VwGH vom 22.03.2006, 2002/13/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über die Beschwerde des Dipl. Ing. PB in W, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt und Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. RV/622-15/09/1999, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Gesamtrechtsnachfolger der am verstorbenen Emilie B., die ein Textilhandelsunternehmen führte.
Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe Emilie B. im Streitjahr 1995 neben Pensionsbezügen und negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch einen Verlust aus dem Textilhandelsunternehmen in der Höhe von 401.090 S erwirtschaftet. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung sei der Emilie B. vorgehalten worden, im Zeitraum 1988 bis 1995 einen Totalverlust aus Gewerbebetrieb von über 2,6 Mio. S erzielt zu haben. Es seien daher "die zukünftig unternehmerischen, zu einem Totalüberschuss führenden Maßnahmen bekannt zu geben, widrigenfalls vom Vorliegen eines Liebhabereibetriebes auszugehen sei".
In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995, in dem der erklärte Verlust aus Gewerbebetrieb nicht mehr berücksichtigt worden sei, habe Emilie B. auf die in der gesamten Textilbranche rückläufige Umsatzsituation hingewiesen. Ungeachtet dessen habe Emilie B. diesem Trend insoweit entgegenzuwirken versucht, als Hand in Hand mit den Umsatzrückgängen von rd. 7,3 Mio. S im Jahr 1992 auf rd. 5,3 Mio. S im Jahr 1995 auch der Personalaufwand von rd. 1,8 Mio. S im Jahr 1992 auf rd. 850.000 S im Jahr 1995 reduziert worden sei. Diese Handlungsweise rechtfertige jedenfalls die Anerkennung des geltend gemachten Verlustes, wobei ergänzend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0259, hingewiesen werde.
In Streit stehe - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, ob der Betrieb der Emilie B. eine ertragsteuerrechtlich beachtliche Einkunftsquelle dargestellt habe oder die Betätigung als Voluptuar zu qualifizieren sei. Nach der auf den Beschwerdefall anzuwendenden LiebhabereiVO sei die Betätigung der Emilie B. als solche gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung zu qualifizieren. Demnach sei bei Vorliegen von Verlusten die Gesamtgewinnerzielungsabsicht entsprechend der Kriterienprüfung nach § 2 Abs. 1 LiebhabereiVO an Hand folgender Umstände zu beurteilen:
"1. Ausmaß und Entwicklung der Verluste
2. Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder
Überschüssen,
3. Ursachen, auf Grund deren im Gegensatz zu
vergleichbaren Betrieben, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen
kein Gewinn oder Überschuss erzielt wird,
4. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf
angebotene Leistungen,
5. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die
Preisgestaltung,
6. Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der
Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen
(z.B. Rationalisierungsmaßnahmen)."
Was die Z 1 des § 2 Abs. 1 LiebhabereiVO anlange, sei aus der Aktenlage abzuleiten, dass innerhalb des Zeitraumes 1988 bis 1995 einschließlich zweier positiver Geschäftsjahre ein Totalverlust von 2,680.707 S erwirtschaftet worden sei. Hinsichtlich der positiven Ergebnisse der Jahre 1991 und 1993 sei festzuhalten, dass deren Gesamtausmaß von 626.293 S im Verhältnis zu den bisher ertragsteuerrechtlich anerkannten und beantragten (1995) Verlusten von 3,933.293 S eine vernachlässigbare Größe darstelle und "nicht als eine nach objektiven Kriterien beurteilte Absicht der Bw. auf Erzielung eines Gesamtgewinnes anzusehen waren". Ungeachtet dieser Feststellungen dürfe auch das Lebensalter der Emilie B., die im Streitjahr 93 Jahre alt gewesen sei, nicht außer Acht gelassen werden, zumal dieses dazu führe, dass die von der LiebhabereiVO für das Vorliegen einer Einkunftsquelle geforderte Tatbestandsvoraussetzung, "nämlich die Erzielung eines Gesamtgewinnes überhaupt nicht erfüllt werden konnte".
In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht darauf verletzt, dass die gewerbliche Tätigkeit der Emilie B. einkommensteuerrechtlich nicht als Liebhaberei beurteilt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass es sich bei der gegenständlichen Tätigkeit um eine solche nach § 1 Abs. 1 der im Beschwerdefall anzuwendenden LiebhabereiVO BGBl. Nr. 33/1993 handelt, sodass die für die Qualifizierung als Einkunftsquelle maßgebliche Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen, zunächst zu vermuten ist.
Diese Vermutung kann an Hand der in § 2 Abs. 1 LiebhabereiVO genannten objektiven Kriterien, welche die Beurteilung der subjektiven Gewinnabsicht ermöglichen, widerlegt werden, wobei dem in § 2 Abs. 1 Z 6 LiebhabereiVO genannten Kriterium - Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen - besondere Bedeutung zukommt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 99/15/0209, und vom , 2002/14/0024).
Da die LiebhabereiVO das subjektive Ertragstreben in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, ist im Rahmen der durch § 2 Abs. 1 LiebhabereiVO normierten Kriterienprüfung das Schwergewicht auf die bis zum jeweiligen Veranlagungsjahr eingetretene Entwicklung, nicht hingegen auf nachfolgende Jahre zu legen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0003). Dem Alter oder dem Gesundheitszustand des Abgabepflichtigen kommt dabei keinerlei Bedeutung zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0219, und vom , 2000/13/0020).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist der angefochtene Bescheid bereits deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil die belangte Behörde bei ihrer Liebhabereibeurteilung auch dem Lebensalter der Emilie B. eine maßgebliche Bedeutung zumaß. Dazu kommt, dass sich die belangte Behörde zwar mit dem Ausmaß und der Entwicklung der Verluste sowie dem Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen auseinander zu setzen versuchte, eine darüber hinausgehende Kriterienprüfung im Sinne der auch im angefochtenen Bescheid referierten Z 3 bis 6 des § 2 Abs. 1 der LiebhabereiVO aber nicht zu erkennen ist. Vor allem fehlt auch eine Auseinandersetzung mit dem auf Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 6 LiebhabereiVO hindeutenden Vorbringen in der Berufung, wonach auf die branchenbedingte rückläufige Geschäftsentwicklung im Wege eines reduzierten Personaleinsatzes reagiert worden sei.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am