VwGH vom 26.03.2003, 97/13/0052
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Stephan Probst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Eßlinggasse 9, gegen den am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V), Zl. GA 16-96/3059/08, betreffend Einkommensteuer für 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 938,52 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte u.a. im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn iSd § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (§ 2 Abs. 5 EStG 1988) zum 28. Februar.
Am schloss der Beschwerdeführer über eine in seinem Betriebsvermögen befindliche Liegenschaft in Wien einen Kaufvertrag, nach dessen Punkt III. der gesamte Kaufpreis von 2,200.000 S in einem Teilbetrag von 600.000 S laut vorliegender Zusage einer Bank beim vertragserrichtenden Notar treuhändig erlegt werden sollte, ein weiterer Teilbetrag von 400.000 S unmittelbar vor Unterfertigung des Kaufvertrages beim vertragserrichtenden Notar erlegt worden sei und der Vertragserrichter den einseitigen unwiderruflichen Auftrag erhalten habe, den Betrag von 1,000.000 S an den Verkäufer auszubezahlen, sobald die Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung ob den gegenständlichen Liegenschaftsanteilen für die Käuferin im Grundbuch angemerkt sei. Der Kaufpreisrest von 1,200.000 S werde laut ebenfalls bereits vorliegender Zusage der Bank an den vertragserrichtenden Notar überwiesen werden, welcher Betrag in dessen Treuhandverwahrung verbleiben und gemäß Treuhandauftrag der finanzierenden Bank nach Genehmigung des Kaufvertrages durch die Magistratsabteilung 64 der Stadt Wien im Hinblick auf die Lage der Vertragsgegenstände im Assanierungsgebiet zur Satz- und Lastenfreistellung der vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile zu verwenden sei. Der allfällig verbleibende Überhang sei sodann einschließlich abgereifter Zinsen an den Verkäufer zur Auszahlung zu bringen. Nach Punkt VI. des Kaufvertrages ("Übergabsstichtag") sei die Übergabe und Übernahme der vertragsgegenständlichen Eigentumswohnungsobjekte in den Besitz und Genuss der Käuferin mit Unterfertigung dieses Vertrages erfolgt. Dieser Tag gelte als Stichtag für die Verrechnung von Nutzungen und Lasten und vom gleichen Tage an gingen Gefahr und Zufall auf die Käuferin über. Der Kaufvertrag enthält weiter folgenden Punkt VII ("aufschiebende Bedingung"):
"Dieser Vertrag ist aufschiebend bedingt durch die Genehmigung desselben durch die Magistratsabteilung 64 der Stadt Wien. Sollte dieser Kaufvertrag seitens der Stadt Wien nicht genehmigt werden, ist einerseits der bereits bezahlte Kaufpreisteil von 1,000.000 S an die Käuferin Zug um Zug gegen Rückstellung der bereits übergebenen Vertragsobjekte in unverändertem Zustand zurückzubezahlen. Ein Entgelt für die mittlerweile erfolgte Nutzung ist nicht zu entrichten. Die Kaufpreisanzahlung ist ohne Verzinsungserhöhung zurückzuerstatten."
Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 64 - gemäß § 9 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl. Nr. 287/1974, die Genehmigung zu dem erwähnten Kaufvertrag.
Im Gefolge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung stellte der Prüfer in seinem Bericht fest, dass der Beschwerdeführer den aus dem Verkauf der erwähnten Liegenschaft angefallenen Veräußerungsgewinn nicht in dem mit endenden Wirtschaftsjahr steuerlich erfasst habe, sondern den Buchwert der Liegenschaft zum noch in seiner Bilanz ausgewiesen habe. Nach Ansicht des Prüfers sei die Veräußerung der Liegenschaft jedoch noch im Wirtschaftsjahr 1991/92 zu erfassen gewesen.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - der Ansicht des Prüfers folgend - die Einkommen- und Gewerbesteuer für 1992 unter Berücksichtigung des aus der Liegenschaftsveräußerung erzielten Erlöses fest.
