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VwGH vom 25.01.2000, 96/14/0080

VwGH vom 25.01.2000, 96/14/0080

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

96/14/0081 E

96/14/0082 E

96/14/0083 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der M M in L, vertreten durch Moringer & Moser, Rechtsanwälte OEG in Linz, Rudolfstraße 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 203/2-10/B-1996, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Abspruches über die Heranziehung zur Haftung hinsichtlich Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen 2/1993 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2/1993 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde als ehemalige Geschäftsführerin der MB GmbH mit Bescheid zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft herangezogen. Die Abgabenschuldigkeiten wurden wie folgt aufgegliedert:

"1992 L 5.246,--

1992 DB 3.894,--

1992 DZ 346,--

1993 SZ 105,--

2/1993 L 22.513,--

2/1993 DB 12.694,--

2/1993 DZ 1.128,--."

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Haftung nur treffe, wenn ihr bezüglich des Abgabenausfalles eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden könne und diese ursächlich für den eingetretenen Schaden wäre. Über das Vermögen der GmbH sei am das Konkursverfahren eröffnet worden. (Im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde wird als Datum der Konkurseröffnung der angeführt.) Die Zahlungen "mussten schon seit (mindestens) Ende Februar 1993 eingestellt werden". Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der im Haftungsbescheid vorgeschriebenen Abgaben sei eine Zahlung mangels ausreichender liquider Mittel "konkursrechtlich" nicht mehr möglich gewesen, weil deren Bezahlung eine Begünstigung eines Gläubigers (gegebenenfalls auch eine strafbare Handlung) dargestellt hätte. Im Übrigen hätte der Masseverwalter die Zahlung anfechten und das Finanzamt das Geld wieder zurückzahlen müssen. Tatsächlich seien zum Zeitpunkt der Fälligkeit der gegenständlichen Abgabenschulden mangels Vorhandenseins liquider Mittel keine Gläubiger mehr befriedigt worden. Nachdem somit keine Geldmittel zur Befriedigung von Gläubigern mehr zur Verfügung gestanden seien, könne der Beschwerdeführerin auch keine schuldhafte Verletzung von abgabenrechtlichen Vorschriften zur Last gelegt werden. In einer Berufungsergänzung nahm die Beschwerdeführerin auf § 78 Abs. 3 EStG 1988 Bezug und meinte, die danach bestehende Verpflichtung zur Einbehaltung der Abgaben beziehe sich jedoch nicht auf Beträge, die "gar nicht zur Auszahlung gelangten" bzw. erst anlässlich einer Lohnsteuerprüfung nach Zahlungsunfähigkeit durch Nachforderungen auf Grund von Fehlberechnungen entstanden seien. Die Abgaben, hinsichtlich derer der gegenständliche Haftungsbescheid ergangen sei, ergäben sich aus anlässlich von Lohnsteuerprüfungen aufgedeckten Fehlberechnungen und den entsprechenden Nachforderungen. Diese Nachforderungen seien daher erst auf Grund der diesbezüglichen Lohnsteuerprüfungen und "somit nach Zahlungsunfähigkeit bzw. Konkurseröffnung" angefallen. Hinsichtlich "jener Beträge, die für Februar 1993" geltend gemacht worden seien, seien diese "jedenfalls erst nach Zahlungsunfähigkeit bzw. Konkurseröffnung fällig geworden". In der Folge führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Mittel zur Abfuhr der am "10./" fälligen Steuern der (späteren) Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestanden seien und lediglich wegen der damit verbundenen Begünstigung und Anfechtbarkeit (§ 158 StGB, §§ 30, 31 KO) nicht überwiesen worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Selbstbemessungsabgaben unabhängig von einer abgabenbehördlichen Festsetzung zu den sich aus den Abgabenvorschriften vorgesehenen Terminen fällig würden. Wenn Selbstbemessungsabgaben ausnahmsweise bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bescheidmäßig festgesetzt würden, habe in diesen Fällen die Bescheidzustellung keinen Einfluss auf die Fälligkeit und begründe diese keinen neuen Fälligkeitstag. Die Lohnsteuer für Februar 1993 sei daher gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 (in der für 1993 geltenden Fassung) am , also vor Konkurseröffnung am fällig gewesen. Ebenso der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. Der Lohnsteuer komme gemeinsam mit der KESt ein Vorrang vor allen anderen Abgaben zu. Die Nichteinbehaltung und Nichtabführung der Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfalle, könne nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel nicht ausgereicht hätten. Falls die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nur die Zahlung von Vorschüssen oder Teilbeträgen zulasse, müsse bei jeder dieser Zahlungen die darauf entfallende Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden. Komme die Geschäftsführerin der in § 78 Abs. 1 EStG 1988 normierten Verpflichtung nicht nach bzw. führe sie die gesamte einzubehaltende Lohnsteuer nicht spätestens am 10. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt ab, so habe sie ihre Pflicht als Geschäftsführerin nicht erfüllt. Reichten die der Geschäftsführerin zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer aus, und zahle sie dennoch die Arbeitslöhne in voller Höhe aus, stelle das ein schuldhaftes Verletzen ihrer abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar. Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe die Geschäftsführerin im Fall fehlender Mittel die Verpflichtung, einen entprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätten Zahlungsschwierigkeiten, die die Gesellschaft nicht gehindert hätten, Lohn zu zahlen, sie auch nicht hindern dürfen, die darauf entfallende Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Habe eine Geschäftsführerin aber schuldhaft ihre Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft Sorge zu tragen, so dürfe die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgaben gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nichtentrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/15/0003).

