VwGH vom 27.09.2012, 2009/16/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Ö Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die gmc-unitreu Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1041 Wien, Schwindgasse 7, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 406/08, betreffend Festsetzung und Rückerstattung von Getränkesteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die W GmbH gab hinsichtlich der Getränkesteuer für ihre Wiener Gastronomiebetriebe für das Jahr 1999 unter Hinweis auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eine sog. Nullerklärungen ab. Für das Jahr 2000 erklärte die W GmbH betragsmäßig aufgeschlüsselt die Getränkesteuer, erklärte aber dass diese Getränkesteuer aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bedenken nicht mehr geschuldet werde.
Mit Schreiben vom beantragte die W GmbH die bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1999 und die Rückzahlung der bislang entrichteten Beträge.
Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die W GmbH, als übertragende Gesellschaft, mit der Beschwerdeführerin, als aufnehmende Gesellschaft, rückwirkend mit verschmolzen.
Im Oktober 2002 fand für den Standort der (vormaligen) W GmbH eine Getränkesteuerrevision über den Zeitraum April bis Dezember 2000 statt. Der diesbezügliche Revisionsbericht trägt neben einem Stempelabdruck des Magistrats ausschließlich einen solchen der W GmbH.
In Spruchpunkt I.) des an die W GmbH gerichteten "Bescheides" vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien dieser eine Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Speiseeis für das Jahr 1999 von EUR 320.143,75 und für das Jahr 2000 von EUR 326.043,55 vor. In Spruchpunkt II.) wies der Magistrat den Antrag der W GmbH vom auf Rückzahlung der Getränkesteuer ab. Der W GmbH wurde in Spruchpunkt III.) für die überwälzte und bisher noch nicht entrichtete Getränkesteuer für 2000 ein Betrag von EUR 20.810,08 zur Zahlung vorgeschrieben.
Gegen die Spruchpunkte II.) und III.) erhob die G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH unter Bezugnahme auf das im "Bescheid" vom angeführte Getränkesteuerkonto (der vormaligen W GmbH) Berufung. Diese richtete sich gegen die Abweisung ihres Antrages auf Rückzahlung der Getränkesteuer sowie gegen die Vorschreibung der Getränkesteuer von EUR 20.810,08 für alkoholische Getränke.
Mit Schreiben vom beantragte die G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH namens der W GmbH, den "Bescheid" vom wegen eines Rechenfehlers zu berichtigen.
Im Juni 2003 fand für den Standort der (vormaligen) W GmbH eine Getränkesteuerrevision über den Zeitraum April bis Dezember 2000 statt. Der Revisionsbericht vom trägt neben einem Stempelabdruck des Magistrats ausschließlich einen solchen der Beschwerdeführerin.
Namens der W GmbH teilte die G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH dem Magistrat im Schreiben vom mit, dass die im Revisionsbericht festgehaltenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken zurückgezogen würden.
Mit dem an die W GmbH gerichteten "Berichtigungsbescheid" vom wurde der "Bescheid" vom in seinem Spruchpunkt 1) dahingehend geändert, dass Getränkesteuer für das Jahr 2000 auf EUR 259.769,41 herabgesetzt wurde. Dieser "Berichtigungsbescheid" wurde laut Rückschein am von einem Postbevollmächtigten der G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH übernommen.
