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VwGH vom 28.01.2005, 2002/15/0154

VwGH vom 28.01.2005, 2002/15/0154

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde der S in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom , GZ RV/262-10/01, BS I, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug schuldig erkannt, sie habe als selbständige Rechtsanwältin fahrlässig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Abgabe unrichtiger Umsatz- und Einkommensteuererklärungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer 1994 von 52.828 S, Umsatzsteuer 1995 von 2.113 S, Einkommensteuer 1994 von 335.673 S und Einkommensteuer 1995 von 9.475 S bewirkt. Sie habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs 1 FinStrG begangen, weshalb eine Geldstrafe von 3.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen) verhängt werde.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, im erstinstanzlichen Straferkenntnis sei festgehalten, Frau Dr. S, die Mutter der Beschwerdeführerin, sei in deren Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt und mit der Führung des Rechenwerkes und der Verfassung der Abgabenerklärungen betraut gewesen. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung sei festgestellt worden, dass die Roheinnahmen unvollständig ermittelt worden seien. Der Beschwerdeführerin werde angelastet, die Tätigkeit ihrer Mutter ungeachtet der von ihr vorgenommenen Stichproben nur unzureichend kontrolliert zu haben. Zu einer eingehenderen Überwachung habe umso mehr Anlass bestanden, als Frau Dr. S nach den Ergebnissen zweier vorangegangener abgabenbehördlicher Prüfungen auch schon früher gleichartige Fehler unterlaufen seien.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung, in welcher die Prüfungsfeststellungen nicht bestritten würden, versucht, die aufgetretenen "Buchführungsmängel" auf vereinzelte Flüchtigkeitsfehler ihrer seit Jahrzehnten berufserfahrenen Mutter zurückzuführen, welche trotz stichprobenartiger Überprüfung übersehen worden seien. Dieser Sichtweise könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Die verfahrensgegenständlichen, zum Teil auch bei nur oberflächlicher Überprüfung nicht übersehbaren "Buchungsfehler", wie etwa die statt mit 417.839,27 S bloß mit 41.780,32 S ausgewiesenen Einnahmen des Monates Juni 1994, seien auf einen ersichtlich altersbedingten Leistungsabfall der am geborenen Frau Dr. S zurückzuführen, welcher der Beschwerdeführerin als deren Tochter und Arbeitgeberin nicht habe verborgen bleiben können. Die von der Beschwerdeführerin zu erwartende Sorgfalt hätte es erfordert, ihrer Mutter eine ausreichende Hilfestellung etwa durch die Beistellung einer Steuerberatungskanzlei zu bieten, wodurch zudem Gewähr für eine ausreichende Kontrolle geboten gewesen wäre. Mit bloßen Stichproben hätte sich die Beschwerdeführerin auch deshalb nicht begnügen dürfen, weil sich diese schon in der Vergangenheit nicht mehr als ausreichende Kontrollmittel erwiesen hätten, weshalb es nicht darauf ankommen könne, dass die Leistungsfähigkeit der Frau Dr. S durch deren von der Beschwerdeführerin zunächst nicht wahrgenommene Sehschwäche noch zusätzlich beeinträchtigt worden sei. Es sei daher von Fahrlässigkeitsschuld auszugehen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft nicht die objektive Tatseite der Abgabenverkürzung. Mit der Beschwerde wird ausschließlich der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens bekämpft.

Gemäß § 8 Abs 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.

