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VwGH vom 21.02.2007, 2002/17/0355

VwGH vom 21.02.2007, 2002/17/0355

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des HU in Pressbaum, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3241501/013-01, betreffend Vorschreibung von Ergänzungsabgaben zur Kanaleinmündungsabgabe nach dem NÖ Kanalgesetz 1977 (Schmutz- und Regenwasserkanal) (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Pressbaum, Hauptstraße 58, 3021 Pressbaum), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Spruchpunkte 1. bis 3. des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass die Eigentümer der von der Vorschreibung der gegenständlichen Abgaben betroffenen Liegenschaft im Herbst 1995 der mitbeteiligten Marktgemeinde die Fertigstellungsanzeige für die von ihnen auf dieser Liegenschaft errichteten sechs Reihenhäuser übermittelten. Im selben Jahr erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Benützungsbewilligung für die Neubauten. Im August 1996 erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde vier Bescheide, in denen der "Hausgemeinschaft U (d.i. der Beschwerdeführer) und Miteigent." Abgaben nach dem NÖ Kanalgesetz 1977 und dem NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 vorgeschrieben wurden. Zu diesen Abgabenvorschreibungen stellte die belangte Behörde mit Bescheid vom im aufsichtsbehördlichen Verfahren fest, dass sie unwirksam gewesen sei, weil sie an einen rechtlich nicht existenten Empfänger adressiert gewesen sei. Die für die "Hausgemeinschaft" erhobene Vorstellung gegen den jeweiligen letztinstanzlichen Gemeindebescheid wurde daher als unzulässig zurückgewiesen.

1.2. In weiterer Folge erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde am vier an den Beschwerdeführer gerichtete Bescheide, mit denen dem Beschwerdeführer die dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Abgaben vorgeschrieben wurden:

1.2.1. Mit dem ersten Bescheid schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer gemäß § 2 NÖ Kanalgesetz 1977 und der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Pressbaum vom für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Schmutzwasserkanal) betreffend die gegenständliche Liegenschaft in der Höhe von S 175.160,70 (inkl. USt) vor. Der Abgabenbemessung wurde als Bestand vor der Änderung (Kanaleinmündungsabgabenbescheid vom ) eine Berechnungsfläche von 75 m2 und als Bestand nach der Änderung eine Berechnungsfläche von 1.299,9 m2 (Wohnhaus mit einer bebauten Fläche von 489,96 m2, vier angeschlossene Geschosse, 75 m2 Anteil der unbebauten Fläche) zu Grunde gelegt.

1.2.2. Mit dem zweiten Bescheid schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer hinsichtlich derselben Liegenschaft gemäß § 2 NÖ Kanalgesetz 1977 und der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Pressbaum vom für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Regenwasserkanal) in der Höhe von S 32.337,36 (inkl. USt) vor. Der Abgabenbemessung wurde als Bestand vor der Änderung (Kanaleinmündungsabgabenbescheid vom ) eine Berechnungsfläche von 75 m2 und als Bestand nach der Änderung eine Berechnungsfläche von 1.299,9 m2 (Wohnhaus mit einer bebauten Fläche von 489,96 m2, 75 m2 Anteil der unbebauten Fläche) zu Grunde gelegt.

1.2.3. Mit dem dritten Bescheid schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaft gemäß § 2 NÖ Kanalgesetz 1977 und der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Pressbaum vom für die Umgestaltung der Kläranlage eine Kanaleinmündungsabgabe (Schmutzwasserkanal) in der Höhe von S 49.002,33 (inkl. USt) vor. Die Abgabe wurde unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 1.299,9 m2 (Wohnhaus von 489,96 m2, vier angeschlossene Geschosse, 75 m2 Anteil der unbebauten Fläche) bei einem Anteil der Kosten der Umgestaltung an den Gesamtkosten der umgestalteten Kanalanlage von 20,77 % bemessen.

1.2.4. Mit dem vierten Bescheid schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer hinsichtlich derselben Liegenschaft eine Ergänzungsabgabe nach dem NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 in der Höhe von S 159.811,96 (inkl. 10 % USt) vor.

1.3. Gegen diese vier Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Diese Berufungen wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit vier Bescheiden vom als unbegründet ab.

1.4. Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Nach Durchführung eines Lokalaugenscheins am erließ die belangte Behörde den angefochtenen Vorstellungsbescheid, mit dem sie unter den Spruchpunkten 1. bis 3. die Vorstellungen des Beschwerdeführers 1. gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Schmutzwasserkanal), 2. gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (Regenwasserkanal) und 3. gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes betreffend Kanaleinmündungsabgabe für die Umgestaltung der Kläranlage (Schmutzwasserkanal) gemäß § 61 NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abwies.