Dagegen berief der Beschwerdeführer, weil die Gültigkeit des Kaufvertrages die Zustimmung des Magistrates der Stadt Wien erfordert und der Prüfer seine Ansicht, die Veräußerung der Liegenschaft falle in das Wirtschaftsjahr 1992, nicht begründet habe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Sei die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes von der Erfüllung gesetzlicher Voraussetzungen abhängig, so sei bei Erfüllung dieser Voraussetzungen das Rechtsgeschäft als von vornherein gültig anzusehen. Da die Entscheidung vom Magistrat der Stadt Wien am "positiv erledigt" worden sei, sei "der Vorgang in dem Wirtschaftsjahr 1992 steuerlich zu erfassen".
Im dagegen erhobenen Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, in Abgabensachen sei es unerheblich, ob ein Rechtsgeschäft gültig zustande gekommen sei; es komme vielmehr auf die tatsächliche Abwicklung des Rechtsgeschäftes an. Bei Kaufverträgen sei nicht das Recht auf die Übertragung des Kaufobjektes steuerlich bedeutsam, sondern die tatsächliche Ausführung des Vertrages. Der Zeitraum zwischen Abschluss des Kaufvertrages und Erfüllung des Vertrages sei als schwebendes Geschäft zu werten. Erst die tatsächliche Übertragung des Kaufgegenstandes an den Käufer sei bilanzierbar und löse die steuerlichen Konsequenzen wie z.B. Gewinnverwirklichung aus. In seinem Fall sei der Beschwerdeführer an der Übergabe der Liegenschaft durch gesetzliche Bestimmungen gehindert gewesen. Die Übertragung habe erst durch die Behörde bewilligt werden müssen. Eine Übergabe der Liegenschaft sei daher erst ab dem möglich gewesen, eine rückwirkende Aushändigung einer Sache sei wohl nicht denkbar. Daher sei die Gewinnverwirklichung erst im Juni 1992, somit im Wirtschaftsjahr 1992/93, erfolgt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Veräußerung der Liegenschaft sei "steuerlich zum Stichtag " und somit im Wirtschaftsjahr 1991/92 erfolgt.
Da die Bestimmung des § 4 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG über den aufschiebend bedingten Erwerb auf die "Rechtsbedingungen", wie das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung, deren "Aufstellung nicht vom Parteiwillen abhängt", nicht anzuwenden sei und die "Rechtsbedingung - Zustimmung der MA 64 - " erfüllt und nur klarstellend in den Vertrag aufgenommen worden sei, sei nach Ansicht der belangten Behörde das Rechtsgeschäft "von vornherein (ex tunc) gültig und wirksam" gewesen. Der oben wiedergegebene Punkt VII. des Kaufvertrages stelle klar, "dass die Vertragsparteien der erforderlichen behördlichen Genehmigung nicht den rechtlichen Charakter einer aufschiebenden Bedingung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes
verliehen haben, sondern dass eine Ungewissheit ... vorlag, (die
mittlerweile schon konsumiert wurde)". Daher habe die Käuferin am (bei Vertragsabschluss und Übergabe der Liegenschaft) zumindest wirtschaftliches Eigentum erlangt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche erläutert, dass der Beschwerdeführer durch die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen des Rechtsgeschäftes im Streitjahr an der Bildung einer Übertragungsrücklage nach § 12 EStG 1988 gehindert gewesen sei, weil er die dazu erforderliche 15-jährige Frist nicht habe einhalten können, und dass die Bildung einer solchen Rücklage bewirkt hätte, dass die "Versteuerung des Veräußerungserlöses" erst im Wirtschaftsjahr 1995/96 hätte erfolgen müssen, was den "Wegfall der Gewerbesteuer" bedeutet hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der dem Verkauf der in Rede stehenden Liegenschaft zu Grunde liegende Kaufvertrag am , sohin in dem im Streitjahr endenden Wirtschaftsjahr 1991/92 abgeschlossen worden ist. Die Genehmigung des Kaufvertrages gemäß § 9 des Stadterneuerungsgesetzes durch den Magistrat der Stadt Wien erfolgte unstrittig mit Bescheid vom , somit in dem nach dem Streitjahr endenden Wirtschaftsjahr 1992/93.