In ihrer Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin zunächst, dass ein haftungsbegründendes Verschulden in einem Fall, in welchem erst nach dem Fälligkeitstag einer Selbstbemessungsabgabe anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung Fehlberechnungen hervorgekommen seien, nur vorliegen könne, wenn dem Vertreter ein Verschulden an der Fehlberechnung anzulasten sei. Diesbezügliche Tatsachenfeststellungen seien dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Von der Beschwerdeführerin wird nicht in Abrede gestellt, dass auch die durch Fehlberechnungen verursachte unrichtige Abfuhr von Selbstbemessungsabgaben eine Verletzung der dem Vertreter obliegenden Verpflichtungen gegenüber der Abgabenbehörde darstellt. Wie oben aufgezeigt, obliegt es diesem Vertreter, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenbehördlichen Verpflichtungen zu erfüllen. In diesem Sinn wäre es daher die Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, allfällig vorliegende Gründe dahingehend aufzuzeigen, dass ihr ein Verschulden an den Fehlberechnungen nicht anzulasten sei. Solche Gründe hat die Beschwerdeführerin aber nicht dargetan, weshalb es nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, dass die belangte Behörde diesbezüglich eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen hat. Diese Pflichtverletzung hat auch zur Entstehung des Säumniszuschlages geführt.

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid allerdings unter Hinweis auf § 78 EStG 1988 die Ansicht vertritt, dass das Fehlen liquider Mittel das Unterlassen der Abfuhr von Lohnsteuer nicht entschuldigen könne, weist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, dass diese Überlegung nur hinsichtlich der "tatsächlichen" Lohnsteuer, nicht aber auch hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds und der "entsprechenden" Zuschläge gelten könne, weil diesen Abgaben eine der Lohnsteuer vergleichbare Konstruktion nicht zu Grunde liegt. Die belangte Behörde hätte sich daher jedenfalls in Zusammenhang mit den entsprechenden, vom gegenständlich erlassenen Haftungsbescheid auch mitumfassten. Dienstgeberbeiträgen zum Familienausgleichsfonds und den entsprechenden Zuschlägen mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen, es seien zum Zeitpunkt der Fälligkeit der für Februar 1993 zu entrichtenden Abgaben (somit im März 1993) keine Gläubiger mehr befriedigt worden, woraus jedenfalls auf keine schlechtere Behandlung des Abgabengläubigers geschlossen werden könne, auseinander setzen müssen. Dass sie dies in Verkennung der Rechtslage nicht getan hat, belastet den angefochtenen Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

In Bezug auf die Heranziehung zur Haftung für Lohnsteuer ist zum Beschwerdevorbringen, die Abfuhr der Abgaben wäre deswegen nicht schuldhaft unterblieben, um nicht gegen § 30 KO oder § 158 StGB zu verstoßen, zu sagen, dass Steuerschuldner der Lohnsteuer gemäß § 83 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber ist. Ein allfälliger Verstoß gegen § 158 StGB bzw eine Anfechtbarkeit im Sinn des § 30 KO kommt diesbezüglich daher nicht in Betracht, weshalb in der dargestellten Rechtfertigung kein Nachweis einer nicht schuldhaften Verletzung abgabenbehördlicher Verpflichtungen zu erkennen ist. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/13/0056.)

Der angefochtene Bescheid war daher im angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am