VwGH vom 29.03.2007, 2004/15/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der aus J und E H gebildeten Miteigentümergemeinschaft in P, vertreten durch Dr. Richard Stengg, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Holundergasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0704-W/02, betreffend vorläufige Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
J.H. und E.H. erwarben im Streitjahr 1996 eine Liegenschaft in P. samt darauf errichteten Gebäuden und bildeten eine Miteigentumsgemeinschaft (die Beschwerdeführerin), welche in der Folge Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dieser Liegenschaft erzielte. Strittig ist im Beschwerdefall die Absetzung für Abnutzung (AfA) für die auf dieser Liegenschaft errichteten Gebäude.
Mit ihrer Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften (Gemeinschaften) für 1996 erklärte die Beschwerdeführerin negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Den Mieteinnahmen aus der mit Kaufvertrag vom erworbenen Liegenschaft stünden Werbungskosten gegenüber, welche u.a. eine (Halbjahres-)AfA enthielten, deren Berechnung eine Restnutzungsdauer der Gebäude von 15 Jahren "lt. Schätzgutachten" zu Grunde lag.
Mit einem gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassenen Bescheid vom stellte das Finanzamt gemäß § 188 BAO die von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorläufig fest, berücksichtigte jedoch bei den Werbungskosten lediglich eine AfA, welcher eine Restnutzungsdauer von 25 Jahren zu Grunde lag, und verringerte somit den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Werbungskostenüberschuss.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, zur Feststellung der Restnutzungsdauer des erworbenen Objekts sei ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen eingeholt worden. Der Gutachter habe "begründet festgestellt", dass die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der Gebäude 15 Jahre betrage.
Das in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene "Bewertungsgutachten über den Verkehrswert" der in Rede stehenden Liegenschaft zum "Bewertungszeitpunkt 11/1996" schildert in der "Beschreibung" das Grundstück und die darauf errichteten Gebäude nach der Art und der Bauweise und trifft zum Bauzustand die Aussage in Punkt 2.7.: "Bau- und Erhaltungszustand ist dem Baualter entsprechend mittelmäßig." Bei der Berechnung des Gebäudesachwertes geht das Gutachten von einer "Wertminderung nach Ross-Brachmann für eine technische Lebensdauer von 50 Jahren" aus und setzt bei der Ertragswertberechnung die "wirtschaftliche Nutzungsdauer", welche "im Gegensatz zur technischen Lebensdauer jene Zeitspanne" sei, in welcher ein Gebäude "in Hinblick auf seine allgemeine Zweckbestimmung wirtschaftlich vertretbar genutzt werden" könne, und welche "wieder nach Ross-Brachmann, bei modernen Industriebauten 30 bis 40 Jahre" sei, mit 40 Jahren an. Da "die große Halle mit den eingebauten Büros" 29 Jahre alt sei und die Restnutzungsdauer daher 11 Jahre betrage, die "kleine Halle mit Garage" 22 Jahre alt sei und die Restnutzungsdauer daher 18 Jahre betrage, gelange der Gutachter auf eine "gemeinsame Restnutzungsdauer von 15 Jahren".
Mit Schreiben vom hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 vor. Voraussetzung für einen höheren Betrag an AfA als nach dieser Gesetzesstelle sei ein Nachweis über eine Nutzungsdauer, wenn diese von der vom Gesetzgeber angenommenen Nutzungsdauer von 67 Jahren abweiche. Der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer könne grundsätzlich nur mit einem Gutachten über den Bauzustand erbracht werden. Im "Bewertungsgutachten vom " wäre daher auf den Bauzustand der in den Jahren 1967 und 1975 errichteten Gebäude einzugehen und dabei "auf die Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen". Im vorliegenden Gutachten werde aber auf diese Umstände nicht eingegangen. Die allgemeine Beschreibung der Gebäudeteile folge einer Bewertung "nach Ross-Brachmann", wobei die für moderne Industriebauten angeführte Nutzungsdauer als Restnutzungsdauer angesetzt werde. Eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes käme insbesondere bei schlechtem Bauzustand, schlechten Bauausführungen oder besonderen statischen Problemen in Betracht. Solche Umstände würden im vorliegenden Gutachten nicht angeführt.