Unter Spruchpunkt 4. gab die belangte Behörde der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes betreffend Ergänzungsabgabe nach dem NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 Folge, hob diesen Bescheid des Gemeindevorstandes auf und verwies insofern die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass anlässlich des Lokalaugenscheins vom hinsichtlich des als Wintergarten bezeichneten Teils der beiden Bauwerke folgender Sachverhalt festgestellt worden sei und folgende Erklärungen abgegeben worden seien:

"Im Bereich des Erdgeschosses ist über die gesamte Breite der Nordfassade beider Gebäude ein Balkon in der Breite von 1,66 m komplett überdacht und in der Einreichunterlage als 'Wintergarten' ausgewiesen. Die bebaute Fläche des Erdgeschosses ist daher diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion der oberirdischen baulichen Anlage begrenzt wird. Diese bauliche Anlage enthält daher auch jenen Bereich, der in der Einreichplanung als Wintergarten bezeichnet ist.

Dem Amtssachverständigen wird nun die Frage gestellt, ob der Wintergarten ein selbständiges Bauwerk darstellt: Aus bautechnischer Sicht wird dazu festgestellt, dass der Wintergarten im Bereich des Fußbodens als auskragender Deckenteil des Kellergeschosses ausgeführt ist und somit in diesem Bereich fest mit der Gesamtkonstruktion verbunden ist. Die Stahl-Glaskonstruktionen, welche schräg an den Gebäudefronten konstruktiv fix mit den Gebäuden verbunden sind, sind auch an den dreieckigen Stirnflächen dicht an das Mauerwerk der übrigen Gebäude angeschlossen. Auf Grund dieser Befundung ist der Wintergartenbereich eindeutig Teil der beiden Gebäude.

Der Vertreter des Vorstellungswerbers gibt bekannt, dass es sich seiner Auffassung nach beim Wintergarten um einen unwesentlichen Bauteil handelt, der zudem nicht winterfest ist und darüber hinaus keinen wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Gegenstand der Abgabe, nämlich der Verursachung von Haushaltsabwässern, aufweist.

Die Vertreter der Gemeinde erklären, ihre in den Bescheiden geäußerte Rechtsauffassung beizubehalten."

Der Beschwerdeführer habe u.a. darauf hingewiesen, dass er nicht Alleineigentümer sei und daher die Abgabe nicht zur Gänze schulde.

Zu den Spruchpunkten 1. bis 3. des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die bebaute Fläche aus den Grundrissflächen beider Wohngebäude einschließlich der von den Wohnräumen aus zugänglichen, als Wintergarten bezeichneten Teile gebildet werde. Die Wintergärten erstreckten sich nämlich jeweils vollständig über die Nordfassaden. Angesichts ihrer Länge von jeweils 20 m und der Breite von 1,66 m handle es sich hierbei auch nicht um bloße Außenwandvorsprünge oder um untergeordnete Bauteile. Zudem seien sie nach außen vollständig abgeschlossen und überdacht. Folglich seien die Wintergärten Bestandteil der aus der lotrechten Projektion gebildeten Grundrissfläche beider Wohngebäude.

Der Amtssachverständige für Bautechnik habe ferner dargelegt, dass die Wintergärten keine baulich selbstständigen Bauwerke darstellten. Die bestehenden Türverbindungen zu den Wintergärten stellten außerdem zwischen den solcherart verbundenen Teilen eine funktionelle Einheit her. Die Wintergärten seien somit weder baulich noch funktionell eigenständige (nicht an die Kanalanlage angeschlossene) Gebäude.

Dass in den Wintergärten keine Kanalanschlüsse vorhanden seien, sei angesichts des Inhalts von § 3 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977, wonach es auf die bebaute Fläche und die Anzahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse ankomme, unerheblich.

Nach § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 sei der Liegenschaftseigentümer abgabepflichtig. Nach § 4 Abs. 1 NÖ AO 1977 seien Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schuldeten, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Gemäß § 151 leg. cit. könne, wenn zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet seien, gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden, und zwar auch dann, wenn nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis die Abgabe nicht von allen Gesamtschuldnern zu tragen sei.

Die gegenständliche Liegenschaft stehe im Eigentum mehrerer Personen. Der Abgabenanspruch könne bei einem Gesamtschuldverhältnis, welches vorliegendenfalls auf Grund des Miteigentumsverhältnisses verwirklicht sei, entweder durch (gesonderte) Festsetzung gegenüber einem oder gegenüber jedem einzelnen Schuldner (Einzelbescheide gemäß § 150 NÖ AO 1977) oder durch einheitlichen Abgabenbescheid allen gegenüber (§ 151 leg. cit.) geltend gemacht werden. Der Abgabengläubiger dürfe entsprechend dem Wesen der Gesamtschuld gegenüber einem oder mehreren bzw. gegenüber jedem Gesamtschuldner die gesamte Leistung bescheidmäßig festsetzen und darüber hinaus auch von jedem Schuldner die gesamte Leistung einfordern, bis er die Leistung vollständig erhalten habe. Bei gänzlicher Entrichtung der Abgabenschuld erlösche jedenfalls das Abgabenschuldverhältnis.