Die belangte Behörde gelangte zum Ergebnis, dass mit Vertragsabschluss und sohin in dem im Streitjahr endenden Wirtschaftsjahr die aus dem Liegenschaftsverkauf erzielten Erträge einkommen- und gewerbesteuerlich zu erfassen gewesen seien.
Der Beschwerdeführer trägt vor, die Genehmigung der Behörde stelle eine gesetzliche und zwingende aufschiebende Bedingung dar. Mit seinen umfangreichen Ausführungen über das Entstehen der Steuerschuld im Falle "schwebend unwirksamer Geschäfte" erst mit Erteilung der Genehmigung übersieht er, dass sich dies aus der ausdrücklichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes ergibt, wonach die Grunderwerbsteuerschuld erst mit Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung entsteht, wenn die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig ist. Für die ertragsteuerliche Betrachtung fehlt es an einer derartigen ausdrücklichen Bestimmung, die steuerlichen Auswirkungen erst mit Erteilung einer Genehmigung durch eine Behörde eintreten zu lassen.
Für den seinen Gewinn nach § 5 EStG 1988 ermittelnden Beschwerdeführer waren für die Gewinnermittlung die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung maßgebend, außer zwingende Vorschriften des EStG 1988 treffen abweichende Regelungen.
Daher kommt es im Beschwerdefall darauf an, ob der Beschwerdeführer den aus der Veräußerung der Liegenschaft erzielten Gewinn bilanzsteuerrechtlich im Wirtschaftsjahr 1991/92 (wie von der belangten Behörde angenommen) oder erst danach (etwa wie vom Beschwerdeführer angenommen) mit Erteilung der Genehmigung durch den Magistrat der Stadt Wien zu erfassen hatte.
Auf die - auch von der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Genehmigung abhängigen - Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an der Liegenschaft, kommt es bei der Frage, in welchem Wirtschaftsjahr der Veräußerungserlös zu erfassen ist, nicht entscheidend an. Maßgebend ist, wann das wirtschaftliche Eigentum an der Liegenschaft übertragen wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0025). Wirtschaftliches Eigentum an der Liegenschaft - wenn der Käufer bereits in der Lage ist, das Grundstück zu gebrauchen und zu nutzen und von dieser Herrschaftsgewalt jeden auszuschließen - ist auch möglich, wenn der zivilrechtliche Eigentumserwerb noch nicht erfolgt ist (vgl. etwa Stoll, BAO I, 292).
Die Bestimmung des von der belangten Behörde herangezogenen § 4 BewG ist im gegebenen Zusammenhang nicht einschlägig. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die darauf aufbauenden Ausführungen der belangten Behörde zu "Rechtsbedingungen" zutreffen. Mit der von der belangten Behörde erwähnten, für die Erlangung wirtschaftlichen Eigentums nicht erforderlichen bloßen Einverleibung des Eigentums im Grundbuch ist die im Beschwerdefall erforderliche Genehmigung nicht ohne weiteres vergleichbar.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie insbesondere keine Feststellungen darüber getroffen, ob und gegebenenfalls weshalb der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Übergabe der Liegenschaft oder zumindest im Wirtschaftsjahr 1991/92 eine Versagung der Genehmigung oder die Annahme des vom Beschwerdeführer als Verkäufer nach § 8 des Stadterneuerungsgesetzes zu stellenden Verkaufanbotes durch die Gemeinde Wien habe ausschließen dürfen oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Erteilung der Genehmigung durch den Magistrat der Stadt Wien habe rechnen können. Ob die im Punkt VII. des Kaufvertrages geregelte Rückabwicklung bei Versagung der Genehmigung, wobei immerhin die Rückstellung der Liegenschaft in unverändertem Zustand und damit eine an sich nicht unwesentliche Einschränkung der Verfügungsmacht über den Vertragsgegenstand vorgesehen war, ernsthaft in Betracht kommen konnte oder lediglich einen wenig wahrscheinlichen Fall abdecken sollte, blieb damit offen.
Der angefochtene Bescheid leidet somit an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000 war der Betrag in Euro auszudrücken.
Wien, am