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VwGH vom 17.11.2010, 2007/13/0066

VwGH vom 17.11.2010, 2007/13/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0696-W/07, betreffend Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Besteuerung wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 29 Z 1 EStG 1988 strittig.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der im Jahr 1980 geborene Beschwerdeführer sei seit seiner Geburt wegen eines Behandlungsfehlers in einer Krankenanstalt schwer behindert und laut ärztlichen Bescheinigungen aus den Jahren 1999 und 2002 zu 100 % erwerbsgemindert sowie dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Rechtsträger der Krankenanstalt habe sich in einem beim Landesgericht K. am abgeschlossenen Vergleich bereit erklärt, dem Beschwerdeführer ab dem bis zum eine monatliche wertgesicherte Rente zu zahlen. Nach dem Punkt 4. des Vergleiches habe sich der Rechtsträger verpflichtet, ab dem das Monatsentgelt nach der jeweils für den Beschwerdeführer geltenden Entlohnungsstufe einer bestimmten Entlohnungsgruppe des Vertragsbedienstetengesetzes (in der jeweils geltenden Fassung) zu bezahlen. Durch die im Vergleich vereinbarten Zahlungen seien sämtliche Verdienstentgangsansprüche des Beschwerdeführers ab "endgültig bereinigt und verglichen" worden. Der Vergleich sei vom Pflegschaftsgericht genehmigt worden.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 habe der Beschwerdeführer - so der angefochtene Bescheid weiter - die Steuerpflicht der Verdienstentgangsrente bestritten. Sie sei nämlich nicht für einen konkret feststellbaren Einnahmenausfall zu bezahlen und stehe nur deshalb in bestimmter Höhe zu, weil der an sich abstrakt wegen lebenslanger Erwerbsunfähigkeit seit Geburt entstandene Schaden durch eine fiktive Heranziehung der Gehaltstafel für Vertragsbedienstete einer Gebietskörperschaft quantifiziert worden sei. Der Rechtsträger der Krankenanstalt habe sich über Ersuchen des Sachwalters des Beschwerdeführers in Form eines außergerichtlichen Anerkenntnisses auch freiwillig bereit erklärt, ab eine so genannte Nettorente zu bezahlen, sodass der Rechtsgrund der Rentenzahlung seit dieses freiwillige Anerkenntnis sei. Die im Berechnungsblatt vom ausgewiesene Rente sei einschließlich der Einkommensteuer, die vom Rentenempfänger an das Finanzamt nach Erlassung der Steuerbescheide zu bezahlen wäre, im Jahr 2005 ausbezahlt worden. Der Rechtsträger der Krankenanstalt stehe allerdings seither auf dem Standpunkt, dass für die Rente keine Steuerpflicht bestehe. Dieser Rechtsansicht schließe sich der Beschwerdeführer an, weil es sich um eine freiwillige Rente handle, die auf einer freiwillig geschaffenen Grundlage beruhe und der auch keine Gegenleistung gegenüberstehe. Außerdem handle es sich um eine abstrakte Rente, deren steuerliche Zuordnung zu einer künftig verwirklichten Einkunftsart wegen der in der Zukunft liegenden Ungewissheiten nicht möglich sei. § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 verlange eine Vorausbestimmung der (künftigen) Einkunftsart, die bei abstrakten Renten nicht möglich sei, die Personen gewährt würden, die noch nicht im Berufsleben gestanden seien. Deshalb scheide die Zuordnung der Rente zu einer bestimmten Einkunftsart und somit zur Steuerpflicht aus.

Das Finanzamt habe die dem Beschwerdeführer im Jahr 2005 ausbezahlten Rentenbeträge als sonstige Einkünfte im Sinne des § 29 Abs. 1 EStG 1988 qualifiziert und der Einkommensteuer unterworfen.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer auf seinem Standpunkt beharrt, dass es sich um eine freiwillige Schadensrente handle. Schon ursprünglich sei der Vergleich vom auf die Leistung einer Rentenzahlung gerichtet gewesen, weil das Sachwalterschaftsgericht eine einmalige Abfindung der Verdienstentgangsansprüche nicht genehmigt hätte. Wäre eine solche Kapitalabfindung erfolgt, dann wäre dies keiner Besteuerung unterlegen. Es sei nicht einzusehen, "dass bei grundsätzlich gleicher Sachlage, nämlich Abfindung der Ansprüche wegen lebenslanger Arbeitsunfähigkeit, einmal keine Steuerpflicht bestehen und bei bloß anderer Form der Abfindung Einkommensteuer zu entrichten sein soll". Dies widerspreche jedenfalls dann dem Grundsatz der Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte, wenn nicht bloß ein früherer Verdienst durch eine Verdienstentgangszahlung substituiert, sondern ein Ersatz für lebenslange Berufsunfähigkeit geleistet werde. Da es sich um eine abstrakte Rente handle, weil sie sich nicht an einem vorherigen Verdienst orientiere, sei weiters die steuerliche Vorausbestimmung der künftigen Einkunftsart nicht möglich.

