VwGH vom 25.04.2002, 2002/21/0036

VwGH vom 25.04.2002, 2002/21/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des B in P, geboren am , vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Margarethenstraße 91/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 5440/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines bosnischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom , mit dem dieser gemäß § 34 FrG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war, als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid der Behörde erster Instanz nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Adresse P, H-Straße 6, durch postamtliche Hinterlegung am mit dem Beginn der Abholfrist an diesem Tag rechtswirksam zugestellt worden sei. Das bereits in der Berufung erstattete Vorbringen und den auf den Verspätungsvorhalt durch die belangte Behörde wiederholten Einwand, der Beschwerdeführer habe ab wieder bei seinen Eltern in P, D-Straße 2, gewohnt und die Anschrift H-Straße 6 habe keine taugliche Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG mehr dargestellt, erachtete die belangte Behörde im Hinblick auf den Inhalt des vom Beschwerdeführer vorgelegten Meldezettels als widerlegt. Daraus gehe lediglich hervor, dass der Beschwerdeführer ab in P, D-Straße 2, einen weiteren Wohnsitz begründet habe und der Hauptwohnsitz weiterhin mit P, H-Straße 6, bezeichnet worden sei. Mehrere Abgabestellen seien aber als gleichrangig zu qualifizieren; an welchem dieser Orte im Einzelfall zuzustellen sei, habe die Behörde in der Zustellverfügung zu bestimmen. Aufgrund des weiteren Bestehens eines Hauptwohnsitzes in der H-Straße 6 sei jedenfalls davon auszugehen, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am ) rechtmäßig bewirkt worden sei. Die erst am zur Post gegebene Berufung erweise sich nach Ansicht der belangten Behörde somit als verspätet.

Gemäß § 4 ZustG ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist unter anderem die Wohnung. Es wird aber eine Wohnung im Sinne dieser Gesetzesstelle durch "das Faktum des Bewohntwerdens" begründet; auf die polizeiliche Meldung kommt es nicht an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0218, mwN). Entscheidend sind somit nicht die Angaben gegenüber der Meldebehörde, sondern, ob der Empfänger an der Abgabestelle tatsächlich wohnt (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/21/0109, und vom , Zl. 95/19/0527).

Entgegen dieser Rechtslage hat die belangte Behörde den gegen die Rechtswirksamkeit der vorgenommenen Zustellung vorgetragenen Einwand des Beschwerdeführers, er sei am 1. August von der H-Straße 6 in die D-Straße 2 verzogen und er habe sich an der erstgenannten Adresse nicht mehr regelmäßig aufgehalten, nicht näher geprüft, sondern allein auf den Inhalt des Meldezettels abgestellt. Abgesehen davon, dass der Inhalt dieses Meldezettels - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - widersprüchlich ist und entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde auch die Deutung zulässt, der Beschwerdeführer habe seinen bisherigen Hauptwohnsitz in der H-Straße 6 aufgegeben, kommt es - wie erwähnt - darauf nicht an. Maßgebend ist nur, ob der Beschwerdeführer die Wohnung in der H-Straße 6 im Zeitpunkt des Zustellversuches am tatsächlich noch bewohnt hat oder - wie er behauptet - bereits zuvor wieder in die D-Straße 2 übersiedelt ist, was zumindest durch die schon in der Berufung beantragte Vernehmung seiner Mutter und seines Stiefvaters zu klären gewesen wäre. Ergibt sich im fortgesetzten Verfahren danach, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt an der H-Straße 6 keine Abgabestelle iSd § 4 ZustG mehr hatte, wäre infolge Rechtsunwirksamkeit des dort vorgenommenen Zustellversuches und der anschließenden Hinterlegung für die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung der - noch zu prüfende - Zeitpunkt, in dem der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist, maßgeblich (§ 7 ZustG).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am