VwGH vom 09.11.2011, 2009/16/0175

VwGH vom 09.11.2011, 2009/16/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des T in Liquidation in W, vertreten durch Dr. Ulrike Christine Walter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RD/0034- W/08, betreffend Berichtigung eines Exekutionstitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der beschwerdeführende Verein hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bezirksgericht Leopoldstadt bewilligte am und am Forderungsexekutionen gegen den beschwerdeführenden Verein, welchen jeweils ein Rückstandsausweis vom mit einer Vollstreckbarkeitsbestätigung vom selben Tag zugrunde lag.

Mit Schreiben vom richtete die Rechtsvertreterin des beschwerdeführenden Vereins an die belangte Behörde einen Devolutionsantrag. Darin führte sie aus, der dem genannten Rückstandsausweis zugrundeliegende Bescheid sei dem beschwerdeführenden Verein niemals zugestellt worden, weswegen dieser auch nicht habe vollstreckbar werden können. Es werde auch die Richtigkeit dieses Bescheides bestritten. Der (offensichtlich: diesbezügliche) Antrag sei am eingebracht und bislang nicht erledigt worden.

Das Finanzamt teilte der belangten Behörde per e-mail vom mit, dass sämtliche Unterlagen bei der Finanzprokuratur auflägen. Aufgrund der elektronisch gespeicherten Daten könne jedoch mitgeteilt werden, dass die dem Rückstandsausweis zugrunde liegenden zahlreichen Bescheide (betreffend im Wesentlichen Umsatzsteuer 1989 bis 1993, Körperschaftsteuer 1989 bis 1993, Gewerbesteuer 1989 bis 1991, Kapitalertragsteuer 1995 sowie Lohnabgaben 1991 und 1992) in den Jahren von 1991 bis 1999 erlassen worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn jetzt "nach jahrelangen Exekutionsmaßnahmen, Vorsprachen und Eingaben" behauptet werde, es habe nie eine ordnungsgemäße Bescheidzustellung gegeben. Dies könne nur als "Exekutionsverweigerung, Exekutionsverschleppung etc." gewertet werden.

Mit Schreiben vom übermittelte die Rechtsvertreterin des beschwerdeführenden Vereins der belangten Behörde u.a. die Ablichtung einer "Eingabe an das Finanzamt vom ", welche einen "Antrag gem. § 7 EO" enthielt. Nach der im Verwaltungsakt einliegenden Ablichtung wurde darin vorgebracht, dass der Rückstandsausweis vom dem beschwerdeführenden Verein nicht zugestellt worden sei, weswegen dieser auch nicht habe vollstreckbar werden können. Der beschwerdeführende Verein beantrage die "Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gem. § 7 EO" sowie die "aufschiebende Wirkung der Exekution gem. § 42 Abs. 2 EO".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Devolutionsantrag statt und wies den Antrag des beschwerdeführenden Vereins vom ab. Begründend führte sie in der Sache aus, dass - entgegen dem Vorbringen im Devolutionsantrag - mit dem Antrag vom die Rechtmäßigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung bestritten worden sei, weil der Rückstandsausweis dem beschwerdeführenden Verein nicht zugestellt worden sei. Als Grundlage für die Einbringung im Vollstreckungsverfahren sei lediglich die Ausfertigung (im Sinne von "Ausstellung") eines Rückstandsausweises erforderlich, nicht hingegen dessen Zusendung an den Abgabepflichtigen, weil dieser kein Bescheid sei, gegen den ein Rechtsmittel zulässig sei. Auch wenn es zweckmäßig sei, dem Abgabenschuldner (nach Möglichkeit) neben dem Vollstreckungsauftrag auch den Rückstandsausweis auszuhändigen, könne die Vollstreckbarkeit der Abgabenschuld iSd § 13 Abs. 1 AbgEO keinesfalls mit der Begründung bestritten werden, dass dem Verpflichteten keine mit Vollstreckbarkeitsbestätigung versehene Ausfertigung des Rückstandsausweises vor Durchführung der Exekution übergeben worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der beschwerdeführende Verein inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der beschwerdeführende Verein erachtet sich in seinem "Recht auf Berichtigung des Exekutionstitels gem. Par 15 Abs. 2 AbgEO - Aufhebung der gesetzwidrig erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit des dem Rückstandsausweis vom … zu Grunde liegende Bescheides in Folge Nichtzustellung dieses Bescheides (und auch Rückstandsausweises)" verletzt.

