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VwGH vom 19.04.2001, 99/06/0049

VwGH vom 19.04.2001, 99/06/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des J S in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-550-2771/1-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach der TBO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Marktgemeinde R vom wurde dem Eigentümer des Baugrundstückes Nr. 42/4 des Grundbuches R die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Schwimmbades, eines Geräteschuppens, eines überdachten Autoabstellplatzes, eines überdachten Fahrradabstellplatzes sowie einer Fertigteilgarage bewilligt. Dieser Bescheid wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch postamtliche Hinterlegung zugestellt, wobei als Beginn der Abholfrist der vermerkt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am Berufung (Datum der Postaufgabe), die am darauf folgenden Tag, nämlich dem , bei der Behörde erster Instanz einlangte.

Mit Bescheid vom des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde R wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Die oberste Gemeindebehörde ging auf der Sachverhaltsebene davon aus, der Baubewilligungsbescheid sei dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Postamt R am zugestellt und von diesem am behoben worden. Die Berufung sei am erhoben worden. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe am Montag, dem , begonnen und habe am Montag, dem , geendet. Die am erhobene Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde, die er im Wesentlichen dahingehend begründete, die Hinterlegung sei am erfolgt, an welchem Tage er sich beruflich im Oberinntal aufgehalten habe. Er sei erst am zurückgekommen. Daher habe er erst spät abends an diesem Tage von der Hinterlegung Kenntnis erlangt. Am habe er das hinterlegte Schriftstück behoben. Mit dem Datum der Behebung () gelte die Zustellung als vollzogen. Damit habe aber die Berufungsfrist erst am zu laufen begonnen, die am 7. Juli zur Post gebrachte Berufung sei somit rechtzeitig eingebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Der Lauf der zweiwöchigen Frist zur Erhebung der Berufung habe am , nämlich mit dem Tag des Beginnes der Abholfrist, zu laufen begonnen. Eine Sendung gelte dann nicht als zugestellt, wenn sich ergebe, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis habe erlangen können. Die Zustellung werde in diesem Falle an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam. Diese vorübergehende Abwesenheit, welche die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig mache, liege aber nur vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert sei, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes. Die berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages sei keine vorübergehende Abwesenheit. Dazu sei keineswegs erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen müsse. Das Rechtsinstitut der Zustellung durch Hinterlegung zeige deutlich, dass auch in Fällen, in denen dem Empfänger die Abholung einer hinterlegten Sendung nachweislich am Tag der Hinterlegung nicht möglich gewesen sei, dennoch dieser Tag als Zustelltag gelte. Dabei müsse den Empfänger weder an der Vergeblichkeit der Zustellung als Voraussetzung für die Hinterlegung noch an der erst später möglichen Behebung ein Verschulden treffen. Fristen würden dadurch nicht verkürzt, dass die tatsächliche Behebung des Bescheides erst drei Tage nach Zustellung durch Hinterlegung erfolgt sei. Ob jemand vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangt habe, könne nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Werde durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlange der Empfänger noch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibe. Für die Vorstellungsbehörde folge daraus, dass der Empfänger nur zwei Tage nach der Hinterlegung vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe und ihm somit die in Ansehung des zugestellten Bescheides wahrzunehmende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen nahezu unverkürzt zur Verfügung gestanden sei. Der Beschwerdeführer habe als Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können, die Ersatzzustellung durch Hinterlegung sei somit am wirksam geworden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), ist dann, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt die hinterlegte Sendung - die Zulässigkeit der Hinterlegung vorausgesetzt - erst mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als hinterlegt. Im Beschwerdefall war das der .

Der Rückschein stellt als Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde im Sinn des § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO dar und hat die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich (vgl. das hg. Erkenntnis , Zl. 91/06/0056, u. a.). Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/18/0165).

Der Beschwerdeführer hatte bereits in seiner Vorstellung gegen den Zurückweisungsbescheid der Gemeindevertretung vorgebracht, im Zeitpunkt der Hinterlegung bzw. am ersten Tag der Abholfrist nicht an der Abgabestelle anwesend, sondern "aus beruflichen Gründen im Oberinntal gewesen" zu sein und "erst am 23. Juni spätabends" von der erfolgten Hinterlegung erfahren zu haben.

Zwar besteht hinsichtlich der von der Partei des Verwaltungsverfahrens behaupteten vorübergehenden Ortsabwesenheit gemäß § 17 ZustG keine Beweispflicht, sondern lediglich eine mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondierende Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0225), durch die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der erfolgten Hinterlegung ohne nähere Konkretisierung dieser Behauptung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht entspricht die Partei dieser Mitwirkungspflicht aber nicht.

Im Beschwerdefall kann die Frage der ausreichenden Bescheinigung der behaupteten Ortsabwesenheit jedoch dahingestellt bleiben, kommt doch den Beschwerdeausführungen selbst bei Zugrundelegung der diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers bereits aus rechtlichen Gründen - wie im Folgenden dargelegt wird - keine Berechtigung zu.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung gilt mit der (zulässigen) Hinterlegung des zuzustellenden Schriftstückes (und nicht erst mit dessen Abholung) dessen Zustellung an den Empfänger als bewirkt, und zwar mit dem Tag, an dem die hinterlegte Postsendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde (d. i. im Beschwerdefall der ).

War die erfolgte Hinterlegung hingegen unzulässig, so wäre die Zustellung nur dann rechtswirksam erfolgt, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (im Sinne des § 7 ZustG). Die Hinterlegung ist aber gemäß dem letzten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG dann unzulässig, wenn sich nachträglich ergibt, dass "der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte".

Zunächst ist klarzustellen, dass in § 17 Abs. 1 ZustG die Zulässigkeit der Hinterlegung nicht von der wirklichen An- oder Abwesenheit des Empfängers abhängig gemacht wird, sondern davon, ob der Zusteller "Grund zur Annahme" hatte, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Dabei machen vorübergehende berufsbedingte regelmäßige Abwesenheiten von der Abgabestelle zu bestimmten Stunden oder an bestimmten Werktagen (z.B. im Falle von beruflichen "Pendlern") die Annahme einer Regelmäßigkeit der Anwesenheit an der Abgabestelle nicht unzulässig. Eine Zustellung gilt nach Abs. 3 leg. cit. daher nur in jenem Falle ungeachtet einer solchen berechtigten Annahme des Zustellers dann als nicht vollzogen, wenn der Empfänger vom Zustellvorgang "nicht rechtzeitig" Kenntnis erlangen konnte.

Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt (vgl. der hg. Beschluss vom , Zlen. 91/14/0218,0219). Im Fall der Behebung der Sendung zwei Tage nach der erfolgten Hinterlegung liegt kein Fall vor, wonach wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt werden konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0303, auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0027). Es verblieb dem Beschwerdeführer ein angemessener Zeitraum von 12 Tagen zur Einbringung der Berufung.

Damit erweist sich der Zurückweisungsbeschluss des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Rum als mit der Rechtslage in Einklang stehend, so dass auch die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Vorstellungsbescheides nicht vorliegt.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am