VwGH vom 16.02.1994, 90/13/0251
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. F in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , GZ. 6/1-1284/89-09, betreffend Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer 1983 und 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in den Jahren 1983 bis 1985 für die F-GmbH, die ein Taxiunternehmen betrieb, tätig. Er hat die ihm daraus zugeflossenen Einkünfte nicht versteuert und die in seinen "Honorarnoten" ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht an das Finanzamt abgeführt.
Aufgrund abgabenbehördlicher Erhebungen wurden die Einnahmen des Beschwerdeführers für das Jahr 1983 mit S 199.403,-- (zuzüglich 18 % Umsatzsteuer) und für das Jahr 1985 mit S 69.640,-- (zuzüglich 20 % Umsatzsteuer) ermittelt und als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer herangezogen. Für das Jahr 1984 wurden keine Einnahmen festgestellt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen die Abgabenbescheide für die Jahre 1983 und 1985. Seine Einkünfte von der F-GmbH seien solche aus nichtselbständiger Arbeit. Er habe weisungsgebunden technische Arbeiten gegen Stundenlohn mit Werkzeugen, Meßgeräten und Material der Firma ausgeführt. Für die unterbliebene Lohnsteuerabfuhr könne er nicht verantwortlich gemacht werden.
Die Abgabenbehörde ersuchte daraufhin die F-GmbH den mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Vertrag vorzulegen und - soweit daraus nicht ersichtlich - mitzuteilen,
ob der Beschwerdeführer an Weisungen der Firma gebunden war,
inwieweit er ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte, welche Vereinbarungen betreffend Dienstort und -zeit sowie
Urlaubseinteilung bestanden,
wie die Vertretung des Beschwerdeführers geregelt war, ob vom Beschwerdeführer Rechnungen im Sinne des § 11
UStG 1972 ausgestellt wurden und
ob die Entlohnung des Beschwerdeführers die Umsatzsteuer mitumfaßte.
Die F-GmbH beantwortete dieses Auskunftsersuchen mit Schreiben vom wie folgt:
"In Beantwortung Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen mit, daß Herr S (der Beschwerdeführer) keinen Vertrag mit uns hatte. Weiters hatte Herr S die technische Betreuung unserer Funkanlagen über und stellte Rechnungen im Sinne des § 11 UStG aus, weiters wurde Umsatzssteuer an Herrn S bezahlt."
Über wiederholte Anfrage des Finanzamtes übermittelte die F-GmbH schließlich drei vom Beschwerdeführer im Jahr 1985 mit Umsatzsteuerausweis gelegte Honorarnoten (Abrechnungszeiträume - , - , - ) sowie Kontoblätter, aus denen hervorging, daß die entsprechenden Beträge auf dem Konto "Aufwand für Nichtdienstnehmer" verbucht worden waren.
Das Finanzamt wies das Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung ab. Der Beschwerdeführer habe Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis gelegt, was den Schluß zulasse, daß er ein Unternehmerrisiko getragen habe. Weiters ergebe sich aus den drei Honorarnoten des Jahres 1985, daß der Beschwerdeführer an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden war, weil die darin verrechnete Anzahl von 169, 144 und 23 Stunden in keine regelmäßige Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit eingeordnet werden könnte. Da der Beschwerdeführer Umsatzsteuer ausgewiesen habe, müsse er sich auch des unternehmerischen Charakters seiner Tätigkeit bewußt gewesen sein.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, die angesprochenen Honorarnoten seien vom Auftraggeber verlangt worden. Wäre er diesem Wunsch nicht nachgekommen, hätte er als Arbeitsloser ohne Arbeitslosenunterstützung diesen Posten nicht bekommen. Eine fixe Arbeitszeit sei im Hinblick auf die 24-stündige Betriebsdauer der von ihm zu betreuenden Funkanlage nicht möglich gewesen. Daß er kein Gewerbe ausgeübt habe, zeige allein schon sein Stundenlohn in Höhe des Kollektivvertrages.
