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VwGH vom 29.09.1997, 96/17/0453

VwGH vom 29.09.1997, 96/17/0453

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der C, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. MD-VfR - S 3/96, betreffend Kanaleinmündungsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin anläßlich der Herstellung eines Hauskanalanschlusses auf der näher bezeichneten Liegenschaft die Kanaleinmündungsgebühr in der Höhe von S 5.958,-- vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der öffentliche Kanalanschluß sei von ihr im Jahre 1988 beantragt und im Jänner oder Februar 1989 tatsächlich gebaut worden. Soweit sie sich erinnern könne, sei ihr damals eine Kanalanschlußgebühr vorgeschrieben worden; sie habe diese auch bezahlt. Im übrigen seien die Forderungen verjährt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, nach dem im Akt liegenden Ansuchen habe die Beschwerdeführerin bereits im Jahre 1989 um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Herstellung eines Kanalanschlusses an das öffentliche Kanalnetz hinsichtlich der in Rede stehenden Liegenschaft angesucht. Nach der Aktenlage sei bisher die beantragte Baubewilligung nicht erteilt worden. Auch die für den erstmaligen Anschluß an den Straßenkanal zu entrichtende Kanaleinmündungsgebühr sei bisher nicht vorgeschrieben worden. Für den beantragten erstmaligen Anschluß der Liegenschaft an das öffentliche Kanalnetz sei eine Kanaleinmündungsgebühr zu entrichten. Gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren sei der Bauwerber gebührenpflichtig. Das Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Herstellung des Kanalanschlusses sei von der Beschwerdeführerin eingebracht worden. Nach ihren eigenen Aussagen in der von ihr abgegebenen Äußerung am sei zwischenzeitlich kein Bauwerberwechsel eingetreten. Eine Verjährung der Kanaleinmündunsgebühr sei entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Nach der Aktenlage sei im Beschwerdefall der Anschluß an den öffentlichen Straßenkanal hergestellt worden, ohne die dafür erforderliche baubehördliche Bewilligung erwirkt zu haben. Durch diesen tatsächlichen, baubehördlich aber nicht bewilligten Anschluß an den öffentlichen Straßenkanal sei zwar einerseits der Abgabenanspruch im Sinne des § 3 Abs. 1 WAO entstanden, auf der anderen Seite sei jedoch der Abgabenbehörde die Möglichkeit genommen worden, anläßlich der Erteilung der erforderlichen baubehördlichen Bewilligung für den (erstmaligen) Anschluß an den öffentlichen Straßenkanal die gemäß § 7 Abs. 1 KEG anfallende Kanaleinmündungsgebühr zu bemessen und vorzuschreiben. Aus dem Gesetz über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren sei jedenfalls zu entnehmen, daß die Vorschreibung der Kanaleinmündungsgebühr bzw. der Kanaleinmündungs-Ergänzungsgebühr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung stehe. Durch die Herstellung eines tatsächlichen Anschlusses an den öffentlichen Straßenkanal ohne Erwirkung der dafür erforderlichen baubehördlichen Bewilligung, sei somit die Vorschreibung der Abgabe anläßlich der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung verhindert worden. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß ein Anschluß an den öffentlichen Straßenkanal auch erst nach der Erwirkung der dafür erforderlichen baubehördlichen Bewilligung hergestellt werden dürfe. Es ergebe sich somit, daß die nicht bewilligte Herstellung des Anschlusses an den öffentlichen Straßenkanal die Hinterziehung der gemäß § 7 KEG zu entrichteten Kanaleinmündungsgebühr bewirkt habe. Da bei hinterzogenen Abgaben die Verjährungsfrist zehn Jahre betrage, sei eine Verjährung im vorliegenden Fall nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In den Verwaltungsakten befindet sich der an die Beschwerdeführerin gerichtete Bescheid vom mit dem ihr hinsichtlich der in Rede stehenden Liegenschaft der Auftrag erteilt wurde "binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides alle Abwässer unterhalb der Verkehrsfläche in den Straßenkanal einzuleiten". Nach einem Vermerk auf diesem Bescheid wurde dieser am rechtskräftig und es bestand eine Frist bis .

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren, LGBl. für Wien, Nr. 13/1967, ist für den erstmaligen unmittelbaren oder mittelbaren Anschluß an einen Straßenkanal eine Kanaleinmündungsgebühr zu entrichten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/17/0197) knüpft die Gebührenpflicht an den erstmaligen tatsächlichen Anschluß an einen Straßenkanal an. Im Beschwerdefall war die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom dazu rechtskräftig verpflichtet worden, innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides den Anschluß tatsächlich auch durchzuführen.

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gemäß § 154 WAO der Verjährung. Nach § 154 Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.

Gemäß § 155 lit. a WAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 154 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die belangte Behörde vertritt - ausgehend von dem durch den tatsächlichen Kanalanschluß entstandenen Abgabenanspruch im Jahre 1989 - im angefochtenen Bescheid die Ansicht, die Abgaben seien hinterzogen worden, im Beschwerdefall sei daher die zehnjährige Verjährungsfrist anzuwenden. Die Hinterziehung der Abgabe wird damit begründet, es sei durch die Herstellung eines tatsächlichen Anschlusses an den öffentlichen Straßenkanal, ohne die dafür erforderliche baubehördliche Bewilligung erwirkt zu haben, verhindert worden, daß die Abgabenbehörde anläßlich der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung die für die Herstellung des Kanalanschlusses anfallende Kanaleinmündungsgebühr festsetzen und dem Bauwerber vorschreiben konnte.

Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage. Ein rechtskräftiger Schuldausspruch im Strafverfahren ist für die Annahme der zehn Jahre betragenden Verjährungsfrist nicht erforderlich. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien des Straftatbestandes sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Die Beurteilung der Vorfrage hat in der Bescheidbegründung zu erfolgen. Aus der Begründung muß sich somit ergeben, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (vgl. zur im wesentlichen gleichen Rechtslage, Ritz, BAO-Kommentar, Rz 15 zu § 207 BAO, samt angeführter Rechtsprechung).

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe bereits mit Schreiben vom - dieses befindet sich auch in den Verwaltungsakten - mitgeteilt, sie habe den Kanalanschluß, welcher laut Bescheid bis längstens "Mai 1989" fertigzustellen gewesen sei, durch eine näher bezeichnete Firma anschließen lassen.

Mit diesem Schreiben hat die Beschwerdeführerin den tatsächlich durchgeführten Kanalanschluß offengelegt. Im Falle der anläßlich des Anschlusses unverzüglich erfolgten Offenlegung dieses Sachverhaltes kann von einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung keine Rede mehr sein, weil die Offenlegung des Sachverhaltes jedenfalls ein vorsätzliches Verhalten ausschließt. Die Behörde wußte von dem tatsächlich erfolgten Anschluß und aus den Verwaltungsakten ist kein Hindernis für die Vorschreibung der Kanaleinmündungsgebühr ersichtlich.

Da die belangte Behörde diese Umstände verkannte und die zehnjährige Verjährungsfrist im Beschwerdefall zu Unrecht anwendete, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die verzeichneten Barauslagen, die nur in der Höhe von S 240,-- für die Beschwerde in zweifacher Ausfertigung und S 60,-- für eine Beilage der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zuzusprechen waren.