das nur KFZ-Händlern zur Verfügung stehe. TS sei persönlich in Erscheinung getreten und auch sonst hätten zwischen den Fahrzeuglieferungen des TS und der anderer Lieferanten keine Unterschiede bestanden. Damit sei anhand der objektiven Umstände nicht erwiesen, dass die Revisionswerberin Kenntnis vom Umsatzsteuerbetrug des TS hätte haben müssen.

13 Anders verhalte es sich mit der Geschäftsbeziehung zur

R GmbH. Die R GmbH sei kein operativ tätiges Unternehmen. Die Revisionswerberin habe lediglich die Existenz der R GmbH im Firmenbuch sowie die ihr erteilte UID-Nummer überprüft. Ein Blick auf das Briefpapier gebe darüber Auskunft, dass ein Autohandel im

4. Stock eines Mehrparteienhauses angesiedelt sei. Ein Blick auf "Google Earth" zeige, dass es dort keinen Abstellplatz für KFZ gebe. Auf dem Briefpapier scheine weder eine Festnetznummer noch eine Gewerberegisternummer auf. Bei der E-Mail-Adresse handle es sich um eine kostenlose gmx-Adresse. Die Revisionswerberin habe diese Ungereimtheiten nicht zum Anlass genommen, sich über die Unternehmereigenschaft ihres Geschäftspartners Gedanken zu machen. Der Einwand, die Revisionswerberin habe sich die "steuerliche Zuverlässigkeit" der R GmbH informell von einem Mitarbeiter des Finanzamtes bestätigen lassen, gehe insoweit ins Leere, als das Finanzamt aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht gar nicht berechtigt sei, mehr als die Gültigkeit der UID-Nummer zu bestätigen.

14 Der R GmbH fehle es bereits an der Unternehmereigenschaft. Sie habe mangels Sach- und Personalmittel keine Möglichkeit gehabt, tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben. Damit sei ein Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 ausgeschlossen. Im Übrigen wäre eine entgegen den Ermittlungsergebnissen der R GmbH zuzurechnende Geschäftstätigkeit nicht an dem auf der Rechnung ausgewiesenen Sitz ausgeübt worden. Im Falle einer Rechnungsadresse, unter der keine Geschäftstätigkeit entfaltet werde, sei der Vorsteuerabzug zu versagen. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verneine in einem solchen Fall auch den Schutz des guten Glaubens (Hinweis auf ). Überdies könne sich die Revisionswerberin ohnedies nicht auf den guten Glauben berufen, weil sie keine Überprüfungsmaßnahmen zur Aufklärung der aufgezeigten Ungereimtheiten gesetzt und sich damit begnügt habe, die Gültigkeit der UID-Nummer zu überprüfen. Die UID-Nummer sei zwar ein wichtiges Indiz, doch nur ein Teil im Rahmen der Gesamtbetrachtung, die im Revisionsfall zu viele Fragen offen lasse, um davon auszugehen, dass sich die Revisionswerberin von der Existenz, der Seriosität und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Geschäftspartners vergewissert habe.

15 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde unter Wiedergabe des Gesetzestextes des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht, Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde und Repliken der Revisionswerberin erwogen hat:

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20 Die Revision bringt auf das Wesentliche zusammengefasst zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesfinanzgericht verkenne, dass es sich bei der R GmbH um keine "reine Scheinfirma" gehandelt habe. Eine registrierte Gesellschaft sei rechtlich (auch steuerrechtlich) existent. Das weitere Argument, die R GmbH hätte "mangels Sach- und Personalmittel keine Möglichkeit gehabt, tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben", sei unvertretbar. Die R GmbH sei sowohl ihren deutschen Vormännern als auch der Revisionswerberin und mindestens einem weiteren Abnehmer gegenüber nach außen hin im eigenen Namen aufgetreten. Sie habe über ein Büro samt Telefon-, Fax- und Internetanschluss, ein Bankkonto, eine Steuernummer samt UID-Nummer und über Kontakte zu deutschen Lieferanten und inländischen Abnehmern samt Personal zum Überstellen der Fahrzeuge verfügt. Dazu habe das Bundesfinanzgericht mit dem Wechsel der Argumentation auch gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Zudem stehe das angefochtene Erkenntnis mit sich selbst in unauflösbarem Widerspruch: Die Revisionswerberin habe von der R GmbH 38 Fahrzeuge erworben, davon habe das Finanzamt 33 Lieferungen aufgrund eines negativen Deckungsbeitrages nicht anerkannt. Das Bundesfinanzgericht habe somit die R GmbH im Ergebnis zugleich als Unternehmer (fünf Kfz) und Nichtunternehmer (33 Fahrzeuge) behandelt. Dass der Sitz der R GmbH im vierten Stock eines Mehrparteienhauses gelegen war, schließe es nicht aus, dass die Tätigkeit an anderen Orten als dem Geschäftssitz ausgeführt werden könne, insbesondere wenn die wirtschaftliche Tätigkeit aus Lieferungen von Gegenständen bestehe, die im Rahmen mehrerer aufeinanderfolgender Verkäufe bewirkt würden, weil sich der erste Erwerber und Weiterverkäufer dieser Gegenstände darauf beschränken könne, dem ersten Verkäufer die Anweisung zu geben, die betreffenden Gegenstände direkt zum Erwerber zu transportieren und daher nicht notwendigerweise selbst über die Mittel zur Lagerung und zum Transport verfügen müsse (Hinweis auf , PPUH Stehcemp, Rn. 35). Die Revisionswerberin habe die R GmbH wie sämtliche andere Lieferanten behandelt. Unterschiede in der Gebarung habe das Bundesfinanzgericht nicht einmal behauptet, geschweige denn schlüssig bewiesen. Die steuerliche Gebarung der R GmbH habe der Revisionswerberin aus den gleichen Gründen nicht bekannt sein müssen, die das Bundesfinanzgericht zur Grundlage seiner stattgebenden Erledigung hinsichtlich der Erwerbe von TS angeführt habe.

21 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 22 Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen die Lieferungen

und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

23 Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1994, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers.

24 Im Revisionsfall steht außer Streit, dass die von der R GmbH in Rechnung gestellten Lieferungen tatsächlich stattgefunden haben. Lieferungen von Fahrzeugen in der gegenständlich zur Rede stehenden Anzahl schließen es aus, von privaten - nicht der Umsatzsteuer unterliegenden - Geschäften auszugehen.

25 Das Bundesfinanzgericht hat die Unternehmereigenschaft der auf den Rechnungen als lieferndes Unternehmen aufscheinenden R GmbH mit der Begründung verneint, bei dieser juristischen Person handle es sich um kein "operativ tätiges Unternehmen". Im Kontext der auch vom Bundesfinanzgericht nicht angezweifelten tatsächlich erfolgten Lieferungen sind diese Ausführungen wohl so zu verstehen, dass nicht die R GmbH, sondern ein anderer Unternehmer - diesbezügliche Feststellungen wurden allerdings nicht getroffen - die streitgegenständlichen Ein- und Verkäufe von Fahrzeugen getätigt hat.

26 Umsatzsteuerlich sind Leistungen demjenigen Unternehmer zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer auf eigene oder fremde Rechnung tätig wird (vgl. ). Dem Unternehmer sind auch Leistungen zuzurechnen, die er durch andere (natürliche) Personen erbringen lässt (vgl. ). Tritt nach außen, wie im Revisionsfall, eine juristische Person in Erscheinung, kann das tatsächliche Tätigwerden notwendigerweise nur von einer im Namen der juristischen Person handelnden natürlichen Person gesetzt werden.