Mit an die Beschwerdeführerin "(vormals W GmbH)" adressierten Bescheid vom wies der Magistrat die Berufung "gegen den Bescheid ... vom " als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Beschwerdeführerin für den Betrieb der vormaligen W GmbH und die Jahre 1999 und 2000 Getränkesteuer (für alkoholische Getränke, alkoholfreie Getränke und Speiseeis) von insgesamt EUR 920.733,20 vorgeschrieben (Spruchpunkt II.). Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Getränkesteuer für 1999 und 2000 wurden abgewiesen (Spruchpunkt III.). Die am zugestellte Erledigung (gemeint wohl vom ) sei ins Leere gegangen, weil die W GmbH bereits mit der Beschwerdeführerin verschmolzen gewesen sei. Es handle sich daher um einen Nichtbescheid, gegen den ein Rechtsmittel unzulässig sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass aufgrund des rechtskräftigen Bescheides vom eine neuerliche Festsetzung der Getränkesteuer unzulässig sei. Jedenfalls sei der Abgabenanspruch bereits verjährt.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, die W GmbH sei als Folge der Verschmelzung mit der Beschwerdeführerin mit im Firmenbuch gelöscht worden und habe daher nicht Adressatin eines Bescheides sein können. Spruch, Zustellverfügung und Inhalt des "Bescheides vom " zeigten, dass dieser an die W GmbH und nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet gewesen sei. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin an derselben Adresse (wie die vormalige W GmbH) "etabliert" sei, stehe dem nicht entgegen. Auch die Beschwerdeführerin sei von einem an die W GmbH gerichteten Bescheid ausgegangen, seien doch sowohl der Antrag auf Bescheidberichtigung vom als auch die Teilrückziehung der gemeinschaftsrechtlichen Bedenken durch die steuerliche Vertretung jeweils im Namen der W GmbH erfolgt. Die Festsetzung der Abgabe mit dem "Bescheid vom " sei nicht rechtswirksam erfolgt. Die Abgabenbehörde erster Instanz sei daher gehalten gewesen, die Getränkesteuer mit Bescheid vom gegenüber der Beschwerdeführerin festzusetzen. Unbeachtlich des Umstandes, dass die "Bescheide" vom und vom als "Nichtbescheide" zu werten seien, hätten diese gegenüber der W GmbH gesetzten Amtshandlungen zur Verfolgung des gegenständlichen Abgabenanspruches die Verjährung gegenüber der Beschwerdeführerin unterbrochen. Die zuletzt 2003 unterbrochene Verjährungsfrist habe daher mit Ablauf des Jahres 2003 neu zu laufen begonnen, sodass der am erlassene Festsetzungsbescheid fristgerecht ergangen sei. Da keine diese Festsetzung übersteigenden Zahlungen eingegangen seien, bestehe kein rückzuerstattendes Guthaben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Getränkesteuer für die Jahre 1999 bis 2000, auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrundlage entrichteten Getränkesteuer für die Jahre 1999 und 2000, auf Berücksichtigung des "ne bis in idem" Gebots, sowie auf Berücksichtigung der Festsetzungsverjährung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 149 Abs. 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden WAO hat die Abgabenbehörde die (Selbstbemessungs )Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt.
§ 154 Abs. 2 WAO sieht als Verjährungsfrist fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre vor.
Gemäß § 155 lit. a WAO beginnt die Verjährungsfrist in den Fällen des § 154 Abs. 2 WAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
Gemäß § 156 Abs. 1 WAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 51 WAO) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, durch jede Selbstbemessung sowie durch jedes auf Festsetzung der Abgabe gerichtete Anbringen (§ 59 Abs. 1 WAO) unterbrochen.
Strittig ist im Beschwerdefall im Wesentlichen, ob die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Instanzenzug zu Recht die Getränkesteuer für 1999 und 2000 vorgeschrieben hat. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies mit dem Vorbringen, der Abgabenanspruch sei bereits verjährt.
Die Erledigung vom über die Getränkesteuer der Jahre 1999 und 2000 war unstrittig ausschließlich an die W GmbH gerichtet, die zu diesem Zeitpunkt aber bereits mit der Beschwerdeführerin verschmolzen war (Verschmelzungsvertrag vom ; Löschung im Firmenbuch ).
