VwGH vom 05.07.2004, 2002/14/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des H K in O, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3/III, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , I-Rm-1005/2002, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der T-GmbH. Das über deren Vermögen am eröffnete Konkursverfahren wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom , 19 S 152/00 a, aufgehoben (Konkursquote 0,72%).
Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der T-GmbH gemäß §§ 7 und 60 TLAO zur Haftung für deren Abgabenschulden (auf den Zeitraum 1997 bis 2000 entfallende Kommunalsteuer samt Säumniszuschlag) im Ausmaß von EUR 5.722,36 herangezogen. Es sei unterlassen worden, die rechtskräftig vorgeschriebene Kommunalsteuer samt Säumniszuschlag zu entrichten. In der Unterlassung der (termingerechten) Entrichtung der Abgaben liege eine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers, die zur Haftung nach den zitierten Gesetzesbestimmungen führe.
In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, es habe auch ein seine Person betreffendes Konkursverfahren gegeben. Dieses sei vor dem Bezirksgericht Innsbruck durchgeführt worden. Am habe er mit seinen Gläubigern einen Zahlungsplan abgeschlossen (Quote von 13%). Die Abgabengläubigerin habe die Forderung, welche nunmehr Gegenstand des Haftungsbescheides sei, bei der Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet. Gemäß § 197 KO bestehe ein Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als dies der Konkurs- und Vermögenslage des Schuldners entspreche. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Erwerbssituation nur mit Mühe in der Lage, den abgeschlossenen Zahlungsplan zu erfüllen. Zahlungen für die im Haftungsbescheid erfassten Abgabenforderungen kämen daher nicht in Betracht. § 197 KO gehe als lex specialis den Bestimmungen der TLAO vor. Die Abgaben bezögen sich auf Zeiträume vor Abschluss des Zahlungsplanes im Schuldenregulierungsverfahren. Es sei denkunmöglich, dass vor Prüfung durch das Gericht eine Forderung der Abgabengläubigerin gegen den Beschwerdeführer bestehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 7 TLAO hafte der Vertreter insoweit für Abgabenschulden des Vertretenen, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Gemäß § 60 Abs 1 TLAO müssten die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten erfüllen, die den Vertretenen oblägen. Die Vertreter hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet würden.
Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin sei unstrittig. Unstrittig sei auch, dass der Beschwerdeführer im betroffenen Zeitraum Vertreter der Primärschuldnerin gewesen sei. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers sei unbestritten.
Der Beschwerdeführer verweise ausschließlich auf das seine Person betreffende Konkursverfahren und auf die Bestimmung des § 197 KO. Dem werde entgegen gehalten, dass das in Rede stehende Insolvenzverfahren für die Frage der Inanspruchnahme der Haftung nicht maßgeblich sei. Das gegenständliche Verfahren betreffe ausschließlich die Frage der Geltendmachung der Haftung. Wenn die Steuergläubigerin nach Abschluss dieses Verfahrens die Forderung als nicht angemeldete Forderung ("Nachzügler") beim Konkursgericht anmelde, werde dieses darüber entscheiden, in welchem Ausmaß der Anspruch zu erfüllen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 7 Abs 1 TLAO haften die in den §§ 60 ff dieses Gesetzes bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Das zweite Hauptstück des dritten Teiles der KO ("Sonderbestimmungen für natürliche Personen") regelt den Zahlungsplan. § 193 Abs 1 KO lautet:
"Der Schuldner kann im Lauf des Konkursverfahrens den Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans stellen. Soweit nichts anderes angeordnet ist, gelten hiefür die Bestimmungen über den Zwangsausgleich."
Gemäß § 196 Abs 2 KO ist der Konkurs nach Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplans aufzuheben.
§ 197 KO lautet:
"(1) Konkursgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, haben Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht.
§ 156 Abs. 6 bleibt unberührt.
(2) Ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, hat das Konkursgericht auf Antrag vorläufig zu entscheiden (§ 66 AO).
(3) Zu Gunsten eines Konkursgläubigers, der seine Forderung nicht angemeldet hat, kann die Exekution nur so weit stattfinden, als ein Beschluss nach Abs. 2 ergangen ist. Der Gläubiger hat dem Exekutionsantrag auch eine Ausfertigung des Beschlusses nach Abs. 2 samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit anzuschließen oder darzulegen, dass er die Forderung angemeldet hat. Eine entgegen dem ersten Satz bewilligte Exekution ist von Amts wegen oder auf Antrag ohne Vernehmung der Parteien einzustellen."