Auch die belangte Behörde wies die Berufung ab. Sie stützte sich bei ihrer Entscheidung auf die Zeugenaussage des als Prokurist bei der F-GmbH beschäftigten P vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz. Dieser habe glaubwürdig angegeben, daß der Beschwerdeführer für das Funktionieren der Funkanlage zuständig und an keine fixe Dienstzeit gebunden gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe daher nicht seine Arbeitszeit, sondern einen bestimmten Arbeitserfolg, nämlich das Funktionieren der Funkanlage geschuldet. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers spreche weiters seine Entlohnung auf Basis eines Stundenhonorares sowie das Fehlen eines monatlichen Fixums. Zudem habe der Beschwerdeführer keine Lohnsteuerkarte vorgelegt. Ein weiteres Indiz für die selbständige Tätigkeit sei die Form der Abrechnung durch Honorarnoten mit Umsatzsteuerausweis. Schließlich habe auch keine über den geschuldeten Erfolg (Funktionieren der Telefonanlage) hinausgehende Weisungsgebundenheit bestanden. Die für die Unselbständigkeit des Beschwerdeführers sprechenden Umstände (fehlende Gewerbeberechtigung, monatliche Abrechnung) fielen demgegenüber nicht ins Gewicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie im Verwaltungsverfahren bekämpft der Beschwerdeführer auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Feststellung der belangten Behörde, er sei als selbständiger Unternehmer und nicht als Angestellter der F-GmbH tätig geworden.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind bei Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, die die Entschlußfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , 84/14/0063).
Es ist daher das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen. Erst wenn die Behörde ein genaues Bild über die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der beschäftigten Person, die Pflichten, die ihr obliegen, die Risken, die sie zu tragen hat, und ihre allfällige Weisungsgebundenheit besitzt, kann ein entsprechend fundiertes Urteil über die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Tätigkeit abgegeben werden (vgl. das hg. Erkennntis vom , 85/13/0194 und die dort angeführte Vojudikatur). Die belangte Behörde hat sich mit diesen Fragen nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt.
Das Unternehmerwagnis erblickt die belangte Behörde im Fehlen eines monatlichen Fixums. Der Beschwerdeführer habe der F-GmbH nicht seine Arbeitszeit, sondern einen bestimmten Arbeitserfolg, nämlich das Funktionieren der Funkanlage geschuldet. Bei dieser Argumentation übersieht die belangte Behörde, daß auch Arbeitnehmer regelmäßig eine Leistung zu erbringen haben, die über ihre bloße Anwesenheit hinausgeht. So wird jede Wartungs- bzw. Reparaturarbeit mit dem Ziel unternommen, die Funktionsfähigkeit des technischen Gerätes zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dies gilt für den unselbständig tätigen Handwerker in gleicher Weise wie für den selbständigen Unternehmer. Der Unterschied zwischen beiden liegt im allgemeinen lediglich darin, daß ein Arbeitnehmer bereits für sein Bemühen zu entlohnen ist, während ein Unternehmer erst im Erfolgsfall Anspruch auf (volle) Honorierung seiner Tätigkeit hat. Es spricht daher nicht schon die Erfolgsorientierung einer Tätigkeit für das Vorliegen eines Werkvertrages, sondern allenfalls die vom Erfolgseintritt abhängige Entlohnung. Feststellungen darüber, daß das Stundenhonorar des Beschwerdeführer bei mangelhafter Leistung gekürzt worden wäre, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Davon abgesehen sind leistungsbezogene Entlohnungsmodelle durchaus auch bei Dienstverhältnissen üblich. Ein Unternehmerwagnis geht über die Möglichkeit, die Höhe der Einnahmen durch entsprechende Arbeitserfolge mitbestimmen zu können, insoweit hinaus, als der Unternehmer grundsätzlich die Kosten, die mit der Leistungserbringung wirtschaftlich verbunden sind, aus eigenem zu tragen hat. Diesbezügliche Feststellungen enthält der angefochtene Bescheid gleichfalls nicht. Insbesondere hat die belangte Behörde nicht erhoben, von wem die durch die Außendiensttätigkeit des Beschwerdeführers verursachten Kosten bestritten wurden. Des weiteren läßt der angefochtene Bescheid eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, alle Werkzeuge und Materialien seien vom Auftraggeber bereitgestellt worden, vermissen. Das Ermittlungsverfahren ist demnach schon unter dem Aspekt des Vorliegens eines Unternehmerwagnisses mangelhaft geblieben.
Die belangte Behörde hat aber auch nicht schlüssig begründet, warum sie zur Feststellung gelangt ist, der Beschwerdeführer sei an keine Weisungen der F-GmbH gebunden gewesen. So spricht der Umstand, daß dem Beschwerdeführer mittels Rückrufgerätes konkrete Aufträge erteilt wurden, für eine Eingliederung in das Unternehmen des Auftraggebers. Überdies bedingt das (unbestrittene) Fehlen einer fixen Dienstzeit keineswegs die Möglichkeit zur selbständigen Arbeitseinteilung. Das "Bereitstehen auf Abruf" bedeutet vielmehr eine besondere persönliche Abhängigkeit, die für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern (z.B. Leiharbeitskräfte) eher typisch ist als für selbständige Unternehmer.