Nach § 96 Abs. 1 Z 1 GmbHG können Gesellschaften mit beschränkter Haftung unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme). Nach Abs. 2 leg. cit. sind - soweit im Folgenden nichts abweichendes bestimmt wird - die §§ 220 bis 233 AktG sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 225a Abs. 3 Z 1 erster Satz Aktiengesetz geht mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Gesellschaft über. Nach § 225a Abs. 3 Z. 2 leg. cit. erlischt die übertragende Gesellschaft.
Es tritt somit die aufnehmende GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft ein. Damit ist aber die übertragende GmbH ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung nicht mehr Subjekt abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten und kann folglich auch nicht mehr Adressatin eines abgabenrechtlichen Bescheides sein. Mit der Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch erlischt die aufgenommene Gesellschaft. Wird daher ein Bescheid an eine GmbH gerichtet, die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits im Firmenbuch (durch Eintragung der Verschmelzung) gelöscht ist, handelt es sich um einen Nichtbescheid, weil der behördliche Akt ins Leere gegangen ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2011/17/0082, mwN).
Die zum Zeitpunkt der Zustellung unstrittig an ein nicht mehr existierendes Rechtsgebilde gerichtete Erledigung konnte aber auch dadurch keine Rechtswirksamkeit erlangen, dass sie (körperlich) in die Hände des Rechtsnachfolgers gelangte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/13/0090, mwN).
Dasselbe gilt auch für den ebenfalls an die W GmbH gerichteten "Berichtigungsbescheid" vom . Bezieht sich nämlich ein "Berichtigungsbescheid" auf einen Nichtbescheid, so geht auch er ins Leere (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/04/0217, mwN).
Somit wurde der Beschwerdeführerin die Getränkesteuer für 1999 und 2000 (für den Betrieb der vormaligen W GmbH) erstmals mit Bescheid vom vorgeschrieben.
Die fünfjährige Verjährungsfrist hat nach § 155 lit. a WAO mit Ablauf der Jahre 1999 und 2000 zu laufen begonnen. Im Beschwerdefall ist strittig, ob vor Ablauf der Kalenderjahre 2004 und 2005 eine Unterbrechungshandlung nach § 156 Abs. 1 WAO gesetzt worden ist.
Die belangte Behörde wertet die an die W GmbH gerichteten Erledigungen vom und als Unterbrechungshandlungen. Dies bestreitet die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, dass diese beiden Erledigungen mangels existierender Bescheidadressatin ins Leere gegangen seien. Damit übersieht sie aber, dass nicht nur bescheidmäßige Erledigungen Unterbrechungshandlungen darstellen, sondern dass diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0024). Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/15/0141, mwN). Dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. diesbezüglich auch das hg. Erkenntnis vom , 2008/17/0164). § 156 Abs. 1 WAO fordert auch nicht, dass die Amtshandlung dem Abgabepflichtigen (oder dessen Rechtsnachfolger) erkennbar oder bekannt geworden sein muss, um verjährungsunterbrechend zu wirken.
Im Beschwerdefall können die als Bescheid intendierten Erledigungen vom und als solche Amtshandlungen zur Durchsetzung eines konkreten Anspruchs an Getränkesteuer angesehen werden. Dass diese nicht nach außen in Erscheinung getreten wären, kann angesichts der in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Rückscheine (wonach jeweils ein Postbevollmächtigter diese Erledigungen übernommen hat) und angesichts der diesbezüglichen Berufung und des Berichtigungsantrages durch die G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH nicht angenommen werden.
Aufgrund der genannten Unterbrechungshandlungen stand der Geltendmachung des Abgabenanspruchs durch den Bescheid vom Verjährung nicht entgegen.
Da es sich bei den Erledigungen vom und vom nicht um Bescheide gehandelt hat, geht das Vorbringen in der Beschwerde über eine allenfalls vorliegende res iudicata, die der Erlassung des Bescheides vom entgegengestanden wäre, ebenfalls ins Leere.
Gegen die Höhe der Festsetzung der Getränkesteuer und die Abweisung des Rückzahlungsantrages enthält die Beschwerde kein Vorbringen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am