Zur Beurteilung der Steuerpflicht der an den Beschwerdeführer auf Grund des gerichtlichen Vergleiches vom "wegen eines Geburtschadens" ausbezahlten monatlichen Zahlungen sei - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - festzuhalten, dass mit den unter Punkt 4. des Vergleiches dargestellten Zahlungen sämtliche Verdienstentgangsansprüche des Beschwerdeführers ab "endgültig bereinigt und verglichen sind". Der Beschwerdeführer habe eine Entschädigung in Höhe des aus einem fiktiven Dienstverhältnis ergangenen Nettoverdienstes und der entsprechenden Einkommensteuer erhalten. Da mit den strittigen Zahlungen der Verdienstentgang bzw. der Ausfall an Einnahmen, den der Beschwerdeführer auf Grund seiner 100 %-igen Erwerbsminderung erlitten habe, ausgeglichen werden solle, habe es sich um eine Verdienstentgangsrente (§ 1325 ABGB) gehandelt. Auch bei der Zuerkennung von abstrakten Renten bestehe ein innerer Zusammenhang mit einem (möglicherweise) zu erwartenden Verdienstentgang. Im Hinblick darauf, dass die gegenständliche Rente zweifellos dazu bestimmt sei, den Verdienstentgang auszugleichen, der sich auf Grund der dauernden Erwerbsunfähigkeit ergebe, entspreche es auch der Systematik des Einkommensteuerrechts, die Rente als steuerpflichtigen Bezug nach § 29 Z 1 EStG 1988 zu qualifizieren. Die Bestimmung des § 29 Z 1 EStG 1988 sei zwar gegenüber allen anderen Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 EStG 1988 subsidiär, eine steuerliche Zuordnung der Rente des Beschwerdeführers zu den ersten sechs Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1988 sei allerdings - selbst unter Heranziehung der Bestimmung des § 32 EStG 1988 - nicht möglich, weil der Beschwerdeführer "noch nie im Berufsleben gestanden hat und zufolge der bereits bei der Geburt erlittenen Schädigung auch keine konkreten Voraussetzungen für ein bestimmtes Berufsbild" vorgelegen seien. Für die Berechnung der Rente sei zwar eine konkrete (nichtselbstständige) Tätigkeit des Beschwerdeführers unterstellt worden, dies sei jedoch ausschließlich zum Zweck der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der abstrakten Rente erfolgt. Der Ansicht des Beschwerdeführers, dass keine Steuerpflicht bestehe, weil es sich um eine freiwillige Schadensrente handle, sei zu entgegnen, dass - abgesehen davon, dass sich der Rechtsträger mit dem außergerichtlichen Anerkenntnis vom lediglich bereit erklärt habe, anstelle der ursprünglich ausbezahlten Bruttorente ab eine Nettorente zu bezahlen - Grundlage für die gegenständlichen Rentenzahlungen eine schuldhafte Schadensverursachung sei und eine freiwillige Zuwendung dann nicht vorliege, wenn Unfallfolgen durch Rentenzusagen abgegolten würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 3 Z 7 EStG 1988) zählen nach § 29 Z 1 EStG 1988 wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 leg. cit. gehören und nicht freiwillig geleistet werden.

§ 29 Z 1 EStG 1988 bildet einen Sondertatbestand, der nicht an das Vorhandensein einer Einkunftsquelle, sondern im Wesentlichen bloß an den wiederkehrenden Zufluss von Bezügen, die allerdings auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage beruhen müssen, anknüpft (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichthofes vom , G 85/02, VfSlg 16754, und vom , B 242/06, VfSlg. 18031, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 87/14/0167, VwSlg. 6352/F, und vom , 99/13/0188, VwSlg. 7792/F).

Auch wenn die dem Beschwerdeführer gewährte Rente auf Grund eines "Vergleichs bzw. eines Anerkenntnisses" zwischen dem Rechtsträger der Krankenanstalt und dem Beschwerdeführer ausbezahlt wird, bedeutet dies entgegen der in der Beschwerde offenbar vertretenen Ansicht nicht, dass die Rentenbezüge deshalb auf einer freiwillig geschaffenen Rechtsgrundlage beruhten. Die Rentenleistungen wurzeln nämlich in der Schadenersatzpflicht des Leistenden (vgl. § 1325 ABGB) und sind damit nicht "freiwillig" im Sinne des § 29 Z 1 EStG 1988 (vgl. Stoll , Rentenbesteuerung4, Rz 1084).

