VwGH vom 09.09.1998, 94/14/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des W M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom , Zl 12/26/5-BK/Hö-1993, betreffend Einkommensteuer 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Rechtsanwalt beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 1990 bei Ermittlung des Einkommens einen Betrag von S 218.055,-- als außergewöhnliche Belastung ("Übernahme der Kosten des Haftprüfungsverfahrens des mittellosen Bruders") abzuziehen. Das Finanzamt anerkannte keine außergewöhnliche Belastung.
In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, sein am geborener Bruder habe sich im Jahr 1987 verehelicht. Nach Zerrüttung der Ehe bereits gegen Ende des Jahres 1988 sei es zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft und in der Folge zu einer Reihe von Anzeigen seiner Ehefrau sowohl bei den für die Strafverfolgung zuständigen Behörden in Südafrika als auch bei jenen in Österreich gekommen. Gegen seinen Bruder sei beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Strafverfahren anhängig gewesen, aus dessen Anlaß auch die Untersuchungshaft verhängt worden sei. Über entsprechende Beschwerde sei die Untersuchungshaft aufgehoben worden. Mit Zustimmung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sei sein Bruder nach Südafrika gereist und habe sich verpflichtet, jederzeit über Aufforderung des Gerichtes sich diesem zur Verfügung zu stellen. Dieser Verpflichtung sei sein Bruder auch nachgekommen. Wegen der von seiner Ehefrau erhobenen Anschuldigungen sei sein Bruder im September 1989 in Südafrika wegen des Verdachtes von Steuer- und Devisenvergehen mit einer Schadenssumme von rd S 220 Mio verhaftet worden. Sein Bruder habe zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Mittel verfügt, die es ihm erlaubt hätten, einen Verteidiger damit zu beauftragen, ihn in den an seine Verhaftung anschließenden Haftprüfungsverhandlungen zu vertreten. In der Folge habe dann tatsächlich eine Aufhebung der Untersuchungshaft nach zehn Monaten im Juli 1990 erwirkt werden können. Das Strafverfahren habe mit Urteil vom geendet, in welchem sein Bruder von allen Fakten freigesprochen worden sei. Ein Kostenersatz finde im südafrikanischen Strafverfahren nicht statt. Über Vorhalt des Finanzamtes wurde ergänzend ua ausgeführt, es bestünden keinerlei Vereinbarungen mit dem Bruder betreffend die Rückzahlung der für ihn aufgewendeten Beträge. Im Zeitpunkt der Bezahlung der Beträge sei eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen, da sich sein Bruder in Untersuchungshaft in Johannesburg befunden habe. Seine Mittellosigkeit resultiere daraus, daß in der Vergangenheit ein über sein Vermögen eröffnetes Konkursverfahren mit Zwangsausgleich beendet worden sei, er in der Folge aber im Wege der Zusammenarbeit mit B R wiederum wirtschaftlich nicht habe reüssieren können, er vielmehr im Zusammenhang damit im Jahr 1987 in Österreich in Untersuchungshaft geraten sei. Auch nach Aufhebung der Untersuchungshaft in Johannesburg habe sich die ökonomische Situation seines Bruders nicht verbessert, sodaß eine Vereinbarung betreffend Rückzahlung der zugewendeten Mittel rein akademischen Charakter gehabt hätte. Sein Bruder befinde sich derzeit nach wie vor in Südafrika, und zwar in Johannesburg und bringe als Mitarbeiter eines Unternehmens gerade so viel ins Verdienen, daß er seinen eigenen Unterhalt sowie den zweier Kinder aus erster Ehe zu finanzieren in der Lage sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend verwies sie nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des § 34 EStG 1988 auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Vorliegen einer sittlichen Verpflichtung des Vaters zur Unterstützung seines straffällig gewordenen Sohnes auch unter dem Gesichtspunkt der eingewendeten Erleichterung der Resozialisierung verneint worden war, und vertrat die