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VwGH vom 23.05.1996, 94/15/0024

VwGH vom 23.05.1996, 94/15/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des Dr. L in W, vertreten durch Dr. Mag. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7-1190/93, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der W-GmbH in Höhe von insgesamt S 1,889.557,-- (Umatzsteuer für die Monate Jänner bis Oktober 1984 von S 1,602.732,-- und Kapitalertragsteuer 1984 in Höhe von S 286.825,--) herangezogen. Die bei der W-GmbH uneinbringlichen haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten seien allesamt vor Beendigung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der W-GmbH (Jänner 1985) fällig geworden. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten stehe im Hinblick darauf fest, daß die W-GmbH seit keine Tätigkeit ausübe und anläßlich eines Vollstreckungsversuches des Finanzamtes am weder Geschäftsaufzeichnungen noch Büroeinrichtung oder sonstige pfändbare Vermögenswerte aufgefunden worden seien. Die schuldhafte Verletzung der Zahlungspflicht des Beschwerdeführers sei auch Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Soweit die Beschwerde in Abrede stellt, daß die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der W-GmbH uneinbringlich sind, war die belangte Behörde zur gegenteiligen Sachverhaltsannahme im Hinblick darauf berechtigt, daß der Beschwerdeführer die in der Berufungsvorentscheidung erstmals getroffene Feststellung der objektiven Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten beim Primärschuldner im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens nicht bekämpft hat. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0208, m.w.N.) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.

Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid weiters deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde darin von einer schuldhaften Verletzung der dem Beschwerdeführer obliegenden Pflicht ausgeht. Der Beschwerdeführer sei nach Zurücklegung seiner Funktion als Geschäftsführer der W-GmbH nicht für das Unterbleiben der Vorlage von Unterlagen anläßlich einer diese Gesellschaft betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung im Jänner 1989 verantwortlich. Selbst wenn der Beschwerdeführer aber verpflichtet gewesen wäre, dem Finanzamt Buchhaltungsunterlagen der W-GmbH zu übergeben und wenn im Unterbleiben dieser Übergabe eine "schuldhafte Verletzung" einer dem Beschwerdeführer auferlegten abgabenrechtlichen Pflicht erblickt werden könnte, so folge daraus noch nicht, daß seine Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Primärschuldner kausal gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nach Zurücklegung seiner Funktion als Geschäftsführer der W-GmbH zum Vorwurf macht, sondern eine Verletzung seiner Pflicht, als damaliger Geschäftsführer der genannten Gesellschaft fällige Abgabenschuldigkeiten aus den Mitteln der Gesellschaft zu entrichten. Daß die W-GmbH an den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten auch über die zur termingerechten Entrichtung erforderlichen Mittel verfügte, hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst ausgeführt. Infolge Verletzung dieser Pflicht durch den Beschwerdeführer ist es auch nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde den bei Haftungen gemäß § 9 BAO erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung einer abgabenrechtlichen Pflicht und der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bejaht hat.

Da auch kein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf beide Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 41671994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.