Es trifft zu, dass der Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom , VfSlg 18031, zu einer so genannten Mehrbedarfsrente einer behinderten Person ausgesprochen hat, dass § 29 Z 1 EStG 1988 vor dem Hintergrund des bei der Besteuerung des Einkommens zu beachtenden Leistungsfähigkeitsprinzips dahingehend einschränkend (im Sinne einer teleologischen Reduktion) auszulegen ist, dass Schadenersatzrenten, die nur dem Ausgleich eines persönlichen Mehrbedarfs des Rentenberechtigten dienen, von der Einkommensteuerpflicht nicht erfasst sind.

Im Beschwerdefall bezog der Beschwerdeführer eine so genannte "abstrakte Rente", die sich in ihrer Bemessung am Monatsentgelt von im öffentlichen Dienst stehenden Vertragsbediensteten orientierte, womit nach dem Punkt 4. des bei Gericht geschlossenen Vergleichs auch sämtliche Verdienstentgangsansprüche des Beschwerdeführers "endgültig bereinigt und verglichen" waren. Die abstrakte Rente bildete somit eine (einkommensersetzende) Schadensrente für Verdienstentgang (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 307/66, VwSlg. 3455/F), deren Einbeziehung in die Einkommensbesteuerung - auch wenn sie an Stelle eines Einmalbetrages ausbezahlt worden sein sollte - auch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht entgegen stehen (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 16754, sowie - unter Verweis auf dieses Erkenntnis - das ebenfalls bereits erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 242/06, VfSlg. 18031, und etwa Kühbacher , SWK-H 9/2009, S 341 (S 344)). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich schon deshalb nicht veranlasst, der in der Beschwerde enthaltenen Anregung zu folgen, einen "Antrag auf Aufhebung des § 29 Z 1" beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da sich die - ohnedies auch nicht weiter konkretisierte - Behauptung, dass die vorliegende Rente trotz ihrer Bezeichnung als "Verdienstentgangsrente" auch zum "Ausgleich für den schädigungsbedingt entstandenen zusätzlichen Bedarf" des Beschwerdeführers gewährt worden sei (und damit das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18031, zur Verneinung der Steuerpflicht von Mehrbedarfsrenten zu beachten gewesen wäre), erstmals in der Beschwerde findet, war darauf schon auf Grund des sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen.

Nach § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 auch Entschädigungen, die gewährt werden als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen einschließlich eines Krankengeldes und vergleichbarer Leistungen.

Die Vorschrift des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 schafft keine neue, zu den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1988 hinzutretende Einkunftsart. Sie dehnt vielmehr nur die Begriffsbestimmungen, die die vorangehenden §§ 21 bis 31 EStG 1988 für diese Einkunftsarten gebracht haben, auch auf Tatbestände aus, die ihrem Wesen nach nicht ohne weiteres von ihnen erfasst würden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 87/14/0171, VwSlg. 6332/F, und Hofstätter/Reichel , EStG 1988 III, § 32 Tz 2).

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Bestimmung des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 verlange eine Vorausbestimmung der (künftigen) Einkunftsart. Erst dann könne diese Bestimmung ihre Zuordnungsfunktion entfalten und zur Steuerpflicht einer Rente führen. Diese Vorausbestimmung sei bei abstrakten Renten, die an Personen gewährt würden, die noch nicht im Berufsleben gestanden seien und bei denen sich konkrete Voraussetzungen für einen bestimmten Beruf noch nicht gebildet hätten, nicht möglich. Auch bei "einem Zugrundelegen der Rentenzahlungen unter § 32 Z 1 lit a EStG" scheide die Zuordnung der an den Beschwerdeführer gezahlten Rente zu einer bestimmten Einkunftsart und somit die Steuerpflicht aus.

Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Zuordnungsfunktion des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 käme im gegebenen Zusammenhang nur dann zum Tragen, wenn auf Grund der Subsidiaritätsklausel im § 29 Z 1 EStG 1988 die gegenständliche Rente Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 leg. cit. zugerechnet werden könnte. Ist nach der Lage des Beschwerdefalles entsprechend der auch in der Beschwerde angesprochenen fehlenden Vorausbestimmbarkeit einer zukünftigen Betätigung des Beschwerdeführers die Zuordnung zu einer (künftigen) Grundeinkunftsart (der Z 1 bis 6 des § 2 Abs. 3 EStG 1988) nicht möglich, bleibt es bei der Zuordnung zum Tatbestand steuerpflichtiger wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 29 Z 1 EStG 1988, ohne dass es einer Anwendung des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 bedürfte (vgl. in diesem Sinne nochmals das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 6332/F, sowie weiters Stoll , aaO, Rz 1064, der ebenfalls im Ergebnis eine Behandlung von Verdienstentgangsrenten beispielsweise an Personen, die noch nicht im Berufsleben gestanden sind, als wiederkehrende Bezüge nach § 29 Z 1 EStG 1988 als zutreffend ansieht).

Die Beschwerde war damit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am