Mit Schriftsatz vom übermittelte die Vertreterin der Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine Stellungnahme des Gutachters vom , worin dieser ausführte, sein Gutachten stelle ein "Bewertungsgutachten" über eine Ertragsliegenschaft dar, welche einer zweifachen Bewertung unterzogen worden sei. Die Restnutzungsdauer sei dabei nur eine unter vielen Berechnungsgrundlagen. Nach allgemeinen Ausführungen zur "technischen Lebensdauer" und zur "wirtschaftlichen Nutzungsdauer" schließt er, dass er damit verständlich zu machen hoffe, warum er für den Ertragswert keine technischen Gründe angeführt habe und dass die Nutzungsdauer weder mit der technischen Lebensdauer begrifflich identisch "noch im Wert gleich sein" könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des "Bewertungsgutachtens vom über den Verkehrswert" der in Rede stehenden Liegenschaft und des erwähnten Schreibens des Gutachters vom stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin habe im November 1996 ein Betriebsgebäude, bestehend aus zwei Lagerhallen samt Bürotrakt und Nebenräumen im Erdgeschoss und einen weiteren Bürotrakt im Obergeschoss zum Zwecke einer Vermietung gekauft. Eine Beschreibung der Gebäude sei einem Bewertungsgutachten über den Verkehrswert der Liegenschaft vom zu entnehmen. Gegenstand dieses Gutachtens sei nach dessen Punkt 1.1. die Ermittlung des Verkehrswertes zum Zwecke der Berechnung des "im Kaufpreis enthaltenen Gebäudepreises". Voraussetzung für einen höheren Betrag an AfA als im § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 festgelegt, sei der Nachweis über eine Abweichung von der vom Gesetzgeber angenommenen Nutzungsdauer von 67 Jahren. Der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer könne grundsätzlich nur mit einem Gutachten über den Bauzustand erbracht werden. Die AfA bemesse sich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes. Darunter sei die Dauer aus einer technischen und wirtschaftlichen Nutzbarkeit zu verstehen. Die technische Abnutzung sei der materielle Verschleiß, sein Substanzverzehr. Als wirtschaftliche Abnutzung bezeichne man die Verminderung oder das Aufhören der Verwendungsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes könne regelmäßig nur geschätzt werden. Zu schätzen sei der derzeitige Bauzustand und damit verbunden die Restnutzungsmöglichkeit des Gebäudes. Bei der Beurteilung des Bauzustandes im Zeitpunkt des Erwerbes sei auch auf Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen, beispielsweise auf einen schlechten Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme.
Im von der Beschwerdeführerin beigebrachten Sachverständigengutachten vom sei eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 40 Jahren für die Gebäude festgelegt worden, von welcher die Zeitspanne zwischen Errichtungsdatum und Kaufdatum abgezogen worden sei und woraus sich die Restnutzungsdauer als Differenzwert ergebe. Der Sachverständige habe im Beschwerdefall keinen Bezug zum bewerteten Objekt hergestellt und beschreibe lediglich das Gebäude und dessen Konstruktion. Der Bau- und Erhaltungszustand sei dem Gutachter zu Folge "dem Baualter entsprechend mittelmäßig". Damit habe der Gutachter nur auf das Baualter Bezug genommen. Auf den konkreten Bauzustand gehe der Gutachter hingegen nicht ein, es seien auch keine Baumängel wie Baurisse oder statische Probleme festgestellt worden. Für die Ermittlung der Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) seien jedoch nur die konstruktiven und haltbaren Bauteile (Mauern und Decken) sowie deren Zustand maßgebend. Unzulässig sei es, bloß schematisch von der geschätzten Gesamtnutzungsdauer auszugehen und davon die bisherige Nutzungsdauer abzuziehen, ohne dabei auf die individuellen Gegebenheiten der Liegenschaft einzugehen. Die belangte Behörde gelange daher zum Schluss, dass mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine besondere Auffälligkeit des Gebäudes (wie schlechter Bauzustand oder statische Probleme) oder schon eingetretene Gebäudeschäden die Restnutzungsdauer nicht kürzer als im Regelfall zu schätzen sei und von der gesetzlichen Nutzungsdauer von 67 Jahren nicht abgegangen werden könne.
Auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte "Ergänzungsschreiben" vom sei nicht geeignet, den Nachweis für eine kürzere Nutzungsdauer des in Rede stehenden Gebäudes zu erbringen, weil es auch nicht auf den zum Erwerbszeitpunkt gegebenen Bauzustand eingehe.
Daher sei der in § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 normierte AfA-Satz von 1,5 % anzuwenden und unter Zugrundelegung einer so berechneten AfA seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dementsprechend (mit einem geringeren Werbungskostenüberschuss als durch das Finanzamt) festzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde "die Vorläufigkeit des Bescheides des Finanzamtes" in eine "Endgültigkeit abgeändert" habe.
Dieses Vorwurf ist unberechtigt, scheint doch im Spruch (und auch in der Begründung) des angefochtenen Bescheides mit keinem Wort auf, dass die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünfte (in der von der belangten Behörde ermittelten Höhe) endgültig festgestellt hätte.
Dass der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich anführt, dass die Einkünftefeststellung durch die belangte Behörde vorläufig erfolge, ergibt sich daraus, dass mit dem Ausspruch, die Berufung als unbegründet abzuweisen, der Spruch des bekämpften Bescheides des Finanzamtes übernommen wurde und dass nach dem Ausspruch "der angefochtene Bescheid wird abgeändert" nur die Änderungen gegenüber dem Bescheid des Finanzamtes angeführt sind. Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung der Einkünfte weicht nur betraglich von jener des Finanzamtes ab, die vom Finanzamt ausgesprochene vorläufige Feststellung wurde von der belangten Behörde nicht abgeändert.
Nach § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1988 können von den Einnahmen als Werbungskosten auch die Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§ 7 und 8) geltend gemacht werden.
Gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1988 sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (abnutzbares Anlagevermögen), gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen (Absetzung für Abnutzung). Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bemisst sich nach der Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend gemacht werden.
Mit der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 stellt das Gesetz die Vermutung im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt; die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung mit der Behauptung des Vorliegens einer kürzeren Restnutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei ein solcher Beweis im Regelfall durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erbringen ist (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0132, mwN).
Unter Nutzungsdauer im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 ist die normale technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer zu verstehen. Sie ist keine errechenbare, sondern nur eine im Schätzungswege feststellbare Größe (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0139).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, hängt die Restnutzungsdauer eines erworbenen Gebäudes vornehmlich vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes ab, wobei auf Beeinträchtigung aus verschiedenen Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0112, mwN). Als Umstände, auf Grund derer eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden müsste, kämen z.B. ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0074).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist es für nicht rechtswidrig zu befinden, dass die belangte Behörde den Nachweis einer kürzeren als der in § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988 festgelegten durchschnittlichen Restnutzungsdauer als nicht erbracht angesehen hat, weil weder das Gutachten vom noch das "Ergänzungsschreiben" des Gutachters vom konkret auf den Bauzustand oder sonstige Baumängel der in Rede stehenden Gebäude eingeht.
Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, bei Gebäuden, die der Ertragserzielung dienten, sei die wirtschaftliche Nutzungsdauer vorrangig und vom Gutachter in seiner Ertragswertberechnung "auf Grund der anerkannten Fachliteratur in Verbindung mit seiner Berufserfahrung" mit 15 Jahre geschätzt worden, übersieht sie, dass der Gutachter eben allgemeine Durchschnittswerte der Fachliteratur herangezogen, aber keine Aussagen über den konkreten Bauzustand oder Baumängel der in Rede stehenden Gebäude getroffen hat.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof sehe in seiner Rechtsprechung wirtschaftliche Aspekte als wesentlich an und lasse allgemeine Erfahrungswerte neben konkreten Zuständen gelten, vernachlässigt sie mit diesen allgemeinen Ausführungen, dass der Begriff der "wirtschaftlichen Nutzungsdauer" in der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung nicht besteht. Sollte vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Gebäude nicht mehr gegeben sein, käme auch im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung (§ 16 Abs. 1 Z 8 iVm § 8 Abs. 4 EStG 1988) in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0192).
Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am