VwGH vom 22.03.2010, 2007/15/0256

VwGH vom 22.03.2010, 2007/15/0256

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Thuller Partner Wirtschaftstreuhand Steuerberatungs GmbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 83, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0081-K/07, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2005 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als leitender Angestellter einer Versicherungsanstalt. Daneben war er als Vortragender bei einer Erwachsenenbildungseinrichtung tätig und erzielte daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

In der Einkommensteuererklärung 2005 machte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine Behinderung neben anderen nicht strittigen Aufwendungen Ausgaben für Terrassenarbeiten in Höhe von 700 EUR sowie für Gartenarbeiten in Höhe von 630 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.

Aktenkundig ist eine behördlich festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers im Ausmaß von 50%. Die hierzu vorgelegte amtsärztliche Bestätigung aus dem Jahr 2001 hat folgenden Inhalt:

"Bei Herrn (Beschwerdeführer) besteht ein lumbosacraler Übergangswirbel mit chronisch rezidiv. Lumbosacralgie mit pseudoradikulärer Ausstrahlung links bei Spondylolisthese Grad I und Degeneration der LWS.

Vom Bundessozialamt wurde ein Grad der Behinderung von 50% eingestuft.

Aus amtsärztlicher Sicht wird dazu festgestellt, dass im akuten Schub und bei entzündlicher Aktivierung größere Besorgungen des alltäglichen Lebens nicht durchgeführt werden können und eine Hilfestellung durch andere Personen notwendig ist."

Im Zusammenhang mit den Aufwandspositionen "Terrassen- und Gartenarbeiten" finden sich folgende Bestätigungen in den Verwaltungsakten:

"Ich ... Kurt, (...) bestätige auf diesem Wege, dass ich

bedingt durch die chronischen Erkrankungen von (Beschwerdeführer) körperlich schwerere Arbeiten auf der Terrasse (Reinigungsarbeiten, Einwinterungs-, Auswinterungsarbeiten, Reparaturarbeiten), die von ihm krankheitshalber nicht durchgeführt werden können, erledigt habe. Pauschal wurden dafür im Jahr 2005 700,00 bezahlt."

"Für die im Frühjahr und im Herbst 2005 durchgeführten 'Garten- und Bepflanzungsarbeiten' (Beschaffungs-, Transport- und Durchführungstätigkeiten) auf der Terrasse von (Beschwerdeführer), werden von mir, ... Renate, (…) nachfolgende Stunden in Rechnung gestellt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
April 2005
25 Stunden a'10,00
250,00
Mai 2005
20 Stunden a'10,00
200,00
November 2005
18 Stunden a'10,00
180,00
Summe 630,00 ---------------------------

Den Rechnungsbetrag habe ich jeweils in den ob genannten

Teilbeträgen bar erhalten."

Im Einkommensteuerbescheid 2005 berücksichtigte das Finanzamt den Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 sowie den Pauschbetrag wegen Diätverpflegung und anerkannte auch sonst alle beantragten Aufwendungen (insbesondere für Medikamente, Arztbesuche und Rezeptgebühren) mit Ausnahme jener für die Terrassen- und Gartenarbeiten als außergewöhnliche Belastung.

In der dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei kranken Personen insoweit eine außergewöhnliche Belastung vorliegen könne, als die krankheitsbedingte Betreuung über eine normale Haushaltshilfe hinausginge. Dies sei gegenständlich der Fall. Das "Organisieren und Heranschaffen/Tragen von Blumenerde (20 bis 25 kg) Sträucher, Ballen auf die Terrasse sowie deren Einpflanzung in den einzelnen Betontrögen. Verheben von einzelnen Betontrögen (Leergewicht 380 kg, bepflanzt ca. 550 bis 600 kg) mittels Handhubwagen" stellten Arbeiten dar, die der Beschwerdeführer auf Grund seiner aktenkundigen Behinderung nicht selbst durchführen könne. Da einzelne Pflanzen nicht winterhart seien, müssten diese Betontröge in den Keller transportiert oder auf der Terrasse eingehaust werden. Dazu seien aufwendige näher beschriebene Reinigungsmaßnahmen erforderlich. Diese Tätigkeiten gingen im Sinne des hg. Erkenntnisses vom , 94/15/0141, weit über die Tätigkeit einer "normalen Haushaltshilfe" hinaus.

Die belangte Behörde führte einen Ortsaugenschein durch und stellte dabei fest, dass die streitgegenständliche Terrasse im

3. Stock einer Wohnungseigentumsanlage liege und ausschließlich über die Terrassentür der Eigentumswohnung des Beschwerdeführers erreicht werden könne. Die Terrassenfläche belaufe sich nach den Angaben des Beschwerdeführers auf 97 m2 und sei gänzlich mit Steinplatten ausgekleidet. Die berufungsgegenständlichen Waschbetontröge, die allesamt mit Schilfpflanzen, Thujen u.ä. bepflanzt seien, befänden sich - aneinander gereiht - zu einem überwiegenden Teil an der Terrassenbrüstung. Über Befragen habe der Beschwerdeführer angegeben, sein Vater Kurt P. habe sämtliche körperlich anstrengenden Terrassenarbeiten erledigt; auch die sehr zeitaufwendigen Reinigungsarbeiten am Wasserabfluss sowie am Terrassenunterbau. Sämtliche "Gartenarbeiten", wie Düngen, Kürzen der Schilfblätter, Neubepflanzungen, Besorgung von Blumenerde, etc. seien von Frau Renate V., einer Bekannten, besorgt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Die Arbeiten an der Terrasse beinhalteten kein Element der Außergewöhnlichkeit, weil Tätigkeiten dieser Art in Ansehung des Gewichtes der zu befördernden Tröge und aufzuhebenden Betonplatten (ca. 20 kg) von einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen auch ohne körperliche Beeinträchtigung unter Inanspruchnahme fremder Hilfe durchgeführt würden. Insbesondere seien ältere oder auf Grund ihrer körperlichen Konstitution nicht geeignete Personen in der Regel dazu verhalten, derartige Arbeiten von Dritten entgeltlich besorgen zu lassen. So sei es insbesondere auch Frauen nicht zuzumuten, Betontröge mit einem derartigen Gewicht zu befördern bzw. zur Einwinterung in den Keller zu verbringen. Es erübrige sich daher auch eine Prüfung der Frage, ob die von der Rechtsprechung in Bezug auf die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelten Kriterien im gegenständlichen Fall überhaupt vorliegen.

