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VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0021

VwGH vom 25.11.1999, 99/16/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien I, Riemergasse 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9 633/96, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am errichteten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin einen Notariatsakt mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:

"I

Im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung leben die Eheleute getrennt; der Ehemann ist unselbständig erwerbstätig, die Ehefrau ist nicht erwerbsfähig. Sie vereinbaren für die Zeit des aufrechten Bestandes ihrer Ehe:

1. Hinsichtlich ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen hat der Grundsatz der Gütertrennung zu gelten:

...

2. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau ab dem dem Abschluss dieser Vereinbarung folgenden Monatsersten an gesetzlichem Unterhalt einen monatlichen, im Vorhinein fälligen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von S 20.000,-- zu bezahlen.

Dieser Unterhaltsbemessung liegen ein derzeitiges monatliches Durchschnitts-Nettoeinkommen des Ehemannes in Höhe von S 60.000,-- und ein solches der Ehefrau in Höhe von S 11.000,-- zugrunde. Beide Ehegatten verzichten auf Erhöhung oder Herabsetzung dieses monatlichen Unterhaltsbeitrages mit Ausnahme einer


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Wertänderung aufgrund der Wertsicherungsvereinbarung und
b)
wesentlichen Einkommensveränderung auf Seiten des Ehemannes. ...
Eine Reduktion des Einkommens der Ehefrau oder deren Einkommenslosigkeit führen zu keiner Erhöhung ihres Unterhaltsanspruches.
Für die Dauer der Eingehung einer Lebensgemeinschaft durch die Ehefrau ruht ihr Unterhaltsanspruch.
3. Hinsichtlich der Ehewohnung ... kommen die Eheleute unvorgreiflich einer Regelung für den Fall späterer Auflösung der Ehe (Punkt II.) überein, dass der Ehefrau allein das Recht der Benützung der Wohnung zukommt; hinsichtlich der diesbezüglich für die Wohnung zu leistenden laufenden Zahlungen wird vereinbart:
a) Die ob den bezeichneten Liegenschaftsanteilen bücherlich sichergestellte Darlehensverbindlichkeit gegenüber der ...GmbH wird zur alleinigen Bezahlung vom Ehemann übernommen, welcher die Ehefrau für jedwede diesbezügliche Inanspruchnahme schad- und klaglos halten wird.
b) alle anderen mit der Wohnung verbundenen Kosten wie z.B. ... Betriebskosten ... werden zur alleinigen Zahlung von der Ehefrau übernommen, welche den Ehemann für jede diesbezügliche Inanspruchnahme schad- und klaglos halten wird.
c) Unbedingt erforderliche, insbesondere von der Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses beschlossene Reparaturkosten des Hauses werden von beiden Eheleuten je zur Hälfte getragen.
Im Falle einer wesentlichen Änderung der derzeit gegebenen Verhältnisse wie z.B. bei Aufnahme dritter Personen in die Wohnung, Eingehung einer Lebensgemeinschaft seitens der Ehefrau u.a. werden die Eheleute diesen Teil ihrer Vereinbarung einer den geänderten Verhältnissen angemessenen einvernehmlichen Änderung zuführen.
...
II.
Für den Fall der Auflösung ihrer Ehe aus welchem Grunde immer - mit Ausnahme ihrer Beendigung durch den Tod eines Ehegatten - vereinbaren die Eheleute:
...
4. Unter der Voraussetzung, dass sich die rechtlich relevanten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute bei Auflösung der Ehe gegenüber dem Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung nicht wesentlich geändert haben - wie z.B. durch Wiedererlangen der Erwerbsfähigkeit der Ehefrau, Zufluss namhafter Vermögenswerte an die Ehefrau wie Erbgang oder unentgeltliche Zuwendung unter Lebenden etc. - wird der Ehemann der Ehefrau nach Auflösung der Ehe gesetzlichen Unterhalt wie in Punkt I./2. leisten und sich dazu in einem anlässlich der Auflösung der Ehe zu schließenden Gerichtsvergleich oder in einer gleich wirksamen außergerichtlichen Vereinbarung verpflichten."
Für dieses Rechtsgeschäft schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Bescheid vom die Rechtsgebühr für Vergleiche gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebG in der Höhe von S 43.200,-- vor.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, es liege seiner Ansicht nach kein Vergleich vor. Ein Vergleich setze ein strittiges oder zumindest zweifelhaftes Rechtsverhältnis voraus. Der Beschwerdeführer habe die Unterhaltsleistungen bereits vor der Vereinbarung erbracht und es bestünde zwischen den Ehegatten kein Zweifel über die Rechtmäßigkeit ihres Bestehens.
Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines Rechtsstandpunktes fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, die Vereinbarung sei als außergerichtlicher Vergleich anzusehen. Wesentlich sei, dass die Ehegattin auch dann keinen höheren Unterhalt erhalte, wenn sie ihr eigenes Einkommen ganz oder teilweise verliere und abweichend von der Rechtslage wirke sich eine Erhöhung des Einkommens des Beschwerdeführers für die Ehegattin erst bei einer Einkommenserhöhung von wenigstens 10 v.H. aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtentrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr verletzt, weil es sich bei der in Rede stehenden Unterhaltsvereinbarung um einen gebührenfreien Alimentationsvertrag (früher § 33 TP 3 GebG) handle.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde vor.