Ansicht, wenn das Rechtsgefühl der Gemeinschaft die Eltern nicht verpflichte, die Kosten der Strafverteidigung von straffällig gewordenen Kindern zu übernehmen, könne auch der Beschwerdeführer nicht sittlich verpflichtet sein, diese Verpflichtung gegenüber seinem Bruder zu übernehmen. Es sei aber weiters zu berücksichtigen, daß als Aufwendungen im Sinne des § 34 (EStG 1988) im Regelfall nur Geldausgaben angesehen werden könnten, die das laufende Einkommen belasten und bei denen es sich weiters um vermögensmindernde Ausgaben handeln müsse, also solche, die mit einem endgültigen Verbrauch verknüpft seien. Wenn sich der Beschwerdeführer seinem Vorbringen entsprechend entschlossen habe, diesen Aufwand für seinen Bruder endgültig zu tragen und nicht etwa dem Bruder die Aufwandsrückzahlung nur bis zur Besserung seiner finanziellen Verhältnisse zu stunden, so weise diese Vorgangsweise keineswegs das Merkmal der Zwangsläufigkeit auf. Eine solche Zwangsläufigkeit könne auch nicht auf Grund des Umstandes bestehen, daß sich die ökonomische Situation des Bruders auch nach Aufhebung der Untersuchungshaft nicht verbessert habe, weil er als Mitarbeiter eines Unternehmens in Südafrika gerade so viel ins Verdienen bringe, daß er seinen eigenen Unterhalt sowie den zweier Kinder aus erster Ehe zu finanzieren in der Lage sei. Mit diesem Vorbringen habe der Beschwerdeführer selbst dargelegt, daß sein Bruder wieder voll wirtschaftlich tätig sei und es nicht einzusehen sei, warum der Beschwerdeführer verpflichtet sein sollte, gegenüber seinem erst etwa 50 Jahre alten, im Erwerb nicht durch Krankheit oder Invalidität behinderten Bruder den gegenständlichen Aufwand endgültig zu tragen. Es könne daher die Ansicht des Beschwerdeführers, eine allfällige Vereinbarung über die Rückzahlung der zugewendeten Beträge hätte rein akademischen Charakter gehabt, nicht geteilt werden. Selbst wenn nicht abzusehen gewesen wäre, ob und wann der Bruder zur Leistung von Rückzahlungen in der Lage sein werde, erfordere unter den gegebenen Umständen jedenfalls die Sittenordnung nicht, daß der Beschwerdeführer den Aufwand endgültig trage. Stelle sich aber die endgültige Tragung des Aufwandes nicht als Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung dar, so fehle der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 kann jeder Steuerpflichtige beantragen, daß bei Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muß außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit gegeben ist. Gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß gegenständlich nur sittliche Gründe in Betracht kommen. Was im Einzelfall sittliche Pflicht des Steuerpflichtigen ist, bestimmt sich nach den Vorstellungen billig und gerecht denkender Menschen darüber, welches Verhalten von dem Betreffenden in seiner Lebenssituation erwartet werden kann, widrigenfalls ihm von der Gesellschaft, der er angehört, mit Mißbilligung begegnet wird. Entscheidend ist daher nicht das subjektive Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen. Es reicht daher nicht aus, daß das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 90/13/0062, mwN).
Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der belangten Behörde, es sei nicht einzusehen, warum der Beschwerdeführer sittlich verpflichtet gewesen sein sollte, gegenüber seinem erst etwa 50 Jahre alten, im Erwerb nicht durch Krankheit oder Invalidität behinderten Bruder den gegenständlichen Aufwand endgültig zu tragen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung erkennbar den vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt als erwiesen angenommen hat, ist auch die Verfahrensrüge, der angefochtene Bescheid beinhalte keine Tatsachenfeststellungen und es seien auch die zum Beweis der aufgestellten Tatsachenbehauptungen angebotenen Beweise nicht aufgenommen worden, nicht geeignet, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.