Die Gemeindeabgabenbehörden seien nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer lediglich mit dem auf ihn entfallenden Miteigentumsanteil in Anspruch zu nehmen, sondern dürften von ihm die gesamte Leistung einfordern. Da aber das Gesamtschuldverhältnis unmittelbar auf Grund des Gesetzes (§ 9 NÖ Kanalgesetz 1977 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 NÖ AO 1977) mit Verwirklichung der abgabenrechtlichen Tatbestände (der Ergänzungsabgaben nach § 2 Abs. 4 NÖ Kanalgesetz 1977 und der Kanaleinmündungsabgabe nach § 2 Abs. 2 lit. d in Verbindung mit § 2 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977) entstanden sei, sei aus zivilrechtlicher Sicht der Beschwerdeführer nicht zur alleinigen Tragung der Schuld verpflichtet, sondern vielmehr berechtigt, die übrigen Miteigentümer gemäß § 896 ABGB in Anspruch zu nehmen. Daraus folge, dass der Beschwerdeführer durch die ihm bekannt gegebenen Kanalerrichtungsabgabenbescheide in den ihm vom Gesetz eingeräumten Rechten nicht verletzt worden sei, weshalb insoferne die von ihm erhobenen Vorstellungen abzuweisen gewesen seien.

1.5. Gegen die Spruchpunkte 1. bis 3. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.6. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde und Kostenersatz beantragte.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 1a NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. Nr. 8230, in der im Jahre 1996 geltenden Fassung Nr. 8320-3, galt als bebaute Fläche im Sinne dieses Gesetzes jener Grundstücksteil, welcher von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses eines über das Gelände hinausragenden Gebäudes verdeckt wurde.

§ 2 Abs. 1 leg. cit. bestimmte, dass für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten war. Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. war eine Kanaleinmündungsabgabe auch für bereits an einen Kanal angeschlossene Liegenschaften, selbst wenn schon einmal eine Abgabe oder eine vergleichbare Leistung für den Kanalanschluss erbracht worden war, dann einzuheben, wenn (lit. a) ein Regenwasserkanal in einen Mischwasserkanal umgestaltet oder durch einen solchen ersetzt wurde, (lit. b) ein Schmutzwasserkanal in einen Mischwasserkanal umgestaltet oder durch einen solchen ersetzt wurde oder (lit. d) eine vorhandene Kanalanlage so umgestaltet oder durch eine neue ersetzt wurde, dass dadurch ein erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt wurde.

Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zu Grunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) war gemäß § 2 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6 eine höhere Abgabe ergab.

Gemäß § 3 NÖ Kanalgesetz 1977, idF LGBl. Nr. 8230-3, ergab sich die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

Die Berechnungsfläche wurde gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wurde. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählten zur unbebauten Fläche.

Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. war der Einheitssatz (Abs. 1) vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 6) festzusetzen.

Gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Kanalgesetz 1977 ergab sich die Ergänzungsabgabe aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen waren. Die Berechnungsfläche war für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.

Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. war in jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage vorhanden war, gleichzeitig mit dem Beschluss über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen.

Gemäß § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 waren die Kanalgebühren unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Grundstück nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, die Verpflichtung zum Anschluss bestand oder der Anschluss bewilligt worden war.

§ 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 bestimmte, dass wenn die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) anlässlich einer Bauführung zu entrichten war, die Abgabenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich war, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde, entstand. In allen anderen Fällen entstand die Abgabenschuld mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluss (§ 17 Abs. 3) beziehungsweise bei der Ergänzungsabgabe mit dem Eintritt der Änderung.

Gemäß § 12 Abs. 2 leg. cit. entstand die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe anlässlich einer Umgestaltung oder Ersetzung der Kanalanlage (§ 2 Abs. 2) mit Ablauf des Monats, der der tatsächlichen Inbetriebnahme der umgestalteten oder ersetzten Kanalanlage folgte, soferne nicht Abs. 1 Anwendung fand.

2.2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Vorschreibung der gegenständlichen Abgaben unter anderem mit dem Argument, dass er lediglich Miteigentümer der Liegenschaft sei und ihm daher die Abgaben nicht zur Gänze vorgeschrieben werden hätten dürfen.

Gemäß § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 sind die Kanalgebühren von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Grundstück nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde. Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, auf der zwei Gebäude mit jeweils drei Wohneinheiten errichtet wurden. Für diese insgesamt sechs Wohneinheiten wurden dem Beschwerdeführer die gesamten gegenständlichen Kanalgebühren in der Höhe von EUR 256.500,39 vorgeschrieben.