Gemeinsam mit der Beschwerde legte die Rechtsvertreterin des beschwerdeführenden Vereins u.a. die Ablichtung eines an das Finanzamt gerichteten als "Antrag gem. § 7 EO" bezeichneten Schriftsatzes vom vor.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die belangte Behörde wies darauf hin, dass der vom beschwerdeführenden Verein mit Schreiben vom der belangten Behörde übermittelte Antrag von mit der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Ablichtung nicht ident sei. In dem der belangten Behörde übermittelten Antrag sei ausschließlich die Nichtzustellung des Rückstandsausweises (und nicht auch der diesem zugrundeliegenden Abgabenbescheide) behauptet worden. Aufgrund der vom beschwerdeführenden Verein mit dem Devolutionsantrag eingebrachten Beilage der Besprechung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2007/16/0165, im Österreichischen Anwaltsblatt 20008/05 sei ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Erscheinen dieser Besprechung und der Behauptung der Nichtzustellung der Bescheide (im Devolutionsantrag) zu vermuten. Jedenfalls sei nach dem der belangten Behörde vorgelegten Antrag des beschwerdeführenden Vereins ausschließlich der Sachverhalt der nicht erfolgten Zustellung des Rückstandsausweises behauptet und daher nur dieses Vorbringen der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

In ihrer Stellungnahme zur Gegenschrift bestritt der beschwerdeführende Verein ausdrücklich die Richtigkeit dieser Ausführungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten nach § 229 BAO ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Nach § 1 Z 13 EO idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 37/2008 sind Exekutionstitel nach diesem Gesetz u.a. die über direkte Steuern und Gebühren ausgefertigten, nach den darüber bestehenden Vorschriften vollstreckbaren Zahlungsaufträge und Rückstandsausweise.

Ist die Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der u. a. im § 1 Z 13 EO angeführten Exekutionstitel gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden, so sind nach § 7 Abs. 4 EO Anträge auf Aufhebung der Bestätigung bei jener Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.

Über solche Anträge hat die Verwaltungsbehörde bescheidmäßig, die Gerichte bindend, abzusprechen (vgl. die bei Liebeg , Abgabenexekutionsordnung, Rz 5 zu § 15, genannte Rechtsprechung).

Gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO können gegen den Anspruch im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind die Einwendungen bei jenem Finanzamt anzubringen, von welchem der Exekutionstitel ausgegangen ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. müssen alle Einwendungen, die der Abgabenschuldner zur Zeit der Antragstellung vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden.

Wenn der Abgabenschuldner bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist oder wenn er behauptet, dass das Finanzamt auf die Einleitung der Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, so hat er nach § 13 Abs. 1 AbgEO seine bezüglichen Einwendungen beim Finanzamt (§ 12 Abs. 2) geltend zu machen.

Die Bestimmungen u.a. des § 12 Abs. 3 AbgEO finden nach § 13 Abs. 2 AbgEO sinngemäß Anwendung.

Gemäß § 15 Abs. 1 AbgEO sind im Exekutionstitel (§ 4) unterlaufene offenbare Unrichtigkeiten von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners zu berichtigen.

Nach § 15 Abs. 2 AbgEO ist eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben. Mit diesem Antrag kann der Antrag auf Einstellung oder Aufschiebung der Vollstreckung verbunden werden.

Erkennt die Behörde, die den Exekutionstitel ausgestellt hat (Titelbehörde), von selbst, dass der Exekutionstitel an den im § 15 AbgEO angeführten Mängeln leidet (offenbare Unrichtigkeit, gesetzwidrig oder unrichtig erteilte Vollstreckbarkeitsklausel), so hat sie ihn von Amts wegen zu berichtigen bzw. aufzuheben (formlos, ohne dass es eines förmlichen Bescheides bedarf). Ebenso hat die Behörde vorzugehen, wenn sie auf solche Mängel durch einen Antrag des Vollstreckungsschuldners hingewiesen wird und den Antrag für gerechtfertigt erachtet. Glaubt jedoch die Behörde, einem solchen Vorbringen nicht oder nicht voll entsprechen zu können, muss das Vorbringen als eine Einwendung nach § 13 AbgEO in Behandlung genommen und hierüber mit Bescheid abgesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/16/0266, mwN).

Wird eine nicht rechtswirksame Zustellung der Abgabenbescheide behauptet, so bedeutet dies nichts anderes, als dass die Berechtigung der Abgabenbehörde zur Ausstellung eines Rückstandsausweises gem. § 229 BAO bestritten wird. Darüber ist nur in einem Verfahren gemäß § 15 Abs. 2 AbgEO abzusprechen (vgl. Liebeg , Abgabenexekutionsordnung, Rz 4 zu § 15, mwN).