27 Leistender ist grundsätzlich, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist, mag er auch die Leistung durch andere erbringen lassen oder im Innenverhältnis auf fremde Rechnung arbeiten (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 258 und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Unternehmereigenschaft einer Gesellschaft setzt allerdings ein tatsächliches Leistungsverhalten voraus, diese muss nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Leistende auftreten. Ein bloßes "Zwischenschalten durch Fakturierung" reicht nicht aus (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 261).

28 Die Revisionswerberin rügt, das Bundesfinanzgericht habe keine eigenen Sachverhaltsfeststellungen getroffen, aus denen sich ergebe, dass es sich bei der R GmbH um kein operativ tätiges Unternehmen gehandelt habe. Bei dieser Behauptung des Bundesfinanzgerichts handle es sich um keine Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine - unzutreffende - rechtliche Schlussfolgerung. Das Bundesfinanzgericht habe lediglich bestimmte Details (Firmensitz im 4. Stock eines Wohngebäudes, kostenlose Mail-Adresse) herausgegriffen, welche jedoch keinerlei Rückschlüsse darauf zuließen, ob die R GmbH tatsächlich operativ tätig gewesen sei oder nicht. Wie der , PPUHStehcemp, Rn. 35, ausgeführt habe, könne eine wirtschaftliche Tätigkeit auch an anderen Orten als dem Geschäftssitz ausgeführt werden. Dies gelte insbesondere für Lieferungen von Gegenständen, die im Rahmen mehrerer aufeinanderfolgender Verkäufe bewirkt würden. Die R GmbH habe ihren Ausgangsrechnungen zufolge über ein Büro in Wien, einen Festnetzanschluss, ein Handy, einen Internetanschluss, einen FAX-Anschluss, ein Bankkonto, eine Steuer- und UID-Nummer und einen PC zum Schreiben und Ausdrucken der Rechnungen verfügt. Dazu kämen Kontakte zu diversen deutschen Autohäusern, Kontakte zu mindestens zwei österreichischen Abnehmern und Personal zur Überstellung der Fahrzeuge. Solcherart sei es unvertretbar zu behaupten, die R GmbH sei von "Sach- und Personalmitteln" völlig frei gewesen.

29 Das Bundesfinanzgericht stützt seine rechtliche Beurteilung der fehlenden Unternehmereigenschaft der R GmbH entscheidend darauf, dass die GmbH mangels Sach- und Personalmittel keine Möglichkeit gehabt hätte, tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben. Dass die im Revisionsfall vorliegenden Fahrzeuglieferungen Betriebsmittel erfordert hätten, über die die R GmbH nicht verfügt habe, macht das Bundesfinanzgericht mit dem Hinweis auf fehlende Abstellplätze vor dem Firmensitz der R GmbH aus den von der Revision aufgezeigten Gründen allerdings nicht plausibel. Insbesondere fehlen aber auch jegliche Feststellungen darüber, ob die R GmbH zur Zeit der revisionsgegenständlichen Lieferungen an ihrem Firmensitz erreichbar war. Die Steuerfahndung sprach in diesem Zusammenhang von einer "virtuellen Büroadresse", ohne näher zu erläutern, was mit dieser Bezeichnung konkret zum Ausdruck gebracht werden sollte. Was das Fehlen von Personal angeht, machen die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes nicht deutlich, warum das Auftreten des RS als Vertreter der R GmbH gegenüber dem Geschäftsführer der Revisionswerberin nicht der R GmbH zugerechnet werden könne. Nach der Aktenlage war RS zunächst auch im Firmenbuch als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der R GmbH eingetragen. Der später von RS "implementierte" Josip K wurde von der Steuerfahndung als bloßer Scheingeschäftsführer beurteilt, was darauf hindeuten könnte, dass RS auch nach seiner Löschung im Firmenbuch weiterhin als faktischer Geschäftsführer die Geschäfte der R GmbH besorgen konnte.