Zutreffend ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses, bei dem mehrere Schuldner (Miteigentümer) ein und dieselbe Leistung schulden (vgl. § 4 NÖ AO 1977 in Verbindung mit § 9 NÖ Kanalgesetz 1977), die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Auswahlermessen der Behörde liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0099). Es liegt nach der hg. Rechtsprechung im Ermessen der Behörde, ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner oder an mehrere oder alle Gesamtschuldner richtet und ob sie einzelne Gesamtschuldner mit einem Teil oder dem gesamten offenen Betrag in Anspruch nimmt.

Allerdings ist die Ausübung dieses Ermessens nach der ständigen hg. Rechtsprechung entsprechend zu begründen (vgl. neben dem soeben zitierten Erkenntnis auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/17/0241, vom , Zl. 92/17/0108, sowie vom , Zl. 93/17/0084). Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Eine solche Ermessensbegründung fehlte im jeweiligen letztinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Gänze. Die im angefochtenen Bescheid dargelegte Rechtsansicht, wonach die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Marktgemeinde grundsätzlich zur ausschließlichen Inanspruchnahme des Beschwerdeführers berechtigt gewesen seien, ist keine Begründung für die von der Abgabenbehörde bei der Abgabenvorschreibung getroffene Auswahlentscheidung. Die Begründungen der dem Vorstellungsbescheid zu Grunde liegenden gemeindebehördlichen Bescheide befassen sich jeweils nur mit den Anspruchsgrundlagen und der Berechnung der Abgabe und lassen so nicht einmal ansatzweise erkennen, aus welchen Gründen in concreto dem Beschwerdeführer allein die Abgaben zur Gänze vorgeschrieben wurden. Es wäre auf die Ermessensrichtlinien von "Billigkeit" und "Zweckmäßigkeit" gehörig Bedacht zu nehmen gewesen (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0084, und die dort zitierten Literaturstellen). Insbesondere wäre bei der Ermessensbegründung zu berücksichtigen gewesen, dass im Beschwerdefall Abgaben für die gesamte gegenständliche Liegenschaft vorgeschrieben wurden, auf dieser Liegenschaft aber nach den vorgelegten Plänen und Berechnungsunterlagen sechs Wohneinheiten errichtet wurden, welche vermutlich nicht alle vom Beschwerdeführer, sondern wahrscheinlich auch von den anderen Miteigentümern genutzt wurden.

Es lag demnach jeweils ein Begründungsmangel des mit Vorstellung bekämpften Bescheides vor, bei dessen Vermeidung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dadurch, dass die belangte Behörde diesen Mangel nicht wahrgenommen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

2.3. Im Übrigen ist für das fortgesetzte Verfahren auf Folgendes hinzuweisen:

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Wintergärten nicht in die Berechnungsfläche mit ein zu beziehen seien, ist festzuhalten, dass gemäß § 3 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 bei der Ermittlung der für die Abgabenberechnung maßgeblichen bebauten Fläche nicht auf eine ganzjährige Nutzbarkeit für Wohnzwecke abzustellen ist (vgl. zu § 5 Bgld Kanalabgabengesetz das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0022). Nach den im angefochtenen Bescheid hiezu getroffenen Feststellungen, insbesondere auch auf Grund der Ausführungen des Amtssachverständigen zu der technischen Ausführung dieser Wintergärten und in Übereinstimmung mit den vorliegenden Plänen, ist davon auszugehen, dass die gegenständlichen Wintergärten zur bebauten Fläche im Sinne von § 1a NÖ Kanalgesetz 1977 zu zählen sind. Ihre mangelnde Beheizbarkeit steht dem nicht entgegen. Die Wintergärten, die über die gesamte Gebäudelänge verlaufen, sind Teil des jeweiligen Gebäudes und stellen auch keine untergeordneten Bauteile dar (vgl. aus baurechtlichem Gesichtspunkt zu Regelungen betreffend "untergeordnete Bauteile" die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/05/0262, und vom , Zl. 81/06/0033, sowie zur Einbeziehung von Wintergärten in den Begriff der Wohnnutzfläche im Zusammenhang mit dem Grunderwerbsteuergesetz die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/16/0001, und vom , Zl. 89/16/0018). Sie sind daher bei der Berechnung der bebauten Fläche miteinzubeziehen.

2.4. Aus Anlass des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte des Beschwerdevorbringens keine verfassungsrechtlichen Bedenken ob der anzuwendenden Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977 entstanden, die den Gerichtshof zur Stellung eines Normenprüfungsantrages vor dem Verfassungsgerichtshof veranlassen würden.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am