Zu den Rechtswirkungen des Zwangsausgleiches normiert § 156 KO
"(1) Durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich wird der Gemeinschuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.
...
(6) Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Gemeinschuldners im Ausgleiche unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Konkurses die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrage vom Gemeinschuldner verlangen.
..."
Der Beschwerdeführer bringt vor, nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der G-GmbH sei er zahlungsunfähig geworden und habe beim Bezirksgericht Innsbruck Privatkonkurs beantragt. Dieses Verfahren sei durch "Abschluss" des Zahlungsplanes am beendet worden. Im Zahlungsplan habe sich der Beschwerdeführer verpflichtet, seinen Gläubigern eine Quote von 13% zu zahlen. Da der Abgabengläubiger seine Forderung in dem den Beschwerdeführer betreffenden Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet habe, könne er sie nur nach Maßgabe des § 197 Abs 1 KO durchsetzen. Im Hinblick auf die §§ 156 und 197 KO erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Zudem normiere § 197 KO eine Zuständigkeit des Konkursgerichtes hinsichtlich der Frage der zu zahlenden Quote, weshalb die Abgabenbehörde zur Festsetzung der Quote nicht zuständig sei.
In den Konkurs - und damit auch in den im Laufe eines Konkursverfahrens abgeschlossenen Zwangsausgleich - fallen grundsätzlich nur solche vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Gemeinschuldner, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung schon bestanden haben. Die Gruppe der Konkursgläubiger ist mit dem Tag der Verfahrenseröffnung abgeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/15/0173). Dies gilt entsprechend für den Falle des Abschlusses eines Zahlungsplanes iSd § 193 KO.
Zunächst sei darauf verwiesen, dass es - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nach herrschender Auffassung nicht in die Zuständigkeit des Konkursgerichts fällt, über die Quote abzusprechen, mit der eine nicht angemeldete Konkursforderung bei Erfüllung eines bestätigten Zahlungsplanes zu berücksichtigen ist (vgl Kodek, ZIK 2001/7).
Im Beschwerdefall ist allerdings zu beachten, dass der Haftungsbescheid dem Haftenden gegenüber insoweit konstitutive Wirkung hat, als Letzterer erst hiedurch zum Gesamtschuldner wird (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 95/15/0173). Die mit Bescheid des Magistrates vom geltend gemachte Haftung (Forderung) stellt daher im Hinblick auf das den Beschwerdeführer betreffende Konkursverfahren keine Konkursforderung dar.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer vor Ablauf des Jahres 2000 beim Bezirksgericht den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen gestellt. Der Zahlungsplan ist am bestätigt worden. Der Konkurs der T-GmbH ist erst am nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben worden. Wenn der Beschwerdeführer mit Bescheid vom zur Haftung herangezogen worden ist, ohne dass dabei die Rechtswirkungen des Zahlungsplanes berücksichtigt wurden, so entspricht dies dem Gesetz.
Die Haftung nach § 7 TLAO ist wie jene nach § 9 BAO eine Ausfallshaftung; sie setzt die Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner voraus. Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat. Aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses kann nicht zwingend auf die gänzliche Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Primärschuldner geschlossen werden.
Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/17/0122). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens.
Der angefochtene Bescheid enthält ausgehend von der unrichtigen Rechtsmeinung, das Konkursgericht habe darüber zu entscheiden, mit welcher Quote die Forderung zu erfüllen sei, keine Begründung für die Ermessensübung der Heranziehung des Beschwerdeführers im vollem Umfang der uneinbringlichen Abgaben. Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis 95/15/0173 (zum Fall eines Zwangsausgleiches des Vertreters einer Körperschaft) zum Ausdruck gebracht hat, gebietet eine Konstellation, wie sie im vorliegenden Fall gegeben ist, eine Begründung der Ermessensentscheidung betreffend das Ausmaß, in welchem die Haftung geltend gemacht wird: Kommt hinsichtlich des Haftenden ein Zwangsausgleich bzw ein Zahlungsplan zustande und wurden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches (Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Abgabenschuldner und eine schuldhafte, für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzung des Vertreters) vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es grundsätzlich der nach § 18 TLAO im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, dass sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der im Zahlungsplan festgelegten Quote (Ausgleichsquote) orientiert, wenn es auch der Behörde unbenommen ist, im Rahmen der Ermessensübung ergänzend noch auf andere Umstände Bedacht zu nehmen. Dies folgt daraus, dass im Falle früherer Geltendmachung der Haftung durch die Abgabenbehörde die Haftungsforderung von der Wirkung des Zahlungsplanes erfasst worden wäre.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl II 333/2003.
Wien, am