Als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit wertete die belangte Behörde schließlich die Form der Abrechnung. Der Beschwerdeführer habe "Honorarnoten" mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gelegt. Die Beschwerde hält dem entgegen, Rechnungen nur aufgrund des wirtschaftlichen Druckes des Auftraggebers ausgestellt zu haben. Nun ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß derjenige, der Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes legt, den Anschein erweckt, selbständiger Unternehmer zu sein. Ob der Umsatzsteuerausweis zu Recht erfolgt ist, bestimmt sich indes nach den oben aufgezeigten Kriterien. Dabei wird im Beschwerdefall auch auf die wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen sein. Die Besteuerung muß nämlich - unabhängig von der Disposition der Vertragsparteien (eines Vertragspartners) - dem tatsächlichen Geschehen entsprechen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt dem Umstand, daß der Beschwerdeführer keine Lohnsteuerkarte vorgelegt hat, ebenfalls kein entscheidendes Gewicht zu.
Die Beschwerde ist weiters im Recht, wenn sie rügt, die belangte Behörde habe die Aussage des Zeugen P, wonach der Beschwerdeführer nicht befugt gewesen sei, seine eigene Vertretung zu veranlassen, nicht in ihre Erwägungen miteinbezogen.
Die belangte Behörde hat daher weder schlüssig begründet, warum im Beschwerdefall die Merkmale der Selbständigkeit überwiegen, noch ausreichende Feststellungen getroffen, die eine abschließende Beurteilung der gegenständlichen Tätigkeit ermöglichen würden.
Hingegen vermißt der Beschwerdeführer zu Unrecht Feststellungen über die Angemessenheit seiner Entlohnung. Daß durch die Vorschreibung der strittigen Abgaben der "kollektivvertragliche Lohn eines Angestellten" unterschritten wird, ist für die steuerliche Beurteilung der Einkünfte nämlich nicht von Belang.
Desgleichen sind Feststellungen zur Gewinnerzielungsabsicht des Beschwerdeführers entbehrlich. Ein entsprechendes Streben ergibt sich schon aus der Höhe der erzielten Einkünfte.
Was die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anlangt, ist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine solche Beteiligung im Sinne des § 28 BAO auch dann voliegt, wenn die Betätigung nur einem einzigen Auftraggeber gegenüber erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0035).
Somit bleibt noch zu prüfen, ob die Umsatzsteuer - unabhängig von der Unternehmereigenschaft des Beschwerdeführers - gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 festgesetzt werden durfte.
§ 11 Abs. 14 UStG 1972 lautet:
"Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."
Der angeführte Steuertatbestand setzt allein die Erfüllung des objektiven Tatbildes voraus. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt daher der Frage, warum Rechnungen ausgestellt worden sind, keine Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0061). Dennoch ist die Beschwerde auch hinsichtlich der Festsetzung von Umsatzsteuer im Ergebnis berechtigt.
Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten stützt die belangte Behörde ihre Feststellung, der Beschwerdeführer habe Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, auf drei im Jahr 1985 gelegte Honorarnoten. Dieses Ermittlungsergebnis mag zwar ein INDIZ für die Unternehmereigenschaft sein; das Vorliegen einer Steuerschuld gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 wird damit jedoch nicht in dem bescheidmäßig festgesetzten Ausmaß dargetan. Zu Zweifel an einem DURCHGEHENDEN Umsatzsteuerausweis gibt insbesondere die Anfragebeantwortung der F-GmbH vom Anlaß. In diesem Schreiben werden die Ausgaben für den Beschwerdeführer wie folgt aufgegliedert:
Honorarnote vom S 17.130,--
Honorarnote vom S 18.310,--
Honorarnote vom S 15.080,--
Zahlung vom S 19.120,--
S 69.640,--
+ 20 % Mehrwertsteuer S 13.928,--
S 83.568,--
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Demgegenüber wurde in den vorgelegten Honorarnoten
Umsatzsteuer nur in Höhe von insgesamt S 10.104,-- in Rechnung
gestellt. Für das Jahr 1983 liegen überhaupt keine Honorarnoten
mit Umsatzsteuerausweis vor; dessenungeachtet wurde von der
belangten Behörde Umsatzsteuer in Höhe von S 35.893,--
festgesetzt.
Da die belangte Behörde primär von der Unternehmereigenschaft des Beschwerdeführers ausgegangen ist, hat sie nicht geprüft, ob über die GESAMTEN Leistungsentgelte der Jahre 1983 und 1985 Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ausgestellt wurden. Bei Vermeidung des darin gelegenen Verfahrensmangels hätte die belangte Behörde auch in ihrem Abspruch über die Festsetzung von Umsatzsteuer zu einem anders lautenden Bescheid gelangen können.
Aus den aufgezeigten Gründen war der Bescheid im angefochtenen Umfang wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.