Wer als Unternehmer tätig wird, hat die damit verbundenen abgabenrechtlichen Verpflichtungen (vgl. insbesondere die §§ 119 bis 142 BAO) zu beachten. Will der Abgabepflichtige diese Aufgaben nicht selbst wahrnehmen, kann er die Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten auch anderen Personen anvertrauen. Dies befreit ihn jedoch nicht von jedweder finanzstrafrechtlicher Verantwortung. Wie der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist der Abgabepflichtige angehalten, bei der Auswahl dieser Personen sorgsam vorzugehen und sie auch entsprechend zu beaufsichtigen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , 89/13/0051). Die Kenntnis, dass einer mit einer bestimmten Aufgabe betrauten Person in der Vergangenheit schon einmal Fehler unterlaufen sind, kann unter Umständen zu einer schuldhaften Verletzung der Überwachungspflicht führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/14/0142).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die steuerlichen und buchhalterischen Belange für ihre Rechtsanwaltskanzlei habe immer ihre Mutter betreut. Es sei zwar richtig, dass bei vorangegangenen abgabenbehördlichen Prüfungen bereits Mängel festgestellt worden seien, es sei aber niemals zu einer finanzstrafrechtlichen Verurteilung gekommen. Die Beschwerdeführerin habe sich auf die Zuverlässigkeit der Tätigkeit ihrer Mutter - sie übe diese Tätigkeit seit Jahrzehnten aus - verlassen und auch verlassen können, zumal die zuvor aufgetretenen Mängel geringfügiger Natur gewesen seien. Die bei der vorangegangenen abgabenbehördlichen Prüfung aufgetretenen Mängel habe die Beschwerdeführerin ihrer Mutter mitgeteilt, die sodann für die Zukunft mehrfache Überprüfung und Durchrechnung zugesagt habe. Die Beschwerdeführein habe nicht die gesamten Arbeiten überprüft und nachvollzogen, sondern lediglich stichprobenartige Überprüfungen vorgenommen. Die Tatsache, dass dabei Additionsfehler der Mutter übersehen worden seien, spreche nicht gegen die Durchführung der stichprobenartigen Überprüfungen. Soweit im angefochtenen Bescheid angeführt wird, dass ein Betrag von 417.839,27 S irrtümlich mit bloß 41.780 S in die Additionsliste eingetragen worden sei, führe die Beschwerdeführerin diesen Umstand nicht auf einen altersbedingten Leistungsabfall der Mutter zurück, sondern auf ein plötzlich bei ihr aufgetretenes Augenleiden, welches der Beschwerdeführerin seinerzeit nicht bekannt gewesen sei. Die Höhe des Betrages von ca 417.000 S schließe nicht von vornherein die Möglichkeit eines Irrtums infolge Verschiebung der Dezimalstelle aus.

Im gegenständlichen Fall sind die Abgabenverkürzungen auf Übertragungs- und Rechenfehler zurückzuführen. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend den Zeitraum 1983 bis 1986 ist festgestellt worden, dass infolge von Rechenfehlern die Bruttoerlöse um insgesamt ca 600.000 S zu gering angesetzt worden sind. Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend den Zeitraum 1989 bis 1991 ist festgestellt worden, dass infolge von Übertragungsfehlern die Nettoerlöse um insgesamt ca 40.000 S zu gering angesetzt worden sind. Im Hinblick darauf kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangt ist, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum ihre Sorgfaltspflicht, die Arbeiten ihrer Mutter im Rechenwerk der Rechtsanwaltskanzlei einer weitergehenden Kontrolle zu unterziehen, verletzt hat, zumal die Beschwerde der Feststellung des angefochtenen Bescheides, ein Teil der Buchungsfehler hätten bei bloß oberflächlicher Überprüfung entdeckt werden müssen, nicht konkret entgegentritt. Im Hinblick darauf, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Erlösverkürzungen einen zweijährigen Zeitraum betreffen, und der Betrag von 417.839,27 S das erste Jahr dieses Zeitraumes betrifft, kann der belangten Behörde auch nicht entgegen getreten werden, wenn sie aus dem Umstand einer plötzlich aufgetretenen, der Beschwerdeführerin nicht erkennbaren Sehschwäche ihrer Mutter nicht geschlossen hat, die Beschwerdeführerin habe nicht jene Sorgfalt außer acht gelassen, die ihr bei Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten zumutbar gewesen ist.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde das Verhalten der Beschwerdeführerin als fahrlässige Abgabenverkürzung beurteilt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am