Hinsichtlich der "Gartenarbeiten" liege das Element der Zwangsläufigkeit - unzweifelhaft - nicht vor. Die Bepflanzung der Betontröge im Brüstungsbereich mit Koniferen, Schilfpflanzen udgl. sei auf Grund des freien Entschlusses des Beschwerdeführers erfolgt. All diese Maßnahmen dienten offensichtlich der Verschönerung des Terrassenbereiches sowie der Herstellung eines Sichtschutzes. Es ergäbe sich somit kein Hinweis darauf, dass die getätigten Arbeiten aus tatsächlichen, rechtlichen oder gar sittlichen Gründen erforderlich gewesen wären.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 34 Abs. 1 bis 3 EStG 1988 lautet:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann."

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I. Nr. 9/1998 lautet auszugsweise:

"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

(...)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
-
Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
-
Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
Die diesbezügliche Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001) sieht in deren § 2 eine Pauschalabgeltung der Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung und in § 4 eine Berücksichtigung von nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß vor.
Wenn zu Beginn der Beschwerde vorgebracht wird, dass gleichartige Aufwendungen für Terrassen- und Gartenarbeiten im Jahr 2004 (Vorjahr des Streitjahres) vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastung erklärungskonform anerkannt worden seien, so ist dem vorweg im Einklang mit der Gegenschrift zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit schützt. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Auffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen ließen, wie dies z.B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (siehe für viele die hg. Erkenntnisse vom , 2008/15/0049, und 2008/15/0054).
Das Vorliegen eines solchen Falles wird weder in der Beschwerde behauptet, noch finden sich hierfür Indizien in den Verwaltungsakten.
Davon abgesehen könnte der Grundsatz von Treu und Glauben auch nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2004/14/0076). Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Beschwerdefall gleichfalls nicht.
Die belangte Behörde war daher verhalten, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen für das Streitjahr an Hand der angeführten Gesetzesbestimmungen zu prüfen und allenfalls von einer für frühere Veranlagungszeiträume geübten rechtswidrigen Vorgangsweise abzugehen.
In der Sache selbst wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die strittigen Kosten typischerweise einer Vielzahl von Garten- und Eigenheimbesitzern erwachsen. Besagte Arbeiten würden üblicherweise von einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen, nämlich allen, die nicht wie der Beschwerdeführer mindestens 50% erwerbsgemindert seien, selbst durchgeführt. Dem Hinweis der belangten Behörde, dass es sich "bei der Bepflanzung um Verschönerung bzw. um das Herstellen eines Sichtschutzes handelt, der keine Zwangsläufigkeit darstellt, wird man wohl entgegenstellen müssen, dass es den Gepflogenheiten (allgemein üblich) entspricht, dass jeder Garten- und Eigenheimbesitzer dafür Bepflanzungen durchführt". Um eine gewisse notwendige Privatsphäre zu bewahren, sei man gezwungen, Sichtschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl.
Hofstätter/Reichel , EStG36, § 34 Abs 2 bis 5 Tz. 3, und Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuerhandbuch, § 34 Tz. 14, sowie die dort jeweils angeführte hg. Judikatur) ergibt sich aus der Bestimmung des § 34 Abs. 3 EStG 1988 mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. ergänzend auch das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0081).
Wenn die belangte Behörde der Terrassenbepflanzung das Merkmal der Zwangsläufigkeit abgesprochen hat, kann ihr in dieser Beurteilung gefolgt werden. Die Beschwerde zeigt auch unter dem Aspekt der Üblichkeit derartiger Maßnahmen aus Gründen des Sichtschutzes nicht auf, dass dem Beschwerdeführer die (weitere) Benützung der Wohnung ohne Bepflanzung der Terrasse nicht zuzumuten wäre. Damit fehlt aber auch allen infolge der Bepflanzung notwendigen Reinigungs-, Ein- und Auswinterungsmaßnahmen das Element der Zwangsläufigkeit.
Der Vergleich der streitgegenständlichen Aufwendungen mit jenen für die Beschäftigung einer NOTWENDIGEN Haushaltshilfe für eine behinderte Person geht daher von vornherein fehl.
Konnten die geltend gemachten Aufwendungen für die Arbeiten an der Terrasse des Beschwerdeführers damit schon mangels Zwangsläufigkeit keine Anerkennung finden, kann die Frage der von der belangten Behörde teilweise auch verneinten Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen (und das hiezu erstattete Beschwerdevorbringen) dahingestellt bleiben.
Da die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermag, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am