30 Aber auch die weiteren Begründungsansätze vermögen die Versagung des Vorsteuerabzuges nicht zu tragen. So verweist das Bundesfinanzgericht auf "unzweifelhafte Feststellungen des Finanzamtes", aus denen sich ergebe, dass eine allenfalls doch der R GmbH zuzurechnende Tätigkeit nicht an dem auf den Rechnungen ausgewiesenen Sitz ausgeübt worden sei. Diese Begründung verkennt zum einen, dass es für die Frage der Unternehmereigenschaft einer Gesellschaft nicht darauf ankommt, von welchem Ort aus die Leistungen erbracht werden. Zum anderen leidet auch dieser Begründungsansatz an der schon zuvor behandelten Begründungsschwäche, dass konkrete Feststellungen zur "virtuellen Büroadresse" fehlen.

31 Soweit die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes aber so zu verstehen sein sollten, dass die in den Rechnungen aufscheinende Adresse nicht jene sei, unter der die R GmbH wirtschaftlich tätig geworden sei, sodass dem Vorsteuerabzug ein formeller Rechnungsmangel entgegenstehe, verweist die Revisionswerberin zu Recht auf jüngere Rechtsprechung des EuGH. Im Urteil vom , C-374/16, Geissel, und C- 375/16, Butin, hat der EuGH zu Recht erkannt, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht davon abhängig ist, dass in der Rechnung die Anschrift angegeben ist, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

32 Auch nach jüngerer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Unzulässigkeit des Vorsteuerabzugs nicht damit begründet werden, dass die Rechnungen nicht die richtige Anschrift iSd § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 enthielten, weil die vom Finanzamt inkriminierte Gesellschaft an den in ihren Rechnungen ausgewiesenen Anschrift nicht auffindbar gewesen sei bzw. dort keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet hätte (vgl. ).

33 Schließlich hat das Bundesfinanzgericht in einem weiteren Begründungsansatz der Revisionswerberin auch den "guten Glauben" abgesprochen, weil die "Gesamtbetrachtung im Beschwerdefall zu viele Fragen offen lässt", um davon auszugehen, dass sich die Revisionswerberin "der Existenz, der Seriosität und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Geschäftspartners vergewissert" habe. Auch diese Erwägungen sind im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zum Vertrauensschutz nicht ausreichend, den Vorsteuerabzug zu versagen.

34 Die rechtliche Existenz der R GmbH kann auf Grund der Eintragung im Firmenbuch nicht verneint werden. Bei der vom Bundesfinanzgericht angesprochenen "Seriosität" handelt es sich um keinen rechtlich fassbaren Begriff. Nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 idF AbgSiG 2007 (bzw. nunmehr § 12 Abs. 14 UStG 1994 idF StRefG 2015/2016) steht ein Recht auf Vorsteuerabzug allerdings dann nicht zu, wenn der Abnehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen steht (vgl. , Kittel, insb. Rn. 56 und ). Anders als das Finanzamt hat das Bundesfinanzgericht den Einkaufspreis der Fahrzeuge aber nicht als Umstand beurteilt, auf Grund dessen die Revisionswerberin hätte erkennen müssen, dass die Fahrzeuge mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind. Das Fehlen eines KFZ-Abstellplatzes vor dem Firmensitz und dessen Situierung in einem Wohngebiet sowie das Fehlen einer Gewerberegisternummer auf den Rechnungen der R GmbH sind aber - insbesonders bei Reihengeschäften - keine Umstände, aus denen der Schluss gezogen werden müsste, dass die Fahrzeuglieferungen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet seien. Was die fehlende "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" der R GmbH anlangt, bleibt das Bundesfinanzgericht schließlich jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin schuldig, wonach die streitgegenständlichen tatsächlich stattgefundenen Lieferungen in gleicher Weise abgewickelt worden seien wie die Ankäufe von anderen Händlern, deren Unternehmereigenschaft vom Finanzamt nicht verneint wurde.

35 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvo rschriften aufzuheben.

36 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150003.L00

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