VwGH vom 26.06.1997, 96/16/0209
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Wilhelm L in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom , Zl. GA 13-1/L-185/1/95, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge des vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zl. 26a Vr 10.008/89 gegen Walter W u.a. wegen §§ 35 Abs. 3, 38 Abs. 1 FinStrG geführten Verfahrens wurde am an das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz der Befehl erlassen, beim Beschwerdeführer in den Räumlichkeiten in 1220 Wien, eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen vorzunehmen, deren Besitz oder Besichtigung für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sein kann. Es handelte sich u.a. um Schaumwein zollunredlicher Herkunft.
Laut Aktenvermerk des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz vom konnte diese Hausdurchsuchung aber nicht vollzogen werden, weil der Beschwerdeführer zwar an der angegebenen Adresse aufrecht gemeldet, von dort aber nach Angaben seiner Mutter schon seit sieben Jahren verzogen war.
Am richtete die Finanzstrafbehörde erster Instanz an den Beschwerdeführer als Verdächtigen eine Vorladung zur Einvernahme, die den Beschwerdeführer nicht erreichte. Eine weitere Vorladung an den Beschwerdeführer erfolgte am .
Am schließlich wurde der Beschwerdeführer vom Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz als Verdächtiger einvernommen.
Mit Bescheid vom leitete das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer förmlich ein Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß er im Bereich des Zollamtes Wien im Zeitraum Jänner 1988 bis September 1989 Sachen, hinsichtlich der zuvor von Walter W und anderen Personen das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 3 FinStrG begangen worden sei, nämlich 228 Flaschen Champagner Vueve Cliquot a 0.75 l, vorsätzlich angekauft und hiemit ein Finanzvergehen gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, wobei er lediglich den Eintritt der Verjährung geltend machte. Diese sei ausgehend vom Tatzeitraum Jänner 1988 bis September 1989 mit Oktober 1994 eingetreten. Der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer erst am zugestellt worden.
Die belangte Behörde wies die Beschwerde als unbegründet ab und vertrat zur Verjährungsfrage die Auffassung, daß schon mit der Vernehmung des Beschwerdeführers als Verdächtigen am das Finanzstrafverfahren anhängig gemacht worden sei; die Zeit seither sei daher in die Verjährung nicht einzurechnen.
In der Sache selbst wies die belangte Behörde darauf hin, daß auf Grund der Verfahrensergebnisse schwerwiegende Verdachtsgründe für den Tatvorwurf gegen den Beschwerdeführer bestünden. Walter W habe angegeben, an die "X-Bar" in Wien 2, deren Besitzer der Beschwerdeführer sei, seit dem Jänner 1988 u. a. pro Monat eine Kiste, a 12 Flaschen Vueve Cliquot, zum Preis von S 280,-- pro Flasche bis September 1989 geliefert zu haben. Der Beschwerdeführer habe nach Vorhalt lediglich die übernommene Menge bestritten. Dazu gibt der Bescheid der belangten Behörde u.a. die Bestimmung des § 8 Abs. 1 FinStrG inhaltlich wieder.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, wegen des angeblich begangenen Deliktes der Abgabenhehlerei nur dann verfolgt zu werden, wenn nicht bereits Verjährung eingetreten ist, sowie in seinem aus § 98 Abs. 3 FinStrG erfließenden Recht, daß die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens zu beurteilen hat, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht bzw. das bereits bei Weiterbestehen von Zweifeln die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werde.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 31 FinStrG lautet auszugsweise:
"(1) Die Strafbarkeit eines Finanzvergehens erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand ein Erfolg, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dessen Eintritt zu laufen. ...
(2) Die Verjährungsfrist beträgt für Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 drei Jahre, für andere Finanzordnungswidrigkeiten ein Jahr, für die übrigen Finanzvergehen fünf Jahre.
...
(4) In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:
...
b) die Zeit, während der wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei Gericht oder bei einer Finanzbehörde anhängig ist."
Gemäß § 14 Abs. 3 leg. cit. ist Verfolgungshandlung jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichtes, einer Finanzstrafbehörde oder eines im § 89 Abs. 2 genannten Organs, die sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet, und zwar auch dann, wenn das Gericht, die Finanzstrafbehörde oder das Organ zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die Person, gegen den sie gerichtet war, davon keine Kenntnis erlangt hat.
Gemäß § 83 Abs. 1 leg. cit. ist die Einleitung des Strafverfahrens aktenkundig zu machen.
