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VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/15/0002

VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/15/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der Römisch-katholischen Filialkirche M in S, vertreten durch die K&E Wirtschaftreuhand GmbH in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100664/2014, betreffend u. a. Wiederaufnahme des Verfahrens (Umsatzsteuer 2008, 2010 bis 2012) und Umsatzsteuer 2008 und 2010 bis 2012, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2008 und 2010 bis 2012 sowie Umsatzsteuer 2008 und 2010 bis 2012) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist eine römisch-katholische Filialkirche. Sie ist Eigentümerin einer Liegenschaft. Das Kirchengebäude der Revisionswerberin liegt wenige hundert Meter von der Pfarrkirche X entfernt. In den Jahren 2008 bis 2012 führte die Revisionswerberin verschiedene Sanierungsmaßnahmen an ihren Gebäuden und Wegen durch (Nettoinvestitionskosten 269.068,32 EUR, Umsatzsteuer 53.766,63 EUR).

2 Im Juni 2008 zeigte die Revisionswerberin die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit ("Vermietung") an und erklärte den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung.

3 Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2008 mit Bescheid vom erklärungsgemäß fest (Vorsteuerüberhang).

4 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer 10/2009 bis 12/2009 vom wurde u. a. festgehalten, dass die röm. kath. Pfarre X im Wesentlichen das Gebiet der Marktgemeinde X umfasse. Zur Pfarre gehörten die Pfarrkirche X sowie die Filialkirche (Revisionswerberin). Laut Mietanbot vom sowie einem undatierten, nicht unterfertigten Mietvertrag vermiete die Revisionswerberin an die Kirche X ab das Gebäude der Filialkirche (samt weiteren Gebäuden und Flächen). Die Gebäude dienten ausschließlich der Ausübung der Seelsorge und pastoralen Tätigkeiten der Mieterin und dürften keinem anderen Zweck zugeführt werden. Auch wenn sich hinsichtlich des "einheitlichen pfarrlichen" Vermögens eigene Vermögensmassen mit eigener Rechtspersönlichkeit herausgebildet hätten, bilde wirtschaftlich betrachtet das "pfarrliche" Kirchenvermögen eine Einheit (einheitlicher Zweck des Kirchenvermögens). Auf dieser Grundlage sei bei der vorliegenden Vermietung zwischen den pfarrlichen Rechtsträgern für den Bereich der Umsatzsteuer eine Unternehmereinheit anzunehmen. Folglich könne diese Vermietung nicht als (unternehmerische) Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 beurteilt werden.

5 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 10-12/2009 mit 0 EUR fest. Es verwies dazu auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung.

6 In der Folge setzte das Finanzamt aber mit Bescheiden vom , und die Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2012 jeweils erklärungsgemäß fest (jeweils Vorsteuerüberhänge).

7 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2012 vom wurde u.a. festgehalten, die Vermietung habe am begonnen. Im Mietvertrag werde ausdrücklich festgehalten, dass die Gebäude ausschließlich der Ausübung der Seelsorge und pastoralen Tätigkeiten der Mieterin dienen und keinem anderem Zweck zugeführt werden dürften. Die Nutzung der vermieteten Kirche erfolge daher im Rahmen der durch öffentliche Gewalt übertragenen Aufgaben und somit im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Die hoheitliche Nutzung von Gebäuden stelle eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit dar. Weiters betrage der Mietzins für den gesamten Mietgegenstand ab 2008 monatlich 170 EUR inklusive Betriebskosten und zuzüglich Umsatzsteuer. Aufgrund von Investitionen erhöhe sich der monatliche Netto-Mietzins ab November 2011 auf 214 EUR. Die Höhe des Mietzinses setze sich zusammen aus den Betriebskosten, der "Abschreibungskomponente im Sinne der USt-RL", sowie einem Aufschlag von 1%. Da weder Instandhaltungskosten noch sonstige Unwägbarkeiten bzw. eine Gewinnkomponente berücksichtigt worden seien, halte die Mietzinskalkulation einem Fremdvergleich nicht stand.

8 Das Finanzamt schloss sich der Beurteilung der Außenprüfung an und nahm mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2012 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer jeweils mit 0 EUR fest.