Der Beschwerdeführer gab eine Stellungnahme zu der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebG unterliegt ein außergerichtlicher Vergleich einer Rechtsgebühr von 2 v.H. vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.
Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühr der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Gemäß Abs. 2 leg. cit. wird, wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühr bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
In Ermangelung einer Definition des Begriffes "Vergleich" im Gebührengesetz ist zur Auslegung des Begriffsinhaltes § 1380 ABGB heranzuziehen. Danach ist ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet, ein Vergleich.
Nach Punkt II 4. der Vereinbarung wird der Unterhalt unter der Voraussetzung, die rechtlich relevanten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute haben sich bei Auflösung der Ehe gegenüber dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht wesentlich geändert, auch nach Auflösung der Ehe in der Höhe geschuldet, wie er im Notariatsakt zum Zeitpunkt seines Abschlusses festgelegt wurde. Dabei ist nach § 17 Abs. 4 GebG auf die Enstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung abhängt.
Scheidungsfolgenvereinbarungen gem. § 55a Abs. 2 EheG sind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich als Vergleich zu werten (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl 88/15/0167, und die dort zitierte Vorjudikatur). Gerade in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0135, wurde unter Bezugnahme auf weitere Nachweise wiederholt, dass nach der Verwaltungsgerichtshof-Judikatur ein Übereinkommen zum Zwecke der konstitutiven Unterhaltsregelung für den Fall der Eheschließung kein so genannter Alimentationsvertrag (im Sinne des früheren § 33 TP 3 GebG) war. Da im Gesetz die Folgen der Scheidung im Einzelnen nicht festgelegt sind und Unterhaltsvereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten (Koziol-Welser, Bürgerliches Recht II 10, 205 und 206) unterliegen, handelt es sich bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung um die Regelung zweifelhafter Rechte. Es können nämlich nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse vergleichsweise geregelt werden, sondern auch künftige auf Gesetz beruhende Ansprüche, wenn noch zweifelhaft ist, ob und inwieweit die gesetzlich normierten Voraussetzungen gegeben sein werden.
Ein solcher Vergleich ist auch die der Abgabenvorschreibung zugrundeliegende Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin, wäre doch eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers nach der Scheidung nicht im vereinbarten Ausmaß gegeben gewesen: Für den Fall einer einvernehmlichen Scheidung ist eine Unterhaltsvereinbarung sogar Voraussetzung der Scheidung. Sind beide Ehegatten an der Scheidung gleich schuld, so haben sie gegeneinander prinzipiell keine Unterhaltsansprüche (§ 68 EheG). Es kann aber dem Teil, der nicht in der Lage ist, sich selbst zu ernähren, zu Lasten des anderen ein "Unterhaltsbeitrag" zugestanden werden, wenn dies nach den gegebenen Umständen der Billigkeit entspricht. Die Beitragspflicht des Ehegatten geht der Unterhaltspflicht der Verwandten im Range aber nach (Koziol-Welser, Bürgerliches Recht II10 , 230 und 232).
Gerade aus der Formulierung der Vereinbarung: "Für den Fall der Auflösung der Ehe aus welchem Grunde immer"(Punkt II. des Notariatsaktes) ist ersichtlich, dass es sich auch um eine Regelung zweifelhafter Unterhaltsfragen für die Zeit nach Auflösung der Ehe handelt, bei der sowohl die Höhe als auch die Rechtsgrundlage der Vereinbarung zweifelhaft war. Die vom Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin geschlossene Vereinbarung geht insbesondere wegen ihrer Klarstellungs- und Streitvorbeugungsfunktion für die Zeit nach Auflösung der Ehe (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/16/0051, und vom , Zl. 98/16/0129) über einen bloßen Alimentationsvertrag hinaus. Die Ehepartner waren auch zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit, weil sich einerseits der Beschwerdeführer dazu verpflichtete, die Unterhaltsvereinbarung des Punktes I 2. in einem anlässlich der Auflösung der Ehe zu schließenden Gerichtsvergleich oder in einer gleich wirksamen außergerichtlichen Vereinbarung zu übernehmen, andererseits die Ehefrau, unabhängig davon, ob sie ihr eigenes Einkommen verliert oder behält, immer den gleichen Unterhalt erhält (Punkt I 2.). Für einen Vergleich genügt das notwendige beiderseitige Nachgeben keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung, sondern es genügt schon das Nachgeben in nur einem von mehreren Punkten (vgl. Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum GebG § 33 TP 20 B I 1b IV Abs. 3). Die belangte Behörde hat daher die Vereinbarung schon aus diesem Grund zu Recht als Vergleich nach § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebG beurteilt.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere die Verletzung der Begründungspflicht rügt, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Behörde bei den im Notariatakt festgehaltenen Vereinbarungen auch bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels zu keiner anders lautenden Entscheidung hätte kommen können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am