Nach Abs. 3 der letztzitierten Gesetzesstelle ist der Einleitung eines Strafverfahrens die erste Vernehmung einer Person als Beschuldigter durch eine andere Dienststelle der Finanzverwaltung als durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz gleichzuhalten.
Kern der Beschwerdeausführungen ist die Behauptung, daß ein "anhängiges Finanzstrafverfahren" eines sei, bei dem entweder die Einleitung gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG aktenkundig gemacht oder der Beschluß über die Einleitung ausgefertigt worden sei, oder ein Verfahren, in dem die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 3 leg. cit. fingiert werde. Eine sonstige, nach außen hin erkennbare Verfolgungshandlung führe nicht zu einem anhängigen Finanzstrafverfahren iS des § 31 Abs. 4 lit. b FinStrG.
Dazu vertritt der Verwaltungsgerichtshof insbesondere seit dem Erkenntnis vom , Zl. 81/16/0187, Slg. 5761/F, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Finanzstrafverfahren nicht erst mit seiner (förmlichen) Einleitung gemäß §§ 82 Abs. 3 iVm § 83 FinStrG ANHÄNGIG wird, sondern bereits mit der Setzung einer sonstigen Verfolgungshandlung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/16/0096, , Zl. 88/16/0027, 0035, Slg. N.F. 6377/F, und vom , Zl. 88/16/0198, sowie die bei Fellner, Finanzstrafgesetz I unter Rz 15 zu §§ 31 und 32 FinStrG in ErGA 13A Abs. 2 und 3 angeführte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes). Die förmliche Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist für die Frage der Anhängigkeit iS des § 31 Abs. 4 lit. b FinStrG ohne rechtliches Gewicht (Slg. N.F. 5761/F). Zur Vermeidung weitwendiger Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der zitierten hg. Rechtsprechung verwiesen. Auch eine Überprüfung der vorgeführten Judikatur an Hand der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom , B 92/88, Slg. 11680 = JBl 1989, 168 und des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/13/0021, AnwBl 1989, 362 (wie dies von Dorazil/Harbich, MGA FinStrG, in der Anmerkung zu E 19a zu § 31 FinStrG angeregt wird) kann zu keinem anderen Ergebnis führen, weil dort jeweils nur ausgesagt wird, daß die förmliche Einleitung eines Finanzstrafverfahrens z. B. betreffend § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG, BGBl. 325/1986, normative Kraft entfaltet, wodurch aber keineswegs ausgeschlossen wird, daß ein Finanzstrafverfahren schon vor seiner förmlichen Einleitung iS des § 31 Abs. 4 lit. b FinStrG anhängig sein kann.
Von dieser - auch dem Beschwerdeführer nicht unbekannten - Rechtprechung abzugehen, bietet der Beschwerdefall keinerlei Anlaß, weil die Beschwerdeargumentation ausschließlich an den Formalbegriff der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 FinStrG anknüpft und dabei außer acht läßt, daß § 31 Abs. 4 lit. b leg. cit. nicht von einem eingeleiteten, sondern von einem anhängigen Verfahren spricht. Auch einem förmlich eingeleiteten Finanzstrafverfahren kann ohne weiteres ein Vorverfahren vorangehen (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0153).
Da des weiteren nach ständiger hg. Judikatur unter dem Begriff einer Verfolgungshandlung insbesondere Hausdurchsuchungen sowie die Vorladung einer Person fallen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/16/0017, Slg. N.F. 6397/F, und vom , Zl. 91/14/0096), ergibt sich, daß die belangte Behörde frei von Rechtswidrigkeit, jedenfalls die am stattgefundene Vernehmung des Beschwerdeführers als Verdächtigen als jenen Umstand angesehen hat, der gemäß § 31 Abs. 4 lit. b FinStrG das Verfahren bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz anhängig gemacht hat. Auf die Frage, ob dies schon durch die Vorladungen vom , bzw. oder gar schon durch den Hausdurchsuchungsbefehl vom geschehen ist, braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.
Was den Beschwerdevorwurf anlangt, es fehle im angefochtenen Bescheid jegliche Feststellung betreffend den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorwurf des Verdachtes vorsätzlichen Handelns, übersieht die Beschwerde vollkommen, daß der angefochtene Bescheid im Wege der oben eingangs referierten Begründungselemente in Verbindung mit der ausdrücklichen Wiedergabe des Inhaltes des § 8 Abs. 1 FinStrG zwar knapp, aber mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, daß die belangte Behörde den Verdacht einer vorsätzlich bewirkten Abgabenhehlerei dargelegt hat.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit in jeder Richtung als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.