VwGH vom 25.10.2006, 2004/15/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln in Tulln, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/4004-W/2002, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000 (mitbeteiligte Partei: Mag. Sch in A, vertreten durch Causa Wirtschaftstreuhand GmbH, Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Türkenstraße 25/8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einer Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Finanzamtes Tulln betreffend Einkommensteuer 2000 Folge gegeben und den Bescheid des Finanzamtes abgeändert. In der Begründung führte sie aus, der Mitbeteiligte sei im Streitjahr neben seiner Tätigkeit als Angestellter einer Bank auch für die Fachhochschule des BFI sowohl selbständig als auch nichtselbständig erwerbstätig gewesen. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 habe er von seinen Einnahmen aus selbständiger Arbeit Aufwendungen für ein Arbeitszimmer und zwar anteilige Versicherung, Strom, Rauchfangkehrer und Gemeindeabgaben, in Abzug gebracht. Das Finanzamt habe im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 diese Aufwendungen nicht anerkannt.
Der Mitbeteiligte habe in seiner Berufung gegen den bekämpften Bescheid ausgeführt, seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Streitjahr habe er im Wesentlichen durch das Abhalten von Seminaren und Vorträgen erzielt. In seinem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer finde die Vorbereitung der Vorträge und Seminare, die Erstellung der Unterlagen, die Nachbearbeitung der Vorträge und Seminare, die Kundenakquirierung, die Verwaltungstätigkeit, die Fortbildung mit Fachliteratur, das Verfassen von Fachliteratur usw. statt. Die überwiegende selbständige Tätigkeit finde daher in diesem Arbeitszimmer statt.
Das Finanzamt habe mit Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet abgewiesen. Es sei davon ausgegangen, der Mittelpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten liege jedenfalls außerhalb des Arbeitszimmers.
Nachdem der Mitbeteiligte den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt habe, sei er von der belangten Behörde aufgefordert worden, einen maßstabgetreuen Wohnungs- oder Gebäudeplan unter Angabe des Arbeitszimmers sowie Fotos, die das Innere des Arbeitszimmers abbilden, vorzulegen. Weiters seien ihm Fragen über den Umfang und den Inhalt seiner selbständigen Tätigkeit gestellt worden. Diesem Auftrag sei der Mitbeteiligte nachgekommen.
Das Finanzamt habe in einer Stellungnahme zu den Ausführungen des Mitbeteiligten seinen Rechtsstandpunkt aufrecht erhalten und überdies vorgebracht, die vorgelegten Fotos würden einen Arbeitsraum zeigen, der in gleicher oder ähnlicher Ausstattung in der Mehrzahl von Haushalten vorhanden sei und auf die unterschiedlichste Art und Weise genutzt werde.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es sei sachverhaltsmäßig davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte im Streitjahr als Angestellter einer Bank ganzjährig nichtselbständig erwerbstätig gewesen sei. Daneben sei er für die Fachhochschule des BFI als Vortragender selbständig und auch nichtselbständig tätig geworden. An der Fachhochschule habe er in der Zeit vom 31. März bis 12. Juli des Streitjahres 34 Lehrveranstaltungen a 4 Stunden abgehalten, sohin 136 Vortragsstunden. In der Zeit vom bis zum habe er 112 Vortragsstunden gehalten.
Der Mitbeteiligte habe zahlreiche Seminarunterlagen wie Skripten, Overheadfolien, erstellt.
Der Mitbeteiligte sei Eigentümer eines Hauses bestehend aus Keller, Erd- und Dachgeschoß. Der Keller und das Erdgeschoß umfassten 135,19 m2, das Dachgeschoß 60,76 m2, das seien 31,13 % der Gesamtfläche von 195,95 m2. Nach den Fotos vom Dachgeschoß befinde sich dort ein runder Tisch mit vier Stühlen, ein Multimedia-Arbeitsplatz, eine Besprechungsecke, ein Präsentations- und Arbeitstisch mit Flip-Chart sowie eine Bibliothek. Der Mitbeteiligte habe von Jänner bis Juni 2000 an Rauchfangkehrergebühren S 758,88, S 10.013,-- für den Strombezug, S 7.870,50 für Gemeindeabgaben und S 6.511,10 für eine Eigenheimversicherung bezahlt. 31,13 % von der Summe dieser Beträge ergäben S 7.830,28.
Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte als Angestellter einer Bank Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erziele und in diesem Unternehmen einen Arbeitsplatz zur Verfügung habe. Dieser Arbeit sei der Mitbeteiligte im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung nachgegangen. Daneben habe der Mitbeteiligte im Streitjahr die Einkünfte aus seiner Vortragstätigkeit an der Fachhochschule erzielt. Diese Vortragstätigkeit habe Lehrveranstaltungen zu Themen wie "Grundlagen der Persönlichkeit", "Führungsverhalten" und "Selbstentwicklung und Personalentwicklung" umfasst. Die Unterlagen zu diesen Vorträgen und die Vorträge selbst habe der Mitbeteiligte nicht in seinem Büro bei der Bank, sondern in seinem Eigenheim bearbeitet. Dass er dafür das Dachgeschoß in seinem Eigenheim gemäß einem Arbeitszimmer adaptiert habe, sei durch die vorgelegten Fotos glaubwürdig belegt worden.
Strittig sei, ob die Vortragstätigkeit des Mitbeteiligten an der Fachhochschule des BFI dieses Arbeitszimmer bedinge. Diese Frage sei nur aus der Sicht der Einkunftsquelle "Fachhochschule" zu beurteilen. Der Mitbeteiligte habe vorgebracht, dass er im Durchschnitt für eine Vortragsstunde einen zusätzlichen Zeitaufwand von 1,5 Stunden für die Vorbereitung der Vorträge benötige. Anhand der vorgelegten Bestätigungen über die im Jahr 2000 abgehaltenen Lehrveranstaltungen sowie an Hand der beigebrachten Kopien der Seminarunterlagen könne dieses Vorbringen von 1,5 Stunden durchschnittlicher Vorbereitungszeit pro Vortragsstunde nachvollzogen werden. Damit ergebe sich aber auch, dass das Arbeitszimmer und die damit zusammenhängenden Ausgaben einkommensteuerrechtlich anzuerkennen seien. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom , 99/14/0008) sei der Mittelpunkt einer Tätigkeit nach ihrem materiellen Schwerpunkt zu beurteilen, das heiße, im Zweifel sei darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeiten im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt werde. Dies treffe beim Mitbeteiligten zu, sodass seine Ausgaben für sein Arbeitszimmer dem Grunde nach als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anzuerkennen seien.
Die festgestellten anteiligen Ausgaben des Mitbeteiligten für das Arbeitszimmer müssten korrekterweise in eine Betriebsausgaben- und eine Werbungskostenkomponente aufgeteilt werden, weil der Mitbeteiligte von der Fachhochschule sowohl Einkünfte aus selbständiger als auch aus nichtselbständiger Tätigkeit bezogen habe. Aus Gründen der Einfachheit würden diese Ausgaben allein bei seinem erklärten Gewinn berücksichtigt, weil sich dadurch der Gesamtbetrag der Einkünfte, das steuerrechtliche Einkommen und somit die Steuerbemessungsgrundlage nicht verändere. Der bekämpfte Bescheid sei daher abzuändern gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde erwogen:
In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, für eine vortragende Tätigkeit liege der Tätigkeitsmittelpunkt berufsbildbezogen außerhalb des Arbeitszimmers. Weiters wird vorgetragen, die sehr wohnliche Gestaltung und die sich im Raum befindlichen Möbel ließen die für die Abzugsfähigkeit geforderte ausschließliche oder nahezu ausschließliche berufliche Nutzung nicht vermuten. Es liege vielmehr die Vermutung nahe, dass der Raum auch ähnlich einem Wohnzimmer verwendet werden könne.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 sind Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abzugsfähig. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.
Die ausschließliche oder nahezu ausschließliche betriebliche bzw. berufliche Verwendung eines im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers ist Voraussetzung dafür, um überhaupt von einem Arbeitszimmer im steuerlichen Sinn sprechen zu können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 98/15/0100, ausgesprochen, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das Arbeitszimmer auch davon abhängig macht, dass es den Mittelpunkt der entsprechenden Betätigung des Steuerpflichtigen darstellt. Der Mittelpunkt der Tätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 ist dabei aus der Sicht der Einkunftsquelle zu bestimmen und das Tatbestandsmerkmal der gesamten (betrieblichen/beruflichen) Tätigkeit auf die gesamte Betätigung im Rahmen dieses einen konkreten Betriebes abzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zu Lehrtätigkeiten und zu Vortragstätigkeiten (vgl. das Erkenntnis vom , 2002/13/0202, m.w.N.) ausgesprochen, dass der Mittelpunkt dieser Tätigkeiten - auch ungeachtet der zeitlichen Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers - vom materiellen Gehalt her nach der Verkehrsauffassung nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt, sondern an jenem Ort, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolgt. Liegt nach dem typischen Berufsbild einer Tätigkeit deren materieller Schwerpunkt zweifellos nicht im häuslichen Arbeitszimmer, kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht zu mehr als der Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird. Nur bei Tätigkeiten mit nicht eindeutig festlegbaren materiellem Schwerpunkt ist im Zweifel auf eine überwiegende zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers abzustellen (vgl. auch hiezu das oben erwähnte hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0202).
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am