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VwGH vom 27.01.2005, 2004/16/0101

VwGH vom 27.01.2005, 2004/16/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch den als Verfahrenshelfer bestellten Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Dinstlstraße 6, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 50568-33a/04, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte beim Bezirksgericht Favoriten das mit datierte Schreiben ein, das auszugsweise nachstehenden Inhalt hat:

"PFLEGSCHAFTSSACHE ...

Betrifft: Laufend eingehende Zahlungsaufforderungen in

o. a. Pflegschaftssache

Mir werden mit erstaunlicher Regelmäßigkeit Zahlungsaufforderungen ... zugestellt, welche ich zurzeit einfach nicht in der Lage bin, zur Einzahlung zu bringen. Ich befinde mich seit nunmehr mehr über drei Jahren in Strafhaft ... und verfüge aus diesem Grund nicht über die Mittel, die geforderten Beträge zu Überweisen. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich diese, meine finanzielle Situation in absehbarer Zukunft ändern wird, da meine derzeit noch zu verbüßende Strafhaft noch fast 10 Jahre dauern wird. Da ich außer der monatlich zugewiesenen Arbeitsvergütung von Ca. EUR 65,-- keinerlei Vermögen oder Wertgegenstände besitze, und auch von meinen Angehörigen keinerlei finanzielle Zuwendung erhalte, bin ich somit Mittellos und ersuche das BG Favoriten, weitere Zahlungs-Aufforderungen nicht mehr zuzustellen. Außerdem ersuche ich im Hinblick auf meine Situation keine weiteren Beträge mehr rechtskräftig zu bestimmen, da dies nur erhöhte Ausgaben ohne jeglichen Erfolg auf Bezahlung meinerseits bewirken würde. Ich ersuche daher das BG. Favoriten, meine jetzige Situation zur Kenntnis zu nehmen und künftig in o.a. Pflegschaftssache keine gerichtliche Entscheidung zu einem Zahlungsauftrag zu erlassen."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers, die in der Pflegschaftssache des Bezirksgerichtes Favoriten vorgeschriebenen Gerichtsgebühren im Betrag von 115,50 EUR gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 nachzulassen, nicht Folge.

Die Begründung dieses Bescheides lautet:

"Unter Hinweis, dass der noch fast 10 Jahre in Haft sei und

über kein Vermögen oder Wertgegenstände verfüge, beantragte (der Beschwerdeführer) den Nachlass.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 können - von dem hier schon vorneherein nicht in Betracht kommenden Fall des öffentlichen Interesses abgesehen - Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass in Anbetracht des Umstands, dass er über ein Eigengeld von 1.064,86 EUR verfügt, in der Einbringung eines Betrags von 115,50 EUR aber keine besondere Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG 1962 erblickt werden kann."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf rechtswidrige Anwendung des § 9 Abs. 2 GEG 1962 verletzt. In den Beschwerdegründen wird ausgeführt, die belangte Behörde sei zur Erlassung des Bescheides nicht zuständig gewesen, weil er einen Antrag auf Nachlass der Gerichtsgebühr gar nicht gestellt habe.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gebühren und Kosten können auf Antrag gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Voraussetzung einer Nachlassentscheidung nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 ist ein Antrag des Nachlasswerbers. Es ist dabei Sache des Antragstellers einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels, die seiner Ansicht nach für den Nachlass sprechenden Umstände darzulegen (vgl. die in Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren7, zu E 28 und 29 zu § 9 GEG angeführte Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde, einen solchen Antrag auf Nachlass überhaupt gestellt zu haben, und bringt vor, er habe lediglich ersucht, seine voraussichtlich noch zehn Jahre dauernde Situation zur Kenntnis zu nehmen und künftig in der Pflegschaftssache keine weiteren Zahlungsaufträge zu erlassen.

Bei der Beurteilung von Parteianbringen ist grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteierklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus diesem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, zu § 13 Abs. 1 AVG, S. 272, angeführte Rechtsprechung sowie Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar2, Rz 1 zu § 85 BAO).

Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln (vgl. Hauer/Leukauf und Ritz, aaO).

Das Schreiben des Beschwerdeführers betrifft laufend eingehende Zahlungsaufforderungen in einer Pflegschaftssache. In diesem Schreiben stellt der Beschwerdeführer zunächst seine persönliche und finanzielle Situation dar und ersucht sodann, keine weiteren Zahlungsaufforderungen zuzustellen, keine weiteren Beträge mehr rechtskräftig zu bestimmen und künftig keine Zahlungsaufträge zu erlassen.

Mit diesem Schreiben begehrt der Beschwerdeführer somit vom Gericht, ihm gegenüber in Zukunft keine weiteren Zahlungsaufforderungen und Zahlungsaufträge zu erlassen bzw. keine weiteren Beträge zu bestimmen. Ein Nachlass der ihm bereits vorgeschriebenen aber auch solcher künftig noch zu erwartenden Gerichtsgebühren wird in diesem Schreiben weder ausdrücklich begehrt, noch kann bei dem Inhalt des Schreibens davon ausgegangen werden, dass dies Ziel des Beschwerdeführers gewesen ist. Er bringt auch keine weiteren Gründe vor, die einen solchen Nachlass rechtfertigen könnten. Sein Begehren in dieser Angelegenheit war vielmehr, keine weiteren Erledigungen mit der Verpflichtung zur Leistung von Geldbeträgen in Zusammenhang mit der Pflegschaftssache zu erhalten. Ein Antrag auf Nachlass der ihm bereits vorgeschriebenen Gerichtsgebühr von EUR 115,50 liegt nicht vor.

Hätte die belangte Behörde - wozu allerdings allein auf Grund des Inhalts des Schreibens kein Anlass bestand - dem Schreiben einen ungenügend bestimmten Inhalt eines Antrages unterstellen können, dann wäre in einem von Amts wegen einzuleitenden Ermittlungsverfahren der tatsächliche Wille des Beschwerdeführers zu klären gewesen.

Im Übrigen ist auf die auch im Nachlassverfahren bestehende Verpflichtung zur Einhaltung der Verfahrensgrundsätze und Bescheidbegründung hinzuweisen (vgl. die in Tschugguel/Pötscher, aaO, E 1 - 14 und E 33 - 38 zu § 9 GEG angeführte Rechtsprechung), der im Beschwerdefall mit dem angefochtenen Bescheid nicht entsprochen wurde.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift zur Unterstützung ihrer Ansicht, dem Schreiben vom einen Antrag auf Nachlass der Gerichtsgebühren unterstellen zu können, auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0028, verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass in dem damals entschiedenen Beschwerdefall ein "gleichsam einem Notschrei entsprechender Antrag" vorlag, der nach der damaligen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles nur als Antrag auf Nachlass nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 gewertet werden konnte. Der Beschwerdefall ist aber mit dem mit dem hg. Erkenntnis vom entschiedenen Beschwerdefall nicht vergleichbar, weil weder ein solcher Antrag vorliegt noch die Umstände des Beschwerdefalles vergleichbar sind.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Nachlass der Gerichtsgebühren gestellt hat. Der ohne solchen Antrag ergangene Bescheid betreffend Abweisung des Nachlasses der Gerichtsgebühren ist daher von einer unzuständigen Behörde erlassen worden (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/76).

Die Unzuständigkeit der belangten Behörde ist vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/15/0073).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am