In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass dem beschwerdeführenden Verein keine Abgabenbescheide, die dem Rückstandsausweis zu Grunde gelegt worden seien, zugestellt worden seien, was bereits in dem (inhaltlich mit dem Devolutionsantrag übereinstimmenden) Antrag an das Finanzamt vom geltend gemacht worden sei. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid übersehen, dass in dem Antrag an das Finanzamt "sowohl vom Bescheid als auch dem darauf basierenden Rückstandsausweis die Rede ist".

Die in der Anlage zur Beschwerde übermittelte Ablichtung des mit "Antrag gem. § 7 EO" überschriebenen Schriftsatzes vom enthält die Wendungen: "Zu den Zahlen … wurden Forderungsexekutionen bewilligt. Zu Grunde liegen dieser ein Bescheid und darauf basierend der Rückstandsausweis vom … mit Vollstreckbarkeitsbestätigung vom selben Tag."

und "Der diesem Rückstandsausweis vom StNr … zu Grunde liegende Bescheid ist dem Antragsteller jedoch NICHT zugestellt worden, weswegen dieser auch nicht vollstreckbar werden konnte …. ausdrücklich wird die Richtigkeit dieses Bescheides bestritten …".

Die in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten einliegende Ablichtung eines ebenfalls mit "Antrag gem. § 7 EO" überschriebenen Schriftsatzes vom stimmt mit dem vom beschwerdeführenden Verein vorgelegten Antrag zwar weitgehend überein, es bestehen allerdings insofern Abweichungen, als in der in den Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtung keine Hinweise auf eine nicht erfolgte Zustellung der Abgabenbescheide enthalten sind. So lauten die oben genannten Wendungen: "Zu den Zahlen … wurden Forderungsexekutionen bewilligt. Zu Grunde liegen dieser der Rückstandsausweis vom … mit Vollstreckbarkeitsbestätigung vom selben Tag."

und "Dieser Rückstandsausweis vom StNr … ist dem Antragsteller jedoch NICHT zugestellt worden, weswegen dieser auch nicht vollstreckbar werden konnte …. ausdrücklich wird die Richtigkeit des Rückstandsausweises bestritten …".

Die Finanzprokuratur hat dem Verwaltungsgerichtshof den mit "Antrag gem. § 7 EO" überschriebenen Schriftsatz des beschwerdeführenden Vereins vom im Original (samt Kuvert und mit Eingangsstempel des Finanzamtes vom ) übermittelt, welches im (derzeit dort befindlichen) Verwaltungsakt des Finanzamtes enthalten war. Dieses Schreiben erweist sich als sowohl im Schriftbild als auch im Wortlaut völlig ident mit jenem, welches mit den Verwaltungsakten der belangten Behörde vorgelegt wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass der beschwerdeführende Verein entgegen seinem Vorbringen (und der von ihm vorgelegten Ablichtung eines Schriftsatzes) in seinem tatsächlich eingebrachten Antrag vom ausschließlich die Nichtzustellung des Rückstandsausweises - nicht hingegen jene der diesem zugrundeliegenden Abgabenbescheide - behauptet hat.

Nach § 15 Abs. 2 iVm § 13 Abs. 2 und § 12 Abs. 3 AbgEO hätte der beschwerdeführende Verein aber alle Einwendungen, die er zur Zeit der Antragstellung vorzubringen imstande gewesen ist, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend machen müssen. Die Behauptung im Devolutionsantrag, wonach die Abgabenbescheide (der Abgabenbescheid) nicht zugestellt worden seien, wurde somit verspätet erstattet, sodass sich die belangte Behörde zu Recht ausschließlich mit dem Einwand der unterlassenen Zustellung des Rückstandsausweises beschäftigt hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach der Bestimmung des § 229 BAO lediglich die Ausfertigung eines Rückstandsausweises als Grundlage für die Einbringung im Vollstreckungsverfahren erforderlich. Eine Zusendung desselben an den Abgabenpflichtigen ist demgegenüber nicht vorgesehen. Der Rückstandsausweis bestätigt den Bestand und die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld und ist weder ein dem Abgabenschuldner noch ein dem Verpflichteten im Exekutionsverfahren zuzustellender Bescheid. Die Vollstreckbarkeit von Rückstandsausweisen hängt nicht von ihrer vorherigen Zustellung an den Vollstreckungsschuldner ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0100, und die dort genannten Gesetzesmaterialien).

Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde den Antrag vom mit der Begründung abgewiesen hat, dass es auf die Zustellung des Rückstandsausweises nicht ankommt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am