9 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. 10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 auf und erklärte die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2009 als gegenstandslos. Im Übrigen (Wiederaufnahme sowie Umsatzsteuer 2008, 2010 bis 2012) wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, für den Veranlagungszeitraum 2008 sei von neu hervorgekommenen Tatsachen auszugehen (Person des Mieters, Vermietungsbeginn, Mietgegenstand, zulässige Nutzung, Höhe des Mietzinses, Zusammensetzung des Mietzinses). Für das Jahr 2009 habe hingegen das Finanzamt von diesen Umständen bereits im Zuge der ersten Außenprüfung Kenntnis erlangt, sodass für dieses Jahr die Wiederaufnahme rechtswidrig gewesen sei. Der Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für dieses Jahr sei sohin aufzuheben gewesen und die gegen den Umsatzsteuerbescheid 2009 erhobene Beschwerde sei als gegenstandslos zu erklären gewesen. Für die Jahre 2010 bis 2012 habe das Finanzamt das unveränderte Vorliegen der in der ersten Außenprüfung festgestellten Umstände zwar vermuten, nicht aber kennen können. Das Neuhervorkommen einer Tatsache werde auch dann bewirkt, wenn bisher bloß Vermutetes zur Gewissheit werde. Es sei daher für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 vom Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen auszugehen.

12 Die Revisionswerberin als Filialkirche habe nach dem kanonischen Recht Rechtspersönlichkeit. Verträge zwischen nahen Angehörigen fänden für den Bereich des Abgabenrechts nur Anerkennung, wenn sie nach außen ausreichend in Erscheinung träten, einen eindeutigen klaren Inhalt hätten und auch unter Fremden so abgeschlossen worden wären. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung fänden auch bei Körperschaften, die nach dem kanonischen Recht Rechtspersönlichkeit hätten und - wie hier - zueinander in einer Nahebeziehung stünden, Anwendung. Der vereinbarte Mietzins sei unangemessen niedrig und somit nicht fremdüblich. Der monatliche Mietzins berücksichtige nur die anteiligen Betriebskosten und eine Abschreibungskomponente ("AfA-Tangente" von 1,5%) sowie einen Aufschlag auf die Betriebskosten (ca. 1%), wobei für die Berechnung der Abschreibung als Basis lediglich ein Betrag von 120.576,77 EUR angesetzt werde, während die Nettoinvestitionskosten 269.068,32 EUR ausmachten. Eine angemessene Verzinsung des Kapitals, eine angemessene Abgeltung der gewöhnlichen Abnutzung und ein angemessener Risikozuschlag seien nicht berücksichtigt worden. Das Mietverhältnis sei sohin als steuerlich unbeachtlich zu beurteilen.

13 Gegen dieses Erkenntnis, soweit dieses die Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2008, 2010 bis 2012) sowie Umsatzsteuer 2008 und 2010 bis 2012 betrifft, wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht weitgehend jenem (eine Vermietung von Räumlichkeiten einer Stadtpfarrpfründe an eine Stadtpfarrkirche betreffenden) Beschwerdefall, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , 2013/15/0222, entschieden hat, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die dort genannten Gründe verwiesen werden kann.

16 Demnach besteht für Vermietungen und Verpachtungen von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften gemäß § 2 Abs. 3 UStG 1994 eine Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Kriterien. Eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten reicht nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Die Frage, ob der wirtschaftliche Hintergrund einer Gebrauchsüberlassung allenfalls eine verdeckte Ausschüttung an Gesellschafter oder eine Zuwendung an Begünstigte (einer Privatstiftung) ist, stellt sich bei Körperschaften öffentlichen Rechts in der Regel nicht.

17 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist damit nicht maßgeblich, ob der Mietzins im vorliegenden Fall "fremdüblich" ist. Feststellungen, die eine Beurteilung ermöglichen würden, ob zivilrechtlich ein entgeltlicher Bestandvertrag (oder hingegen ein unentgeltlicher Leihvertrag) vorliegt (vgl. etwa , und vom , 7 Ob 218/14f), wurden vom Bundesfinanzgericht aber nicht getroffen.

18 Soweit die Revisionswerberin überdies geltend macht, das Finanzamt habe für die Veranlagungsjahre 2010 bis 2012 das Vorliegen von Umsätzen nicht bloß vermuten, sondern tatsächlich kennen können, so wird damit nicht behauptet, das Finanzamt habe die vom Bundesfinanzgericht als neu hervorgekommen beurteilten Umstände auch tatsächlich gekannt. Ein bloßes Kennen-Können im Sinne einer (wie in der Revision behauptet: aufgrund eines mangelhaften Verfahrens) allenfalls verschuldeten Unkenntnis steht aber einer amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen (vgl. , mwN).

19 Der angefochtene Bescheid war - im angefochtenen Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz folgt aus den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am