VwGH vom 16.11.2006, 2002/14/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Dr. Wolfgang W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. RV753/1-T7/01, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde im Instanzenzug fest, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO hinsichtlich der im Kalenderjahr 1994 durch die "ÖS GmbH und Mitgesellschafter" erzielten Einnahmen zu unterbleiben hat.
Begründet wurde dieser negative Feststellungsbescheid im Sinne des § 190 Abs. 1 BO damit, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt würden, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt seien. Eine tatbestandsmäßige Beteiligung an den Einkünften werde nur dann angenommen, wenn sie in einer sogenannten Mitunternehmerschaft bestehe. Gemäß § 23 Z. 2 EStG 1988 seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb u.a. Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen seien (wie insbesondere offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften). Hinsichtlich der Beteiligung im Rahmen einer stillen Gesellschaft (§§ 178 ff HGB) vertrete der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur die Auffassung, dass sogenannte atypische stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen seien. Ob eine atypische stille Gesellschaft vorliege, sei im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen für den Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zu beurteilen. Von einer atypischen stillen Beteiligung spreche man u.a. dann, wenn der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert teilnehme. Im Beschwerdefall sei zwischen der ÖS GmbH und dem Beschwerdeführer im November 1987 ein "Vertrag über eine stille Gesellschaft" abgeschlossen und dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht worden. Nach dieser Vereinbarung sei der Beschwerdeführer als stiller Gesellschafter am Gewinn und Verlust der Gesellschaft zu einem Drittel beteiligt, am Verlust jedoch nur bis zum Betrage seiner Hafteinlage. Punkt V. des Vertrages bestimme, dass im Falle der Auflösung des Vertragsverhältnisses der Geschäftsinhaber die Liquidation der noch schwebenden Geschäfte zu besorgen und eine Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern binnen drei Monaten zu erfolgen habe, wobei eine sich ergebende Forderung binnen drei Monaten zu entrichten sei. Diese vertraglichen Bestimmungen entsprächen genau den gesetzlich vorgesehenen Regelungen im Falle der Auflösung einer (typischen) stillen Gesellschaft (§ 186 Abs. 1 und 2 HGB).
Dass der stille Gesellschafter bei Auflösung des Vertragsverhältnisses auch an den stillen Reserven des Betriebsvermögens und am Firmenwert teilhabe, sei in diesem Vertrag nicht vereinbart worden. Die in einem Schreiben vom an die Behörde enthaltene Aussage des Steuerberaters, es habe zwischen den Vertragsparteien als "wohl verstanden gegolten", dass der Beschwerdeführer sowohl am Gewinn und Verlust als auch am Vermögen beteiligt sei, könne durch nichts belegt werden. Auch der im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung befragte Geschäftsführer habe zu der Beteiligung des stillen Gesellschafters auch am Vermögen der Gesellschaft nichts sagen können und auf eine mögliche schriftliche Ergänzung des Gesellschaftsvertrages verwiesen. Ein solcher Nachtrag sei jedoch nach Auskunft des steuerlichen Vertreters nicht zu Stande gekommen. Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer gegenüber dem Inhaber des Handelsgewerbes ein Unternehmerrisiko nicht übernommen, da im Falle der Auflösung des Vertragsverhältnisses für ihn eben keine Vermögensbeteiligung an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwertes vorgesehen gewesen sei. Die sich nach Punkt V. des Vertrages "etwa ergebende Forderung" des stillen Gesellschafters habe demnach nur auf einen allfälligen Gewinn aus der Liquidation der schwebenden Geschäfte gerichtet sein können.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die bei der Abgabenbehörde eingereichten Steuererklärungen über Einkünfte von Personengesellschaften (Gemeinschaften) für sich allein keinen Beweis für ein behauptetes Gesellschaftsverhältnis bildeten. Für die steuerliche Anerkennung einer unechten stillen Gesellschaft genüge es auch nicht, wenn in den Jahresabschlüssen des Geschäftsherrn auf das Vorliegen einer "steuerlichen Mitunternehmerschaft" hingewiesen werde und der stille Gesellschafter im Konkurs des Geschäftsherrn keine Forderungen geltend mache. In der Berufung sei darauf hingewiesen worden, dass sich der gegenständliche Gesellschaftsvertrag "vom ersten Tag an bei den Akten" befunden habe. Nach Auffassung der Parteien des Gesellschaftsvertrages sei eine steuerliche Mitunternehmerschaft gegeben und sei auch eine entsprechende Bilanzierung in der Position Eigenkapital vorgenommen worden. Diese Jahresabschlüsse mit den entsprechenden Steuererklärungen seien auch vom damaligen Geschäftsführer unterfertigt und damit als zutreffend erklärt worden. Nachdem der Parteiwille klar und unmissverständlich dokumentiert und auch von der Finanzverwaltung in diesem Sinn beurteilt worden sei, habe keine Veranlassung bestanden, den Vertrag abzuändern oder zu ergänzen. Die Frage der Mitunternehmerstellung sei im Zuge der "ersten Betriebsprüfung" Gegenstand der Diskussion gewesen. Mit dem Hinweis auf die Unterlassung einer Forderungsanmeldung durch den Beschwerdeführer im Konkursverfahren der GmbH sei neuerlich in konsequenter Weise zum Ausdruck gebracht worden, dass eine Mitunternehmerstellung gegeben gewesen sei. Man könne zweifellos davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer die rechtlich bessere Position eines echten stillen Gesellschafters geläufig gewesen sei. Die Klarstellung des Rechtsverhältnisses sei zwischenzeitig durch die aufgezeigten tatsächlichen Vorgänge und Ereignisse sowie die aus § 115 BAO abgeleiteten Behördenerledigungen herbeigeführt worden. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei im öffentlichen Recht und damit auch im Steuerrecht zu beachten. Wenn somit eine Erledigung in Bescheidform ergangen sei und der Adressat vom Bescheidwillen der Behörde hätte ausgehen dürfen, müsse dieser in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit des Bescheides geschützt sein. Diese in der Berufung geltend gemachten Argumente könnten aber das Vorliegen einer ausdrücklichen Vereinbarung darüber, dass und in welchem Umfang der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und dem Firmenwert des Betriebes teilhabe, nicht ersetzen. Der Grundsatz von Treu und Glauben schütze nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichten auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenbehördlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde sei verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
In der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass im abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag über die Beteiligung des Beschwerdeführers als stiller Gesellschafter an der ÖS GmbH eine Vereinbarung darüber, dass und in welchem Umfang der Beschwerdeführer an den stillen Reserven und dem Firmenwert des Betriebes beteiligt sei, nicht erfolgt ist. Unbestritten ist auch, dass ein entsprechender Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag unterblieben ist.
Der Beschwerdeführer meint aber, "als Ergebnis der amtlichen Ermittlungsverpflichtung und der Mitwirkungsverpflichtung der Partei ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörde erster Instanz unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise den vorliegenden Sachverhalt als Mitunternehmerschaft beurteilt hat". Durch die "in der Folge erlassenen Feststellungsbescheide" sei einer rein redaktionellen Änderung des Gesellschaftsvertrages keinerlei Bedeutung beigemessen worden, weshalb eine solche unterblieben sei. Eine entsprechende "Vertragsänderung" wäre zweifellos durchgeführt worden, wenn der auf Mitunternehmerschaft gerichtete einvernehmliche Parteiwille "damals" von der Behörde nicht ausdrücklich anerkannt worden wäre. Ein "nunmehriges Abgehen von dieser rechtskräftig festgestellten rechtlichen Einschätzung" sei jedoch denkunmöglich, weil dies ein klassisches "venire contra factum proprium" darstelle und darüber hinaus einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben beinhalten würde.
Der Beschwerdeführer spricht damit den Umstand an, dass für die Jahre 1987 bis 1990 eine Feststellung der Einkünfte jeweils erklärungsgemäß erfolgt und in den vorangegangenen Verfahren bis zur Erlassung des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden erstinstanzlichen Bescheides von einer Mitunternehmerschaft ausgegangen worden war.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Der Grundsatz von Treu und Glauben zeitigt nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom , 2004/14/0076, mwN). Selbst der Umstand, dass eine abgabenbehördliche Prüfung eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2000/13/0179).
Vor diesem Hintergrund zeigt der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf die Beurteilung des Sachverhaltes durch die Finanzbehörde in früheren Jahren keine Rechtswidrigkeit auf, zumal der Behörde im Beschwerdefall auch kein Vollzugsspielraum eingeräumt war.
Es trifft aber auch zu, dass weder die Annahme des Beschwerdeführers, wonach die im Jahr 1996 gemachte Aussage des Geschäftsführers der ÖS GmbH, dass er aus der Erinnerung nicht wisse, ob eine Ergänzung des Gesellschaftsvertrages durchgeführt worden sei, noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Auftragsbeschaffung mit notwendigen Entscheidungen befasst gewesen sei und an den "durch den turbulenten Geschäftsverlauf" notwendigen Finanzierungs- und Sanierungsmaßnahmen leitend und entscheidend teilgenommen habe, eine tatsächliche Vereinbarung über den Umstand und das Ausmaß einer Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert des Betriebes ersetzen kann. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Forderungen im Konkurs der ÖS GmbH nicht angemeldet hat.
Auch mit dem Hinweis, es sei wohl unverständlich, dass ein letztendlicher Verlust von ca. 5,5 Mio Schilling keine Risikotragung bedeuten solle, zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, weil sich das Risiko auf den Verlust des hingegebenen Kapitals nicht vom Risiko eines echten stillen Beteiligten - von einem solchen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgegangen - unterscheidet.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am